Modell und System
Sektion 01 Modell und System
Definition
Kapitel innerhalb der Terminologie Smart Energy zum Begriff Modell und System basierend auf einer attributiven Beschreibung von Originalen
Quelle: keine
Abkürzung: keine
Bemerkung: keine
Beziehungen: hat den Oberbegriff Terminologie Smart Energy
Einführung zu Grundbegriffen der Sektion 01
Liste der Begriffe
Modell
Um den Begriff Energiesystem zu definieren, werden die Begriffe System und Systemmodell benötigt. Davor soll aber der grundlegende Begriff Modell eingeführt werden, um das Verhältnis zwischen System und Systemmodell stringent herzuleiten. Nachfolgende Einführung zu den genannten Begriffen basiert auf [Stachowiak, H. (1973)].
Um Originale von etwas zu beschreiben und dabei bezüglich ihrer Haupteigenschaften zu abstrahieren, bedarf es eines Modells. Das Modell stellt nach Stachowiak das vermeintlich objektive Erkenntnisgebilde in einer für das abbildende Subjekt bestimmten Gedankenkonstruktion dar, die auch durch Subjektivität und Perspektivität geprägt ist.
Ein Modell ist somit ein Abbild von etwas sowie auch Vorbild für etwas und kann damit als Repräsentation eines bestimmten Originals definiert werden, wobei das Original natürlichen oder künstlichen Ursprungs und wiederum auch selbst ein Modell sein kann.
Entsprechend der grammatikalischen Verbindung von Nomen und Verb beim Satzaufbau mit Subjekt und Prädikat werden nach Stachowiak sowohl Originale als zu erfassende Objekte als auch deren Modelle als Menge von Individuen sowie deren Attributen gedeutet.
Man spricht von der attributierenden Objekterfassung (z.B. Die Erde ist eine Kugel mit „Erde“ als Individuum sowie „ist eine Kugel“ als Attribut). Dabei wird das Individuum als Ding, eine Entität oder einzelnes Seiendes definiert.
Attribute wiederum sind
— Eigenschaften (oder Merkmal als realisierte Eigenschaft) von Individuen,
— Relationen (oder Beziehung) zwischen Individuen,
— Operationen,
— Eigenschaften von Eigenschaften,
— Eigenschaften von Relationen,
— usw.
Einem beliebigen Original sind also stets wohlunterscheidbare, nicht weiter zu zerlegende Teilobjekte – die Individuen — zuzusprechen, die potentiell oder tatsächlich Träger von Eigenschaften sind und denen gegebenenfalls Relationen und Operationen aufgeprägt werden können.
Dabei können aber objekterstellende Elemente in einem Zusammenhang Attribut-Funktion und in anderen Zusammenhängen Individuum-Funktion haben. Insofern ist zur obigen Liste zu ergänzen, dass Attribute auch Individuen sein können.
Diese Teilobjekte als Individuen eines Originals werden auch Attribute 0. Stufe oder uneigentliche Attribute genannt, um der prinzipiellen Vertauschbarkeit von Individuen und Attributen gerecht zu werden (z.B. im Modell „Die Erde ist eine Kugel“ ist der Begriff „Kugel“ ein Attribut, aber kann in anderem Kontext Individuum sein).
Den Individuen zugeordnete Eigenschaften, Relationen und Operationen werden wiederum eigentliche Attribute oder auch Attribute 1. Stufe genannt. Da jedes Individuum aufgrund der Vertauschbarkeit auch zum Attribut werden kann, gibt es keine Individuen per se.
In einem Zusammenhang stehende Elemente, die über eine „attributierende Objekterfassung“ beschrieben werden, erhalten die Bezeichnung Attributklasse. Dabei können Attribute in unterschiedlichster Ausprägung definiert werden, z.B. als Axiome und Axiomklassen, als Zustände oder als Konstruktions- und Herstellungsanweisungen.
Attribute können gesprochen, geschrieben oder symbolisiert sprachlich artikuliert werden. Verwendet werden dazu Prädikate als sprachliche Artikulationen von Attributen aller Stufen primär wahrgenommener Gebilde. Die Summe der Attribute eines wahrgenommenen Originals bildet die Attributklasse. Jede Attributklasse kann durch eine Prädikatklasse symbolisiert werden.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Abbildung eines Originals auf ein Modell durch Erfassung von Individuen als uneigentliche Attribute der 0. Stufe und von eigentlichen Attributen der 1. Stufe (Operationen, Eigenschaften, Relationen) erfolgt. Die Menge aller Attribute des Modells ist eine Attributklasse, die durch eine Prädikatklasse symbolisiert wird.
