Was ist Energie?

„Strom kommt aus der Steckdose“, oder?

Was ist Energie
Was ist Energie? copyright by AdobeStock Nr. 104962086

Strom kommt aus der Steckdose, oder?

Leben heißt Spu­ren zu hin­ter­las­sen. “ Wal­ter Ben­ja­min

Inhaltsverzeichnis

  1. Vor­wort: Was ist Energie?
  2. Ener­gie­at­las
  3. Ursa­che von Energie
  4. Fun­da­men­te aller Energiequellen
  5. Ener­gie­quel­len im Zeitenwandel 
    1. Nach­hal­tig­keit und der Blick in die Ver­gan­gen­heit (Ener­gie­quel­len im Zei­ten­wan­del — Teil 1)
    2. Ent­ste­hen, Exis­tenz und Ver­ge­hen der Ster­ne als Ener­gie­quel­len (Ener­gie­quel­len der Gegenwart)
    3. Neue Mög­lich­kei­ten am Hori­zont und die Zukunft ist offen
  6. Erneu­er­ba­re Ener­gie im Überblick 
    1. Direk­te Nut­zung der Sonnenstrahlung
    2. Bewe­gungs­en­er­gie des Windes
    3. Bewe­gungs­en­er­gie und che­mi­sche Ener­gie von Meerwasser
    4. Bewe­gungs­en­er­gie von Fließwasser
    5. Wär­me­en­er­gie der Erdkruste
    6. Che­mi­sche Ener­gie der Biomasse
  7. Fort­set­zung folgt …

 

Das Schlaraffenland der Energie

Strom kommt aus der Steck­do­se“ lau­tet ein geflü­gel­tes Wort. Elek­tri­zi­tät ver­sorgt Men­schen zu Hau­se, am Arbeits­platz oder zur Fort­be­we­gung mit not­wen­di­ger Energie.
Die Steck­do­se wird von Kraft­wer­ken über Strom­net­ze belie­fert. Mit die­ser Art der Ener­gie­ver­sor­gung ent­wi­ckel­te sich der heu­te so selbst­ver­ständ­lich erschei­nen­de Lebenskomfort.
Die­ses Kon­zept wirkt fast wie ein Schla­raf­fen­land. Der Unter­schied besteht nur dar­in, dass kei­ne gebra­te­nen Hüh­ner an hung­ri­gen Mün­dern vor­bei­flie­gen. Statt­des­sen wird uns ein schein­bar unend­li­cher Fluss von Ener­gie bereitgestellt.
Man könn­te sich also zurück­leh­nen und auf den Erhalt des Schla­raf­fen­lan­des hof­fen. Doch die­ses Land ist bedroht.

Die Men­schen neh­men zur Kennt­nis, dass Art und Wei­se der Ener­gie­ge­win­nung und Bereit­stel­lung sowie der Ener­gie­nut­zung das Kli­ma auf der Erde in rela­tiv kur­zer Zeit stark ver­än­dert. Die Geschwin­dig­keit die­ser Ver­än­de­rung über­steigt alle Erfah­run­gen seit der Wie­ge der Zivi­li­sa­ti­on in Mesopotamien.
Dies erfor­dert eine radi­ka­le Neu­ge­stal­tung der von Men­schen orga­ni­sier­ten Ener­gie­kreis­läu­fe. Mit die­sen Anstren­gun­gen ent­wi­ckel­te sich aber auch das Bewusst­sein zu Mög­lich­kei­ten selbst­ver­ant­wort­lich gestal­te­ter Ener­gie­sys­te­me im per­sön­li­chen Umfeld, im Unter­neh­men sowie in städ­ti­schen und länd­li­chen Gebieten.

