Energieatlas - Energie zyklisch denken

Energieatlas

Der Energieatlas als Werkzeugkasten zur Neugestaltung gesellschaftlicher Wirklichkeit

Der Wan­del zum erneu­er­ba­ren Ener­gie­sys­tem löst eine sozia­le Debat­te aus. Die­se Debat­te betrifft die kul­tu­rel­le Iden­ti­tät von Lebens­räu­men der Men­schen. Es ist eine Debat­te, die das Ver­hält­nis von Stadt und länd­li­chem Raum neu defi­niert; eine Debat­te, die tief in die gesell­schaft­li­che Wirk­lich­keit ein­greift.“    Robert Habeck, 01/2022

Der Ener­gie­at­las soll unter­stüt­zen, die Hoheit bei der Gestal­tung von loka­len und siche­ren Ener­gie­kreis­läu­fen in Gebäu­den und Wohn­quar­tie­ren, auf gewerb­li­chen und indus­tri­el­len Flä­chen sowie in den Städ­ten und Gemein­den zu übernehmen.

Inhaltsverzeichnis

  1. Vor­wort: Was ist Energie?
  2. Ener­gie­at­las
  3. Ursa­che von Energie
  4. Fun­da­men­te aller Energiequellen
  5. Ener­gie­quel­len im Zeitenwandel 
    1. Nach­hal­tig­keit und der Blick in die Ver­gan­gen­heit (Ener­gie­quel­len im Zei­ten­wan­del — Teil 1)
    2. Ent­ste­hen, Exis­tenz und Ver­ge­hen der Ster­ne als Ener­gie­quel­len (Ener­gie­quel­len der Gegenwart)
    3. Neue Mög­lich­kei­ten am Hori­zont und die Zukunft ist offen
  6. Erneu­er­ba­re Ener­gie im Überblick 
    1. Direk­te Nut­zung der Sonnenstrahlung
    2. Bewe­gungs­en­er­gie des Windes
    3. Bewe­gungs­en­er­gie und che­mi­sche Ener­gie von Meerwasser
    4. Bewe­gungs­en­er­gie von Fließwasser
    5. Wär­me­en­er­gie der Erdkruste
    6. Che­mi­sche Ener­gie der Biomasse
  7. Fort­set­zung folgt …

 

Wie gelangt der Strom in die Steckdose

Das Vor­wort „Was ist Ener­gie“ star­te­te mit dem Slo­gan: „Der Strom kommt aus der Steck­do­se“. Die ent­schei­de­ne Fra­ge lau­tet aber: Wie kommt der Strom in die Steckdose?

Die Art der Bereit­stel­lung von Strom ändert sich grund­le­gend. Die tech­ni­sche Umset­zung von Ener­gie­ge­win­nung, Ener­gie­spei­che­rung, die Ver­bin­dung von Elektrizitäts‑, Wär­me- und Gas­net­zen sowie Maß­nah­men zur Kli­ma­fol­gen­an­pas­sung, Gebäu­de­mo­der­ni­sie­rung und zur Stei­ge­rung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz ver­la­gern sich zuneh­mend in Städ­te und Gemein­den. Dies bie­tet Mög­lich­kei­ten zu loka­ler Wert­schöp­fung, zur selbst­ver­ant­wort­li­chen Umset­zung von Ener­gie­kon­zep­ten bis in die Wohn­ge­bäu­de sowie zur Bil­dung von Energiegemeinschaften.

Der Wan­del zum nach­hal­ti­gen Ener­gie­sys­tem auf Basis erneu­er­ba­rer Ener­gien besitzt also nicht nur eine tech­ni­sche Dimen­si­on. Bun­des­mi­nis­ter Robert Habeck sag­te dazu im Janu­ar 2022 auf einer Bun­des­pres­se­kon­fe­renz. „Der Wan­del löst eine sozia­le Debat­te aus. Die­se Debat­te betrifft die kul­tu­rel­le Iden­ti­tät von Lebens­räu­men der Men­schen. Es ist eine Debat­te, die das Ver­hält­nis von Stadt und länd­li­chem Raum neu defi­niert; eine Debat­te, die tief in die gesell­schaft­li­che Wirk­lich­keit eingreift.“

Um die­se Debat­te zu füh­ren, benö­ti­gen alle Akteu­re der Gesell­schaft ein tie­fe­res Ver­ständ­nis für Ener­gie als Grund­la­ge allen Seins, für durch Natur und Tech­no­lo­gie anzapf­ba­re Ener­gie­quel­len sowie für die ver­schie­de­nen For­men der Ener­gie­um­wand­lung bis zur Nut­zung von Ener­gie in der Gesell­schaft. Der Ener­gie­at­las soll dazu bei­tra­gen, die­ses Ver­ständ­nis zu ver­bes­sern. Er stellt eine gemein­sa­me Spra­che und bild­li­che Sym­bo­lik bereit.

