Dezentralisierung und Komplexität
Konflikte
Eine zunehmend dezentrale Energiewelt und die damit verbundenen Chancen in Energiezellen unterschiedlicher räumlicher Ausdehnung bewegen ganze Wirtschaftszweige. Dezentral nutzbare, erneuerbare Energiequellen bilden die Grundlage. Digitalisierung wird zum Mittel der Beherrschung der in einer dezentralen Welt zunehmenden Komplexität. Menschen in ihren Lebensräumen und Unternehmen erkennen in diesem Umfeld die Chance zum autonomen Handeln sowie zur Wiedererlangung von lokaler und regionaler Gestaltungshoheit.
Trotzdem verbleibt ein ungelöster Interessenwiderspruch. Während in Deutschland Kommunal- und Landespolitik die Veränderungsprozesse dankbar aufnimmt, verbleibt die Bundespolitik und die europäische Energiepolitik in zentralen Gestaltungsansätzen befangen. Die Erstellung eines Marktdesigns in Verbindung mit zentralen und dezentralen Mechanismen, die Incentivierung von Flexibilität bei Speicherlösungen und Sektorenverbindungen zwischen Strom, Wärme, Gas als auch Energieträgern für Mobilität sowie der Energieaustausch zwischen Nachbarn bleiben Forderungen und werden vorrangig in Pilotprojekten aufgezeigt. Die Bundespolitik verharrt in der besonderen Förderung des Ausbaus zentraler erneuerbarer Erzeugungskapazitäten und neuer Übertragungstrassen.
Eine belastbare Beratung der Bundespolitik bezüglich der Vorteile dezentralen Handelns in einer zunehmend vernetzten und komplexen Welt bleibt in Ansätzen stecken. Welche Forschungsprojekte widmen sich der großflächigen Simulation, der Pilotierung und der Evaluation dezentraler Energiekonzepte in zellularer Organisation? Derartige Vorhaben widersprechen oft dem aktuellen legislativen und regulatorischen Rahmen. Regulatorische Innovationszonen, in denen entsprechende Konzepte großflächig ausprobiert werden können, lehnt die Bundespolitik ab. Hierbei offenbaren sich Interessenkonflikte zwischen zentral und eher dezentral organisierten Akteuren, wobei Zentralität offenbar leichter durch gebündelte Interessenvertretungen artikuliert wird.
Aufgabenstellung
Bei aufmerksamer Betrachtung des Weltgeschehens lassen sich bezüglich anderer Wirtschaftsfelder ebenfalls analoge Veränderungsprozesse erkennen. Organisationen rund um die Erde bauen Hierarchien ab und dezentralisieren die Entscheidungsfindung in der Erwartung, Flexibilität und Wettbewerbsposition zu verbessern [Kauffman, S. (09/1998)]. Erstmalig beschrieben wurde dieser Dezentralisierungsprozess im Jahre 1982 von Richard R. Nelson und Sidney Winter [Nelson, Richard R.; Winter, Sidney (1982)]. Eine kohärente Theorie der Dezentralisierung scheint jedoch zu fehlen.