Dabei prä­gen neue Begrif­fe die Dis­kus­si­on zum Ener­gie­sys­tem der Zukunft. Ein­fa­che Wir­kungs­ket­ten aus Kraft­wer­ken, Strom­net­zen, Ener­gie­ver­sor­gern und Ener­gie­nut­zern wan­deln sich zu auto­no­men und gleich­zei­tig ver­netz­ten Energiekreisläufen.
Die Gestal­tung von Ener­gie­land­schaf­ten schafft trans­dis­zi­pli­nä­re Ver­bin­dun­gen zwi­schen Berufs­grup­pen, die bis­her kaum Ver­bin­dun­gen pfleg­ten. Umwelt­schüt­zen­de Akti­vis­ten inter­agie­ren mit Öko­no­men. Archi­tek­ten ler­nen Mög­lich­kei­ten der Gestal­tung ener­ge­tisch akti­ver Gebäu­de ken­nen. Das Inter­net der Din­ge ermög­licht neue For­men und Räu­me der Gemein­schaft sowie der gemein­sa­men Gestal­tung und Nut­zung von Ener­gie­flüs­sen auf Basis von Infor­ma­ti­ons­flüs­sen. Dabei stel­len wir bis­her geglaub­te tech­ni­sche Gewiss­hei­ten in Fra­ge und ler­nen die Her­aus­for­de­run­gen der Ver­än­de­rung als sozia­le Chan­cen wahr.
Um aber die Bedeu­tung die­ses Pro­zes­ses für eine grund­sätz­li­che Umge­stal­tung gesell­schaft­li­cher Abläu­fe zu ver­ste­hen, müs­sen wir den Begriff Ener­gie bes­ser verstehen.

Was ist Energie und was bewirkt sie?

Ener­gie stellt die fun­da­men­ta­le Grö­ße der Phy­sik dar. Phy­si­ker kön­nen Ener­gie beschrei­ben. Aber sie kön­nen nicht wirk­lich anschau­lich erklä­ren, wor­auf die Exis­tenz von Ener­gie im Kern beruht. Der Ener­gie­be­griff wird als Fähig­keit zur Ver­rich­tung von Arbeit beschrie­ben. Arbeit im phy­si­ka­li­schen Sin­ne bedeu­tet, Kör­per in Bewe­gung zu ver­set­zen, zu ver­for­men, Gas zusam­men­zu­drü­cken, elek­tri­schen Strom flie­ßen zu las­sen oder elek­tro-magne­ti­sche Wel­len bei­spiels­wei­se als Radio­wel­len abzu­sen­den. Zur Erhal­tung unse­res Lebens ist eben­so Arbeit zu verrichten.

Wir neh­men Ener­gie also erst rich­tig war, wenn sie etwas bewirkt, wenn sie auf ein Ding als Kraft ent­lang eines Weges wirkt, wenn sie einen Fluss der Ver­än­de­rung aus­löst und For­men schafft.
Wir beschrei­ben Ener­gie damit nicht als irgend­ei­ne Sub­stanz, son­dern durch ihre Wir­kung. Die­se Wir­kung basiert auf Unter­schie­den zwi­schen Wir­kungs­ort und Umge­bung. Der­ar­ti­ge Unter­schie­de ent­ste­hen zum Bei­spiel durch Was­ser, das in einem erhöh­ten Becken im Ver­hält­nis zum tie­fe­ren Becken gespei­chert wird. Eine Bat­te­rie stellt Unter­schie­de durch die Tren­nung von posi­tiv und nega­tiv gela­de­nen Teil­chen bereit. Durch Dif­fe­ren­zen wird also die eigent­li­che Grund­la­ge der Wir­kung aus­ge­drückt, bei deren Aus­gleich Ener­gie und damit die Fähig­keit zur Arbeit bereit­ge­stellt wird. Dif­fe­ren­zen sind poten­zi­el­le For­men als Ursa­che der Ent­wick­lung und Ener­gie ist die Fol­ge, durch die Gestalt als mate­ri­el­les Ergeb­nis entsteht.

Energie und Selbstbestimmung

Durch die­se Gestal­tungs­kraft von Ener­gie meh­ren eini­ge der mäch­tigs­ten Unter­neh­men der Welt ihren Reich­tum. Län­der mit einem höhe­ren Grad an Ener­gie­be­reit­stel­lung besit­zen mehr Poten­ti­al für Arbeits­plät­ze und sind bei der Berech­nung des Ein­kom­mens pro Kopf rei­cher. Den ärms­ten Län­dern man­gelt es an aus­rei­chen­dem Zugriff auf Energie.

Mit den Men­schen­rech­ten besteht ein welt­wei­ter Kon­sens, dass jeder Mensch das Recht auf einen Lebens­stan­dard hat, der Gesund­heit und Wohl für sich selbst und die eige­ne Fami­lie gewähr­leis­tet, ein­schließ­lich Nah­rung, Klei­dung, Woh­nung, ärzt­li­che Ver­sor­gung und not­wen­di­ge sozia­le Leistungen.
Eben­so besitzt die infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung im Rechts­sys­tem demo­kra­ti­scher Län­der einen hohen Stellenwert.