Fluss der Energie

Ener­gie ist kein anfass­ba­res Ding. Mit dem Begriff Ener­gie wird eine Fähig­keit beschrie­ben, die Fähig­keit Arbeit zu ver­rich­ten. Ener­gie bringt etwas in Gang, wobei sich die Ener­gie­art ändert. Sie lässt sich eher als Fluss beschrei­ben, der etwas mit sich trägt. Ein Fluss besitzt eine Quel­le, wobei eine Quel­le der Ursprung von etwas Bestimm­ten, von Flüs­sen, von Pri­mär­ma­te­ria­li­en oder von Infor­ma­ti­on ist. Der Ener­gie­at­las kon­zen­triert sich auf Ener­gie­quel­len, aber auch auf damit ver­bun­de­ne stoff­li­che Flüs­se und die Flüs­se von Information.

Die Ener­gie­ge­win­nung unse­rer Gesell­schaft beruht bezüg­lich erneu­er­ba­rer Ener­gie bis­her auf der Nut­zung von vier Pri­mär­ener­gie­quel­len. Dies betrifft den Was­ser­stoff der Son­ne, die wech­seln­de Mas­se­ver­tei­lung des Erde-Mond-Sys­tems, die Mas­se der Erde und die radio­ak­ti­ven Bestand­tei­le im Erd­kern. Die­se Quel­len beru­hen also auf zwei der vier in der Phy­sik bekann­ten Wech­sel­wir­kun­gen; der als star­ke Wech­sel­wir­kung bekann­ten Kern­kraft und der Gra­vi­ta­ti­on. Die vier genann­ten Ursprün­ge von Pri­mär­ener­gie belie­fern wie­der­um ver­schie­de­ne Ver­fah­ren zur Ener­gie­wand­lung und zur Bereit­stel­lung von Ener­gie für Fol­ge­pro­zes­se. Spä­ter wird die­se Aus­sa­ge begrün­det, wobei auch ein Aus­blick auf mög­li­che Kan­di­da­ten für zusätz­li­che Ener­gie­quel­len erfolgt.

Zuerst sind aber noch die not­wen­di­gen Schrit­te zu klä­ren, um aus der Pri­mär­ener­gie­quel­le die Ener­gie in der benö­tig­ten nutz­ba­ren Form zu gewin­nen. Die der Quel­le ent­sprin­gen­de pri­mä­re Grund­la­ge muss in der Regel mit natür­li­chen oder tech­no­lo­gi­schen Ver­fah­ren extra­hiert sowie in eine wirk­sa­me Form gebracht und wei­ter­ge­lei­tet wer­den. Als Ergeb­nis steht Pri­mär­ener­gie zur Ver­ar­bei­tung bereit.

Die Art die­ser Ener­gie ist in der Regel noch nicht zur direk­ten Nut­zung in der Lebens- und Arbeits­welt der Men­schen geeig­net. Men­schen kön­nen che­mi­sche Ener­gie der Lebens­mit­tel im Kör­per ver­ar­bei­ten. Mit Pflan­zen­öl lässt sich even­tu­ell auch ein Auto betrei­ben, aber nicht der Com­pu­ter, mit dem die­se Abhand­lung geschrie­ben wird. Die bereit­ge­stell­te Pri­mär­ener­gie muss somit in eine geeig­ne­te Form umge­wan­delt wer­den, zum Bei­spiel in Elek­tri­zi­tät. Die­se Ener­gie­form lie­fert den der Steck­do­se ent­nehm­ba­ren Strom. Die dafür not­wen­di­gen Ein­rich­tun­gen nen­nen wir Gene­ra­to­ren oder Wand­ler. Der Gene­ra­tor lie­fert die benö­tig­te Ener­gie­form als End­ener­gie. Die­ser Vor­gang kann meh­re­re Zwi­schen­schrit­te beinhal­ten. Die von Zwi­schen­schrit­ten gelie­fer­te Ener­gie nennt der Tech­ni­ker gern auch Sekun­där­ener­gie. Doch soll­te dies nicht ver­wir­ren, denn Ener­gie besteht nur in Form ver­schie­de­ner Ener­gie­ar­ten mit unter­schied­li­cher Nutzbarkeit.