Stuart Kauffman wendete diese Ideen zur Dezentralisierung auf seine Forschungsergebnisse an. Sein langjähriges Wirken bezog sich insbesondere auf das Verhältnis von Chaos und Ordnung komplexer Systeme mit der Betrachtung von Selbstorganisation als metastabiles Geschehen am Rande des Chaos. Diese Ideen führten zur Einordnung sowohl des Lebens als auch makroökonomischer Systeme als Evolution in Kooperation – koevolvierende Systeme. Koevolution beschreibt in Erweiterung des Ansatzes von Veränderung (Mutation) und Auswahl (Selektion) bei Darwin einen kooperierenden, wechselseitigen Anpassungsprozess. Auf dieser Grundlage beschreibt Kauffman folgendes Verfahren:
„Man nehme eine schwierige, konfliktträchtige Aufgabe, bei der zahlreiche Elemente miteinander wechselwirken, und zerlege sie in einen „Teppich“ nichtüberlappender Felder. Dann bemühe man sich innerhalb eines jeden Feldes um eine Optimierung. Die Verknüpfung zwischen Elementen in zwei Feldern über die Feldgrenzen hinweg bedeutet nun, dass sich durch das Finden einer „guten“ Lösung in einem Feld das Problem, das die Elemente in angrenzenden Feldern lösen müssen, verändert. Da Änderungen in einem Feld dazu führen, dass die Probleme in den benachbarten Feldern sich ebenfalls verändern, und da die adaptiven Bewegungen dieser Felder ihrerseits die Probleme wieder anderer Felder verändern, gleicht das System unseren koevolvierenden Modellökosystemen.“
Jedes dieser Felder kann nun in Ökosystemen als eine Art von Lebewesen betrachtet werden, deren Entwicklung durch Nachbararten mitbestimmt wird. Auch in der Wirtschaft kann ein Feld als Unternehmen betrachtet werden, dessen Fortschritt durch benachbarte Unternehmen bestimmt wird. Dies entspricht in analoger Weise der Betrachtung eines zellularen Energiesystems, dessen Funktion durch benachbarte Energiesysteme – sowohl private Gebäude und Areale, als auch öffentliche Netzgebiete oder kommerzielle Marktgebiete – beeinflusst wird.
Durch Globalisierung und gleichzeitig stattfindende Autonomiebestrebungen sowie durch Digitalisierung und neue Organisationsformen in der virtuellen Welt auf Basis der Vernetzung im Internet entsteht zunehmende Komplexität. Jedes der einzelnen Felder mit ihren Merkmalen kann durch beliebig viele andere Merkmale anderer Felder affektiert werden. Sehr schnell erreichen Systeme mit einer bestimmten Anzahl von Feldern und ihren Merkmalen sowie der Anzahl der Beeinflussungen durch andere Felder die Grenze der Stabilität beim Versuch, das Gesamtsystem zentral zu steuern. Das bisherige Energiesystem war durch eine beherrschbare Anzahl von Elementen, die das Gesamtsystem relevant beeinflussten, gekennzeichnet. Die zentrale Systemverantwortung konnte ein stabiles System gewährleisten. Dies ändert sich zu einem Energiesystem mit hohem Anteil gegenseitig vernetzter Felder auf Basis einer stark wachsenden Anzahl dezentraler Energiequellen und lokaler Energiemanagementsysteme, die jeweils ihre Nachbarfelder beeinflussen, sowie der Vernetzung über das Internet. Das Gesamtsystem droht im Rahmen der zentralen Systemführung die Ebene auf dem Stabilitätsberg zu verlassen und in ein chaotisches Verhalten umzukippen.
Die Lösung bei Kauffman besteht darin, bei einer hohen Anzahl von Feldern sowohl die eigenen beeinflussenden Merkmale als auch die Einflussmöglichkeiten der Umgebung über Schnittstellen zu begrenzen. Bei entsprechender Wahl der beeinflussenden Parameter entsteht ein koevolvierendes System am Rande des Chaos, das sich selbst organisiert und Ordnung ausbildet. Dies ist letztendlich die Grundidee des zellularen Ansatzes. Auf der einen Seite stehen Autonomiebestrebungen mit dezentraler Erzeugung und eigener Nutzenoptimierung in der Energiezelle. Auf der anderen Seite steht der Vorteil eines solidarischen Verbundsystems als eine Art selbstoptimierender Energieorganismus.
Der Vorschlag zum zellularen Ansatz wurde erstmals in [Buchholz, B.; Kiessling, A.; Nestle, D. (07/2009)] erwähnt, wobei dessen begriffliche Definition in [Kießling, A. (Hrsg.); Hartmann, G. (2014)] und im Rahmen der Spezifikation des Demonstrationsprojektes C/sells [C/sells (2015)] weitergeführt wurde. Die Studie [Prognos, et. al. (10/2016)] kalkulierte Netzmaßnahmen auf Basis des zellularen Ansatzes entsprechend, dass der optimale volkswirtschaftliche Vorteil in der Summe aller Akteure entsteht. Ein Vergleich und die Optimierung von zentral und dezentral orientierten Ausbaupfaden zu einer Stromversorgung aus erneuerbaren Energien in Deutschland findet in der Studie [Reiner Lemoine Institut (2013)] statt. Die weitgehende Umsetzung des zellularen Konzeptes wurde aber noch nicht abschließend untersucht. Deshalb ist ein Weg zu finden, wie das heutige Energiesystem mit zentraler Erzeugung und Steuerung und damit wenigen, sich gegenseitig beeinflussenden Handlungsfeldern in ein System der kooperativen Steuerung der verschiedenen Akteure überführt werden kann.
