Energiesystem Energiezelle Energieorganismus
Sektion 02 Energiesystem, Energiezelle und Energieorganismus
Definition
Kapitel innerhalb der Terminologie Smart Energy zu den Begriffen Energiesystem, Energiezelle und Energieorganismus sowie ihrer Beschreibung auf Basis der Begriffe System und Modell
Quelle: keine
Abkürzung: keine
Bemerkung: keine
Beziehungen: hat den Oberbegriff Terminologie Smart Energy
Einführung zu Grundbegriffen der Sektion 02
Liste der Begriffe
Energiesystem und Energiezelle
Der Begriff des Energiesystems wird dem allgemeinen Systembegriff untergeordnet und nachfolgend als attributives System beschrieben. Insofern ergibt sich eine zum Systembegriff analoge Definition des Energiesystems. Um ein Energiesystem in vereinfachender Weise abzubilden, werden nachfolgend die im Kapitel zum Systembegriff eingeführten Modelle benutzt.
Das Energiesystem definiert sich als Gesamtheit miteinander in Verbindung stehender Objekte in Form von Komponenten, die im Zusammenhang von Energiegewinnung, Speicherung, Energienutzung, Energietransport als Ganzes gesehen und von ihrer Umwelt abgegrenzt betrachtet werden können, wobei die Interaktion mit der Umwelt über Schnittstellen stattfindet.
Eigenschaften der Systemumgebung haben als Attribute an den Eingangsschnittstellen Einfluss auf das System. Analog gilt, dass Eigenschaften des Systems als Attribute an den Ausgangsschnittstellen Einfluss auf die Systemumgebung haben.
Durch Interaktion des Systems mit der Systemumgebung ändert sich der Zustand des Systems. Im weiteren Kontext bei der Betrachtung von Energiesystemen werden insbesondere die Größen Energie und Information als in der Zeit veränderliche Attribute eines kybernetischen Systems betrachtet, die als wesentliche Energiesystemeigenschaften zur Verfügung stehen und die unter Nutzung der Schnittstellen zwischen System und Systemumgebung ausgetauscht werden.
Werden zwei oder mehrere Energiesysteme mit gleichen Attributen über die Schnittstellen miteinander verbunden, entsteht ein Energiesystemverbund als Systemaggregat.
Moderne Energiesysteme werden zunehmend unter Einsatz informationsverarbeitender Komponenten geführt, um den Herausforderungen einer erneuerbaren, fluktuierenden und dezentralen Energieerzeugung mit Energiegewinnung bis in die Liegenschaften im Niederspannungsbereich gerecht zu werden. Für diese Verbindung von Energie- und Informationsinfrastruktur wurde der Begriff intelligentes Energiesystem (Smart Energy System) geprägt.
Zunehmend, die Architektur eines intelligenten Energiesystems beeinflussend, ist der Aspekt zu betrachten, dass ein räumlich abgegrenztes Energiesystem sowohl intern, innerhalb seiner Grenzen autonome Entscheidungen fällen und dabei über Systemgrenzen extern mit der Umgebung verbunden sein kann, als auch in idealisierter Weise ein autarkes, vollständig von der Umwelt abgegrenztes System bildet, wenn Untersysteme für Energiegewinnung, Speicherung, Energienutzung und Energietransport sowie ein intelligentes Energiemanagement in vollständiger Weise einen selbständigen Energiekreislauf ermöglichen, wobei es in diesem Falle keinen Austausch über Schnittstellen gäbe.
Um die Umsetzung eines intelligenten Energiesystems einerseits als autonomes System und gleichzeitig als Teil einer verbundenen Struktur zu ermöglichen, wird für diese Entität der Begriff Energiezelle eingeführt.
Begriff: Energiezelle, Zelle
Definition: Energiesystem aus der Energieinfrastruktur1) verschiedener Energieformen2), in der durch ein Energiezellenmanagement3) in möglicher Koordination mit Nachbarzellen4) der Ausgleich5) von Erzeugung und Verbrauch über alle vorhandenen Energieformen organisiert wird
Quelle: Arbeitsstand VDE ETG ITG Arbeitskreis Energieversorgung 4.0
english glossary: energy cell, cell
Bemerkung:
1) Zur Energieinfrastruktur werden alle Betriebsmittel gezählt, die zur Wandlung von Energie, zu deren Transport und Verteilung, sowie zur Speicherung eingesetzt werden.
2) Betrachtete Energieformen umfassen u.a. Elektrizität, Gas, Wärme und Energieträger für Mobilität.
3) Zum Energiezellenmanagement zählen alle Leittechnikeinrichtungen (Energiesystemregelungsfunktion zur Betriebsführung), Unterstützungsfunktionen (Basiskomponenten), Mess- und Steuereinrichtungen (Zugriffskomponenten) einschließlich der benötigten Kommunikationstechnik (Kommunikationskomponenten).
4) Energiezellen können zu umfassenderen Energiezellen verbunden werden. Es gibt somit Zellen auf der gleichen Stufe sowie auf überlagerten und unterlagerten Stufen.
5) Beim Ausgleich, der sowohl saisonal oder auch dynamisch durchgeführt werden kann, können sich die drei Zustände: ausgeglichen, überversorgt oder unterversorgt über alle vorhandenen Energieformen ergeben.