Schluss­end­lich wird die bereit­ge­stell­te End­ener­gie zum Betrieb ver­schie­de­ner Ein­rich­tun­gen, Anla­gen und Gerä­te mensch­li­cher Lebens- und Arbeits­wel­ten ein­ge­setzt. Als Nutz­ener­gie steht sie am Ende der Ket­te den Ener­gie­sen­ken zur Ver­fü­gung. Sie bringt Leuch­ten in Gebäu­den und auf Stra­ßen zum Strah­len, sorgt mit Bewe­gungs­en­er­gie der Fahr­zeu­ge für Mobi­li­tät oder betreibt Haus­halts­ge­rä­te und Maschi­nen. Eine wei­te­re Nut­zungs­mög­lich­keit besteht dar­in, Ener­gie zur spä­te­ren Ver­wen­dung in Spei­chern auf­zu­be­wah­ren. Dies lässt sich zum Bei­spiel mit einer Bat­te­rie durch Spei­che­rung elek­tro-che­mi­scher Ener­gie umsetzen.

Prozess der Energietransformation sowie Energiezyklen

Die beschrie­be­nen Pro­zess­schrit­te zur Ener­gie­trans­for­ma­ti­on bil­den eine Ket­te von der Ener­gie­quel­le bis zur Nut­zung. Dabei kann die bereit­ge­stell­te Nutz­ener­gie auch gespei­chert wer­den und somit als poten­zi­el­le Quel­le für einen wei­te­ren Ablauf die­nen. Der Pro­zess formt einen Ener­gie­kreis­lauf, der zu einer belie­bi­gen Anzahl von Zyklen ver­ket­tet wer­den kann. Jeder ein­zel­ne Zyklus setzt sich aus den beschrie­be­nen sechs Schrit­ten zusammen:

  • Ener­gie­quel­le zur Bereit­stel­lung von Energie
  • Ver­fah­ren zur Extrak­ti­on und Weiterleitung
  • Pri­mär­ener­gie
  • Gene­ra­tor / Wandler
  • End­ener­gie
  • Ener­gie­sen­ke zum Ein­satz und zur Spei­che­rung von Nutzenergie

Wir spra­chen schon dar­über, dass Ener­gie weder erzeugt wer­den noch ver­lo­ren gehen kann. Ener­gie wird immer nur umge­wan­delt.  Meh­re­re die­ser Trans­for­ma­ti­ons­pro­zes­se las­sen sich als wie­der­hol­te Zyklen anein­an­der­rei­hen. Natür­lich ent­steht damit kein Per­pe­tu­um mobi­le. Die Ener­gie bleibt zwar bestehen, aber die Nut­zungs­mög­lich­keit von Ener­gie, ihre Ver­füg­bar­keit, ver­rin­gert sich bei jedem wei­te­ren Zyklus. Gleich­zei­tig wird der Grad nicht mehr ver­füg­ba­rer Ener­gie erhöht. Die­ser nicht nutz­ba­re Teil wird Entro­pie genannt. Bit­te haben sie bis zur Klä­rung die­ses Begrif­fes in spä­te­ren Kapi­teln noch ein wenig Geduld. Somit ver­än­dert sich die Ener­gie­art in zykli­schen Pro­zes­sen eher in Form einer Spi­ra­le, die Ener­gie mit hoher Ver­füg­bar­keit zu gerin­ger Nutz­bar­keit wan­delt. Die Effi­zi­enz der Ver­bin­dung meh­re­rer Zyklen der Ener­gie­trans­for­ma­ti­on ist somit danach zu bewer­ten, wie der Grad der Entro­piestei­ge­rung, also der Grad nicht mehr nutz­ba­rer Ener­gie, anwächst.