System
Originale können Systeme bilden. Somit wird für eine Teilmenge der durch Modelle abgebildeten Originale der Begriff System benutzt. Diese Verwendung ist gültig, wenn das Original nach IEV 151–11-27 [DKE-IEV] als Gesamtheit miteinander in Verbindung stehender Objekte, die in einem bestimmten Zusammenhang als Ganzes gesehen und von ihrer Systemumgebung abgegrenzt sind, betrachtet werden kann.
Analog zur Erfassung eines Originals durch eine Attributklasse und deren Symbolisierung durch eine Prädikatklasse kann ein System als attributives System beschrieben werden. Dabei befindet sich im Kontext des Systembegriffes jedes Element mit jedem anderen Element derselben Klasse in (wenigstens) derart einer Zusammenhangsrelation, dass die Gesamtheit der Klassenelemente ein „einheitlich geordnetes Ganzes“ bleibt. Dies umfasst die prinzipielle Erreichbarkeit jedes Attributes von jedem anderen Attribut ohne Umweg über ein anderes Attribut (z.B. y in Abhängigkeit von x, d.h. y(x), aber nicht y in Abhängigkeit von t in der Form y(x(t))).
Ein attributives System ist wiederum ein kybernetisches System, wenn wenigstens eine Teilmenge der Individuenmenge aus Individuen besteht, die zeitaktive Elemente sind, denen also ein zeitabhängiges Input-Output-Verhalten zukommt. Zweitens muss das System ein stabiles System sein, d.h. ein System im Gleichgewicht oder mit dem Durchlauf einer Zustandsfolge einem Gleichgewicht entgegenstreben. Notwendig für die Stabilität eines kybernetischen Systems ist Rückkopplung. In einer geschlossenen Kette zeitaktiver Elemente ist damit der Output eines Elementes auf den Input eines anderen Elementes zurückzuführen.
Jedes der die Gesamtheit bildenden Objekte eines attributiven Systems wird im Weiteren Komponente genannt, wobei diese Gesamtheit wiederum von der Systemumgebung abgegrenzt ist. Eine Komponente kann weiter durch Unterbegriffe spezialisiert werden (z.B. Gerät, Anlage oder Netzwerk). Über eine Schnittstelle oder deren Vielzahl kann die Gesamtheit der Komponenten eines Systems mit der Systemumgebung interagieren, indem Attribute über Schnittstellen wirken. Die Schnittstellen bringen das System also in Relation zur Systemumgebung.
Eigenschaften der Systemumgebung haben als Eingangsattribute an den Schnittstellen Einfluss auf das System. Analog gilt, dass Eigenschaften des Systems als Ausgangsattribute an den Schnittstellen Einfluss auf die Systemumgebung haben.
Indem Attribute auf die Systemumgebung wirken und die Systemumgebung wiederum auf das System einwirkt, wird Rückkopplung möglich.
Durch Interaktion des Systems mit der Systemumgebung ändert sich der Zustand des Systems.
Jeder Komponente eines Systems kann ein Ort im Raum zugeordnet werden, der durch Koordinaten beschrieben wird. Der Zustand der Komponenten sowie die an den Schnittstellen genutzten Attribute ändern sich mit dem Attribut Zeit.
Synonym zum Begriff Systemumgebung wird auch der Begriff Umwelt genutzt, wobei die Umwelt wiederum in nicht vom Menschen geschaffene Aspekte unter dem Begriff der Natur sowie in vom Menschen geschaffene Aspekte unter dem Begriff der Kultur unterteilt werden kann. Natur und Kultur stellen aber wechselseitig bedingende Betrachtungen der gesamten Umwelt dar.
Die Funktion (Operationen) eines Systems beeinflusst die Umwelt als Systemumgebung. Gleichzeitig wird das System durch Funktionen anderer Systeme in der Umwelt beeinflusst. Dies betrifft auch den erweiterten Rahmen beliebiger Systeme der kulturellen und natürlichen Einflusssphäre, die die Handlungsmöglichkeiten des Systems sowie die Nutzbarkeit externer Potentiale begrenzen.
Politische Strukturen als Teilsysteme einer Gesellschaft besitzen beispielsweise die Funktion zum Erlass von Gesetzen und Regularien, die ein System in seinem Wirken einschränken. Eigenschaften der umgebenden Natur wiederum beeinflussenden das Potential der auf das System über Schnittstellen wirkenden Eigenschaften.
Systemmodell
Das System wird durch ein Systemmodell als vereinfachendes Abbild des originalen Systems beschrieben.
