Die flexible Energiezelle im Energieorganismus

Die Blume nimmt als autonomes System Solarenergie aus der Umgebung auf und wandelt Strahlungsenergie in gespeicherte chemische Energie um. Der Inhalt des Energiespeichers wird zur Aufrechterhaltung der Lebensprozesse der Blume genutzt. Da der hierbei freiwerdende Sauerstoff wiederum Grundlage von Lebensprozessen der Tierwelt ist, lässt sich der Energiefluss als zyklischer Prozess beschreiben. Die flexible Energiezelle im Energieorganismus ist ein Baustein, in der ebenso autonome Energiezyklen von der Gewinnung, über die Speicherung bis zur Nutzung ablaufen. Reststoffe und abgegebene Energiemengen bilden den Ausgangspunkt energetischer Prozesse in anderen Energiezellen.
Paradigmenwechsel im Energiesystem
Erneuerbare Energien bieten analog zur biologischen Betrachtung Chancen zur Gestaltung von sogenannten Energiezellen, auch im Rahmen nationaler und europäischer Verbundsysteme. Eine Energiezelle umfasst Energiegewinnung, Speicherung und Nutzung in abgegrenzten Strukturen aller Lebensbereiche in Bezug auf alle benötigten Enenergiearten, wie zum Beispiel Strom, Wärme oder auch Gas.
Dies führt zu neuen Designansätzen für Gebäude, Stadtquartiere und Landschaften.
Die Umsetzung von Energiekreisläufen im Wohn- und Arbeitsumfeld der Städte und ländlichen Regionen erbringt sowohl einen Beitrag zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit als auch zu ihrer nachhaltigen Entwicklung.
Dezentrale Gestaltung und Vielfalt der Formen erhöhen aber auch die Komplexität der Regelung des Energiesystems im nationalen und europäischen Verbund.
Konzepte zur Beherrschung von Komplexität umfassen die autonome Regelung in Teilbereichen eines Gesamtsystems bei gleichzeitiger Integration in den Gesamtverbund. Energiezellen benötigen deshalb ein autonomes Energiemanagement in Verbindung mit der flexiblen Steuerung der Energieflüsse an den Grenzen der jeweiligen Zelle — den Netzanschlüssen — hinaus.
Lösungen dafür werden in verschiedenen nationalen, europäischen und internationalen Projekten demonstriert.
Empfohlen wird ein dezentrales Regelungskonzept unter Minimierung der Datenkommunikation, so dass die automatisierte Regelung in Teilbereichen des Gesamtsystems auch dann möglich ist, wenn die Verbindung zur Umgebung ausfällt. Gleichzeitig wird damit der Datenschutz gewährleistet und die Widerstandsfähigekit des Gesamtsystems erhöht. Zur Umsetzung eines dezentralen Energiemanagements entstehen Algorithmen auf Basis künstlicher Intelligenz.
Planung von Energiezellen in Gebäuden, Stadtquartieren, auf Arealen, in Städten und ländlichen Regionen
Die Spezifikation des Energiesystems in einer realen Umgebung erfolgt dabei aus verschiedenen Blickwinkeln, die jeweils eine innere und äußere Sicht beinhalten.
Ausgangspunkt ist in der Regel der Blick auf das eigene Objekt mit dem Ziel der Konzipierung eines Energiesystems mit eigenen Erzeugungs- und Speicherkapazitäten in Verbindung mit einem Energiemanagementsystem. Die Zielstellung besteht in der Erhöhung des Autonomiegrades in Wohngebäuden, im gewerblichen und öffentlichen Objekten, auf Industriearealen, aber auch in Städten und ländlichen Regionen, um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen, Eigengestaltung zu übernehmen, aber auch einen höheren Grad an Versorgungssicherheit im Falle von externen Stromausfällen zu erreichen.
Gleichzeitig wird Versorgungssicherheit durch den Verbund gewährleistet. Energiegemeinschaften sind also Mittel zum Ausbau Erneuerbarer Energien, zur Erhöhung von Wirtschaftlichkeit und zur Solidarität in der Gemeinschaft. Dies kann wiederum auf verschiedenen Ebenen lokalen, regionalen, nationalen und globalen Handelns geschehen.
Mit diesen Ansätzen verbinden sich lokales und globales Handeln auf verschiedenen Wirkungsebenen. Zur Abgrenzung zwischen eigener Handlungshoheit und der Umgebung ist jeweils eines Systemgrenze sowie das Wirken über diese Grenze zu definieren. Als Abbildungsmittel für den eigenen Wirkungsbereich in Abgrenzung zur Umgebung wurde der Begriff Zelle benutzt. Das vertikale Zusammenwirken der Zellen visualisiert nachfolgende Abbildung beispielhaft.
Zellen werden gestaltet im Rahmen privater oder politischer Strukturen als
- Einzelgebäude (Wohnhäuser und kommerzielle Gebäude),
- Stadtquartiere,
- Areale der Industrie oder auch öffentliche Flächen wie Flughäfen,
- ländliche Regionen.
Die Spezifikation von Energiesystemen lässt sich ebenso an vorhandenen Strukturen der Stromnetze planen, wie zum Beispiel in
- Verteilnetzbereichen,
- Verteilnetzen,
- Regionalnetzen,
- Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber.