Zur Gliederung der Komponenten, Funktionen, Eigenschaften und Relationen einer Energiezelle wird zwecks Spezialisierung des ontologischen Systemmodells der Begriff ontologisches Energiesystemmodell definiert. In diesem Rahmen erfolgt die Bündelung von Attributen in die Klassen dieses Modells in folgender Weise:
- Komponentenklasse zur Zuordnung von Komponenten einer Energiesystems,
— Funktionsklasse zur Zuordnung der Energiesystemfunktionen
— Eigenschaftenklasse zur Zuordnung der Energie- und Informationseigenschaften an den Schnittstellen und internen Komponenten eines Energiesystems
— Relationenklasse zur Zuordnung von Beziehungen zwischen Komponenten des Energiesystems
Zusätzlich wird jedes Energiesystem im weiteren Verlauf als kybernetisches System betrachtet, um den funktionalen Aspekten zur Regelung der Energieflüsse gerecht zu werden.
Energieorganismus
Damit mit der Vereinigung zweier Energiezellen analog zur Systemvereinigung wiederum eine neue Energiezelle entsteht und nicht ein Energiesystemverbund, wie im letzten Abschnitt ausgeführt, muss wenigstens ein neues Attribut (Komponente, Funktion, Eigenschaft, Relation) hinzukommen (System aus Systemen), das in keinem der zu bündelnden Systeme existiert und mindestens zwei Attribute der einzelnen Systeme miteinander verbindet.
Mit dem Begriff der Energiezelle lassen sich eingebettete intelligente Energiesysteme zusätzlich zum Energiesystemverbund zu umfassenderen intelligenten Energiesystemen organisieren. Energiezellen einer Stufe (n‑1) werden dabei auf Basis des neuen Attributs zur Verbindung der beiden Systeme zu einer umfassenderen Energiezelle der n‑ten Stufe gebündelt.
Dabei stellen Netzwerke oder sonstige Energieträger die Verbindung zwischen den Schnittstellen der Systeme her. Leittechnik- / Betriebsführungssysteme der Zelle n‑ter-Stufe organisieren die Zellen der (n‑1)-ten Stufe. Da mehrere zusammengesetzte Systeme sich wiederum zu einem umfassenderen System zusammensetzen lassen, ist diese Kette eingebetteter Systeme rekursiv beliebig fortsetzbar.
Beispielsweise kann ein Gebäude als Energiezelle Autonomie ermöglichen und sich trotzdem in die Energiezelle eines Stadtquartieres und dieses wiederum in die Energiezelle der Stadt einordnen, das wiederum zur nationalen Energiezelle im europäischen Verbundsystem gehört.
Diese horizontal (Energiesystemverbund) und vertikal (System aus Systemen) organisierte Verbindung aus Energiezellen wird als Energieorganismus bezeichnet. Ein derartiges mehrstufiges Gesamtsystem besteht aus Energiezellen n‑ter Stufe, die jeweils aus Energiezellen (n‑1)-ter Stufe durch Hinzufügen neuer Attribute zusammengesetzt werden.
Der zellulare Ansatz beschreibt damit eine Systemarchitektur zum Aufbau einer fraktalen Struktur aus Energiezellen, die sowohl aus horizontalen Verbünden von Energiezellen als auch aus einem n‑stufigen System einbettender Energiezellen besteht, wobei jede Energiezelle wiederum ein abgegrenztes intelligentes Energiesystem bildet, das durch eine zusätzliche Ausstattung mit eigenem Energiezellenmanagement den Energieausgleich innerhalb der jeweiligen Zelle und auch die Koordination mit Nachbarzellen ermöglicht.
Abbildung: Energieorganismus
Um dies durch ein Beispiel deutlicher zu machen, wird nachfolgend eine mögliche fraktale Struktur aus Energiezellen entsprechend nachfolgender Abbildung dargestellt.
Nanoenergiesysteme:
Einzelne Teilsysteme (Anlagenverbünde, Wohnungen, Gewerbeeinheiten) in Gebäuden, deren Komponenten durch Netze miteinander und über Schnittstellen zur Umwelt verbunden sind
Mikroenergiesysteme:
Gebäude, deren Komponenten durch Gebäudenetze miteinander und über Schnittstellen zur Umwelt verbunden sind
Mesoenergiesysteme:
Areale und Quartiere, deren Komponenten durch Arealnetze miteinander und über Schnittstellen zur Umwelt verbunden sind
Makroenergiesysteme:
Städte und Ortschaftverbünde, deren Komponenten durch Verteilungsnetze miteinander und über Schnittstellen zur Umwelt verbunden sind
Superenergiesysteme:
Regionen, Staaten und Staatenverbünde, deren Komponenten durch Verteilungs- und Übertragungsnetze miteinander und über Schnittstellen zur externen Umwelt verbunden sind.

Abbildung: Beispielhafter Aufbau eines zellular organisierten Energiesystems
Verweise
DKE-IEV. (2017). Deutsche Online-Ausgabe des IEV. International Electrotechnical Vocabulary Frankfurt. DKE.