Aber das Recht auf ener­ge­ti­sche Selbst­be­stim­mung wird bis­her noch nicht auf brei­ter Front dis­ku­tiert. Ange­sichts der vor­ge­stell­ten grund­le­gen­den Bedeu­tung von Ener­gie für Arbeit und Wohl­stand folgt in logi­scher Kon­se­quenz der Anspruch, mit auto­no­mer Gestal­tung den Grad der ener­ge­ti­schen Selbst­be­stim­mung zu erhöhen.

Statt Energie im Schlaraffenland Energie in Zellen

Um das Recht auf auto­no­me Gestal­tung mit Soli­da­ri­tät in der Gesell­schaft zu ver­bin­den, kann mit dem Begriff Zel­le ein bio­lo­gi­scher Ver­gleich ange­stellt wer­den. Hier­zu wird auch in den Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten seit den 1980er Jah­ren der Begriff Evo­lu­ti­ons­öko­no­mik benutzt.

Dar­aus folg­te in der öffent­li­chen Dis­kus­si­on zur Trans­for­ma­ti­on des Ener­gie­sys­tems ein meta­pho­ri­scher jedoch gleich­zei­tig extrem pro­duk­ti­ver Begriff — der Ener­gie­or­ga­nis­mus. Die­ser Orga­nis­mus steht sinn­bild­lich für ein kom­ple­xes Sys­tem, das mit Infra­struk­tu­ren für Ener­gie, Kom­mu­ni­ka­ti­on und Logis­tik sei­ne Exis­tenz gewähr­leis­tet. In einem Orga­nis­mus befin­det sich alles im Fluss, und wie­der­um befin­det sich jener Orga­nis­mus im Fluss sei­ner Umwelt. Ange­wen­det auf die Wirt­schafts­wis­sen­schaft wird nicht das mikro­öko­no­mi­sche Gleich­ge­wicht gesucht, son­dern der Weg zum nach­hal­ti­gen Wachs­tum und Gedei­hen der Gesellschaft.

Obwohl die Men­ge der uns zur Ver­fü­gung ste­hen­den Ener­gie laut dem Ener­gie­er­hal­tungs­satz weder erzeugt noch ver­nich­tet wer­den kann, befin­det sich das, was wir Ener­gie nen­nen, in einem ste­ti­gen Umwand­lungs­pro­zess. Des­halb ist es wich­tig, die Gesetz­mä­ßig­kei­ten von Ener­gie­flüs­sen zu ver­ste­hen, um deren Mög­lich­kei­ten in die Gestal­tung von Gebäu­den, Stadt­quar­tie­ren, gewerb­li­chen und indus­tri­el­len Gebie­ten sowie länd­li­chen Flä­chen opti­mal zu nutzen.

Das Anzap­fen die­ser Umwand­lungs­pro­zes­se durch den Men­schen zur Nutz­bar­ma­chung der Ener­gie­flüs­se setzt ein Den­ken in Zyklen vor­aus. Zur Moti­vie­rung die­ses zykli­sche Den­ken dient in den wei­te­ren Kapi­teln die Beschäf­ti­gung mit Ener­gie, den erneu­er­ba­ren Ener­gie­quel­len, Ener­gie­trä­gern und Ener­gie­spei­chern, mit den zuge­hö­ri­gen Wand­lungs­pro­zes­sen sowie dem Ener­gie­ma­nage­ment zum effi­zi­en­ten Energieeinsatz.

Andre­as Kieß­ling, ener­gy design,  Lei­men / Hei­del­berg — 09. Novem­ber 2021

Über Andreas Kießling 110 Artikel
Andreas Kießling hat in Dresden Physik studiert und lebt im Raum Heidelberg. Er beteiligt sich als Freiberufler und Autor an der Gestaltung nachhaltiger Lebensräume und zugehöriger Energiekreisläufe. Dies betrifft Themen zu erneuerbaren und dezentral organisierten Energien. Veröffentlichungen als auch die Aktivitäten zur Beratung, zum Projektmanagement und zur Lehre dienen der Gestaltung von Energietechnologie, Energiepolitik und Energieökonomie mit regionalen und lokalen Chancen der Raumentwicklung in einer globalisierten Welt.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*