Energieatlas

Die Auf­ga­be besteht dar­in, effi­zi­en­te Ener­gie­pro­zes­se mit mini­ma­ler Ener­gie­ent­wer­tung für ver­schie­de­ne Ein­satz­fäl­le zu gestal­ten und zu bewer­ten. Dazu nut­zen wir die sechs Schrit­te zur Beschrei­bung eines Ener­gie­zy­klus. Zur Ver­an­schau­li­chung die­nen gra­fi­sche Basis­ele­men­te. Der dar­auf basie­ren­de Ener­gie­at­las dient dem Über­blick zur Viel­zahl ver­schie­de­ner Ener­gie­quel­len, Extrak­ti­ons­ver­fah­ren von Pri­mär­ener­gie, Pri­mär­ener­gie­ar­ten, Gene­ra­to­ren zur Wand­lung zwi­schen End­ener­gie­ar­ten sowie zu deren Anwen­dung in ver­schie­de­nen Lebens- und Arbeits­wel­ten als Ener­gie­land­schaf­ten. 

Der Atlas umfasst Design­ele­men­te zur Gestal­tung auto­no­mer Ener­gie­sys­te­me für Gebäu­de, Area­le, Städ­te und Regio­nen in Inter­ak­ti­on mit der Umwelt. Er unter­stützt die Kon­fi­gu­ra­ti­on von Ener­gie­zy­klen ent­spre­chend den loka­len Bedin­gun­gen und Bedürf­nis­sen der Anwen­der. Fol­gen­de Abbil­dung ord­net zuerst den sechs Schrit­ten des Ener­gie­zy­klus gra­fi­sche Sym­bol­ka­te­go­rien zu.

Symboltypen zum Energieatlas

Abbil­dung: Symboltypen

In den nächs­ten Kapi­teln wer­den zum Design von Ener­gie­lö­sun­gen in Gebäu­den und Quar­tie­ren, auf gewerb­li­chen und indus­tri­el­len Area­len, in Städ­ten, Gemein­den und länd­li­chen Raum­en auf Basis erneu­er­ba­rer Ener­gie­quel­len wei­te­re gra­fi­sche Ele­men­te ein­ge­führt. Bei­spiel­haf­te Ener­gie­kon­zep­te neh­men dabei stets Bezug auf die­se Dar­stel­lung des Ener­gie­zy­klus. Der Kreis­lauf wird ent­spre­chend obi­ger Abbil­dung in drei Pha­sen gegliedert.

Die Extrak­ti­ons­pha­se beschreibt die Gewin­nung und Wei­ter­lei­tung von Pri­mär­ener­gie aus einer Energiequelle.

In der Bereit­stel­lungs­pha­se über­nimmt ein Gene­ra­tor oder Wand­ler die Kon­ver­tie­rung der Pri­mär­ener­gie in benö­tig­te End­ener­gie sowie deren Wei­ter­lei­tung zur Nut­zung. 

Die Nut­zungs­pha­se ermög­licht den Ein­satz von End­ener­gie sowie die Ener­gie­auf­nah­me in Spei­chern, um die zeit­ver­zö­ger­te Ver­wen­dung oder den Ener­gie­ein­satz in wei­te­ren Zyklen zu ermög­li­chen. 

Zuerst star­ten wir mit der Beschrei­bung von Ener­gie­quel­len und den Mög­lich­kei­ten zur Extrak­ti­on von Pri­mär­ener­gie. Dazu keh­ren wir noch ein­mal zur Fra­ge zurück, was Ener­gie im Kern eigent­lich ist. Die Suche nach Ant­wor­ten führt zu zwei neu­en Fra­gen. 

Wor­in besteht die eigent­li­che Ursa­che von Ener­gie und auf wel­chen fun­da­men­ta­len Ursa­chen basie­ren alle Ener­gie­quel­len? 

Auf die­ser Grund­la­ge star­tet in den nächs­ten Kapi­teln die Suche nach Wegen zur Extrak­ti­on von Pri­mär­ener­gie sowie die Beschrei­bung dar­auf basie­ren­der Mög­lich­kei­ten zur Umset­zung von Energiezyklen.

Quellen:

Kieß­ling, Andre­as (Hrsg.).; Hart­mann, Gun­nar. Ener­gie zyklisch den­ken. 136 S. 2. Auf­la­ge: Janu­ar 2019. Paper­back, ISBN: 978–3‑7469–7427‑9. Hard­co­ver, ISBN: 978–3‑7469–7428‑6. E‑Book, ISBN: 978–3‑7469–7429‑3. Ham­burg, tre­di­ti­on GmbH. https://amzn.to/3vUDaQw

Andre­as Kieß­ling, ener­gy design, Lei­men / Hei­del­berg — 09. Mai 2022

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