Schlussendlich wirken in all diesen physikalisch abgrenzbaren Zellen virtuelle, also nicht räumlich definierte Marktstrukturen, z.B. als Bilanzkreise, virtuelle Kraftwerke oder Energiegemeinschaften.
Definition des Begriffes Energiezelle
Zur Umsetzung eines intelligenten Energiesystems einerseits als autonomes System und gleichzeitig als Teil einer verbundenen Struktur wird für diese Entität der Begriff Energiezelle oder zu Verallgemeinerung einer zellulären Infrastruktur auch der Begriff der Infrastrukturzelle eingeführt.
Definition: von der Umgebung abgegrenztes und gleichzeitig über Schnittstellen verbundenes System aus Komponenten einer Energieinfrastruktur1) verschiedener Energieformen2) sowie auch weiterer Infrastrukturen der Kommunikation und Logistik, deren Funktionen ein autonomes Zellenmanagement3) mit Optimierung von Angebot und Nachfrage im System über alle vorhandenen Energieformen in Verbindung mit dem Austausch von Produkten und Dienstleistungen über bidirektionale Flüsse von Energie, Stoffen und Information zu physikalischen Nachbarzellen sowie zu nicht lokal definierten virtuellen Marktzellen4) ermöglichen
Quelle: C/sells, von VDE ETG/ITG AK Energieversorgung 4.0 abgeleitete und erweiterte Definition,
Bemerkung:
1) z.B. zur Energieinfrastruktur zählen alle Komponenten (Assets: Schicht A), die zur Wandlung von Energie, zu Transport und Verteilung sowie zur Speicherung eingesetzt werden.
2) Energieformen umfassen u.a. Elektrizität, Gas, Wärme und Energieträger für Mobilität.
3) Zum Zellenmanagement zählen Anwendungskomponenten der Systemnutzer (Schicht D), Betriebsführung- und Leittechnikkomponenten (Schicht C) sowie Digitalisierungskomponenten (Schicht B) mit Informations- und Unterstützungsfunktionen (Basiskomponenten), Mess- und Steuereinrichtungen (Zugriffskomponenten) sowie gesicherte Kommunikationskomponenten
4) Infrastrukturzellen können zu umfassenderen Infrastrukturzellen verbunden werden. Es gibt somit Zellen auf der gleichen Stufe sowie auf übergelagerten und unterlagerten Stufen.
(siehe auch Begriffseintrag zum WIKIENERGY)
Komponenten der Energiezelle
Um bei der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten im jeweiligen Umfeld der Interessenträger die zugehörigen Ziele zu erreichen, ist das jeweils benötigte, konkrete System in einem Planungsprozess als Energiezelle sowie die zugehörigen Anwendungsfälle der Akteure im Rahmen einer vereinbarten Methodik zu beschreiben.
Hierfür wurden im Projekt C/sells insbesondere zu den Aspekten zelluläre Architektur und Digitalisierung Architekturmodelle und Komponentenschichten definiert.
Entsprechend nachfolgender Darstellung stellt dieses System eine Struktur von benötigten physikalischen Infrastrukturkomponenten – Assets — (A) dar, deren gemeinsame Funktion durch Betriebskomponenten ( C ) gesichert und koordiniert wird, als auch verschiedenen Austauschkomponenten (D — Mensch oder Maschinen) zur Verfügung steht.
Die millionenfache Vielfalt derartiger, potentieller Systeme, der zunehmende Grad ihrer Vernetzung und neue Organisationsformen zum Beispiel in Energiegemeinschaften, des privaten Austausches von Energie, virtueller Kraftwerke sowie die zunehmende Anforderung, die Infrastrukturen der menschlichen Gesellschaft in die Entwicklung der intelligenten Stadt integrieren, erfordert die Digitalisierung der Energieinfrastruktur. Hierzu wird die vierte Schicht der Digitalisierungskomponenten (B) in der Energiezelle definiert.
In Abhängigkeit vom jeweiligen Gebäude, dem Wohnquartier, einem Stadtgebiet sowie einem gewerblichen oder ländlichen Areal sind im Planungsprozess die in der nachfolgenden allgemeinen Systemdarstellung einer Energiezelle abgebildeten vier Komponentenschichten als Infrastruktur zu planen.
Die vier Komponentenschichten umfassen:
- D: Komponenten Mensch / Maschine für Marktfunktionen und Austausch Produkten / Dienstleistungen (inkl. Daten)
- C: Leit- und Managementkomponenten (Betrieb, Station, Feld) als Zell-Manager
- B: Informationskomponenten (Digitalisierung mit IIS-Komponenten)
- B3: Basiskomponenten (Plattformen mit informations- und kommunikationstechnischen Unterstützungsfunktionen)
- B2: Kommunikationskomponenten (Umsetzung und Sicherung des Informationstransportes)
- B1: Zugriffe auf Infrastrukturkomponenten über Sensorik (Messeinrichtungen) und Aktorik (Steuereinrichtungen)
- A: Infrastrukturkomponenten (Assets wie z.B. Endenergieerzeuger, ‑wandler, ‑speicher, ‑nutzer)
Andreas Kießling, 28. März 2019, Leimen