Es existieren verschiedene Modelltypen, die die Anforderungen an ein attributives System erfüllen. Für den hier nachfolgend verwendeten Kontext wird ein ontologisches Systemmodell zur Einteilung der Individuen und Attribute des Systems eingeführt. Weiterhin wird ein kybernetisches Systemmodell zur Abbildung eines kybernetischen Systemoriginals genutzt.
Um zu entscheiden, ob ein System mit einem bestimmten ontologischen Systemmodell abgebildet werden kann, wird eine überprüfbare Menge von Elementen (uneigentliche Attribute) sowie deren Operationen, Eigenschaften und Relationen (eigentliche Attribute) benötigt. Zu diesem Zwecke wird das nachfolgend beschriebene ontologische Systemmodell benutzt, mit dem die Attribute der betrachteten Systeme in bestimmte Attributklassen eingeordnet werden können, um mit einem vereinfachenden Abbild das originale Systems zu beschreiben.
Das genutzte ontologische Systemmodell gliedert das System mittels der vier nachfolgenden Attributklassen.
1. Komponentenklasse (Individuen als uneigentliche Attribute des Systems),
2. Eigenschaftenklasse (Eigenschaften als eigentliche Attribute des Systems)
3. Funktionsklasse (Funktionen sind Operationen und damit eigentliche Attribute des Systems)
4. Relationsklasse (Relationen / Beziehungen zwischen den Komponenten des Systems als eigentliche Attribute des Systems)
Eine Systemarchitektur umfasst insbesondere die Beschreibung von Relationen der Komponenten eines Systems und damit die Ordnung oder Strukturierung des entsprechenden Systems. Die Relationen werden im Systemmodell der Relationenklasse zugeordnet.
Dabei werden zur Vergleichbarkeit der Abbildung der Relationen in unterschiedlichen Systemarchitekturen isomorphe (gleichgestaltige) Abbildungsvorschriften benötigt. Diesem Anspruch dient ein gemeinsames Systemarchitekturmodell, um bei unterschiedlichen Originalarchitekturen von Systemen ein gemeinsames Verständnis zu erreichen.
Systeme aus Systemen
Ein System besteht – wie ausgeführt — aus uneigentlichen und eigentlichen Attributen, die alle in einer direkten Relation stehen können. Enthält ein System eine bestimmte Menge von Attributen innerhalb einer Attributklasse (Prädikatklasse) und verbindet sich mit einem anderen System der gleichen Attributklasse entsteht ein Systemaggregat. Die Verbindung eines Systemaggregates mit gleichen Attributklassen ist wiederum ein Systemaggregat. Analog verhält es sich mit der Verbindung eines Systemaggregates mit einem System gleicher Attributklasse zu einem neuen Systemaggregat.
Damit mit der Vereinigung zweier Systeme wiederum ein System entsteht (System aus Systemen), muss wenigstens ein neues Attribut hinzukommen. Dieses Attribut muss mindestens zweistellig sein, d.h. es muss mindestens ein Element eines Systems mit mindestens einem Element des anderen Systems verknüpfen.
Die Aufgabe besteht also darin, die Basisattribute des Systemmodells (Komponenten, Funktionen, Eigenschaften, Relationen) zu identifizieren.
Werden nun zwei Systeme mit gleichen Basisattributen miteinander verbunden, entsteht ein Systemaggregat.
Ein System kann genau dann aus mehreren Systemen bestehen, wenn beim Zusammenschluss mindestens ein Attribut hinzukommt, das in keinem der Systeme vorkommt und mindestens zwei Attribute der Systeme miteinander verbindet.
Das politische System Europa besteht beispielsweise aus den politischen Systemen der Mitgliedsstaaten und dies wiederum aus politischen Strukturen in Regionen, während darin die politischen Systeme von Städten wirken. In jeder dieser neuen Strukturen kommt eine neue legislative Komponente hinzu, die in untergeordneten politischen Strukturen nicht existiert.
Somit lassen sich eingebettete Systeme zu umfassenderen Systemen organisieren, wobei Netzwerke als Komponenten des Systems die Verbindung zwischen den Schnittstellen der Systeme herstellen. Da mehrere zusammengesetzte Systeme sich wiederum zu einem umfassenderen System zusammensetzen lassen, ist diese Kette eingebetteter Systeme rekursiv beliebig fortsetzbar.
Verweise
DKE-IEV. (2017). Deutsche Online-Ausgabe des IEV. International Electrotechnical Vocabulary Frankfurt. DKE.