Es gilt, die verschiedenen Netz- und Marktakteure in ihren eigenen Handlungsfeldern miteinander in optimierter Weise zu verbünden.
Berechenbarkeit oder Ordnung am Rande des Chaos
Kritiker eines dezentralen Energiesystems holen gern das Argument der unbeherrschbaren Komplexität aus der Schublade. Es ist daher an der Zeit, sich dem Thema Komplexität im Energiesystem fundierter zu widmen.
An dieser Stelle wollen wir nicht die wirtschaftlichen Chancen eines dezentralen Energiesystems im Wohn- und Arbeitsumfeld der Menschen, in den Kommunen und Regionen betrachten. Wir werden nicht Gestaltungshoheit und Eröffnung neuer Wertschöpfungsmöglichkeiten dem sogenannten volkswirtschaftlichen Optimum eines zentralisierten Systems gegenüberstellen. Es erfolgt diesbezüglich keine Abwägung der Vorteile eines dezentral und verteilt gesteuerten Energiesystems im Vergleich zu einem zentral organisierten Energieverbund.
Wir werden uns vielmehr der Frage widmen, wie ein komplexes System zu gestalten ist, um das Spannungsfeld zwischen Stabilität und Flexibilität optimal zu beherrschen. Die Begründung für ein System mit zentralen Energiequellen und zentraler Steuerung erfolgt vorrangig mit Stabilitätsgesichtspunkten zur Schaffung von Ordnung und Berechenbarkeit. Zentralität kann aber auch mit Starrheit und begrenzten Handlungsoptionen verbunden sein, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern. Hinzu kommt, dass Stabilität mit dem Risiko der leichteren Angreifbarkeit sowie der Begrenzung des Marktwirkens und der Übernahme eigener Gestaltungshoheit erkauft wird. Ein dezentrales System benötigt Flexibilität, um Komplexität zu beherrschen. Ein zu flexibles System kann wiederum zu chaotischem Verhalten führen. Berechenbarkeit geht verloren. Im Bestreben, das Optimum zwischen Stabilität und Flexibilität zu erreichen, ist also die Ordnung am Rande des Chaos zu gestalten.
Tatsächlich ist uns auch hier die Natur Vorbild — wie an vielen anderen Stellen. Die Atome eines Gases in einem geschlossenen Raum verhalten sich chaotisch. Sie sind im Raum gleichmäßig verteilt, wobei wir dies als Zustand der Unordnung bezeichnen. Den Drang dieser Atome, sich bei eventuellen Ungleichgewichten in der Verteilung im Raum zum Zustand der Gleichverteilung zu bewegen, beschreiben die Wissenschaftler mit dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Ein sich selbst überlassenes System strebt zum Zustand höherer Entropie, einfacher ausgedrückt zum Zustand wachsender Unordnung. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass sich alle Atome des Gases in einer Ecke des Raumes sammeln und wir auf der gegenüberliegenden Seite ersticken. In diesem Fall würde sich die Entropie verringern und die Ordnung im System steigen. Alle Gasatome wären auf einer Seite des Zimmers aufgeräumt.
Dieses Beispiel zeigt, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass sich die in einer gewaltigen Explosion und nachfolgender Verklumpung von Energie entstandenen Elementarteilchen ständig weiter auf dem Wege zur Schaffung von Ordnung organisieren. Auf Basis der Entropiebetrachtung ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Materie immer weiter zu bewusstem Leben organisiert, sehr klein. Forscher auf dem Gebiet der Komplexitätstheorie gelangen heute mehr und mehr zu der Erkenntnis, dass Ordnung durch Netzwerke entsteht, die sich in einem Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos befinden. Nicht durch bloße Anordnung der Teilchen im Raum entsteht Ordnung, sondern durch die Gestaltung der Beziehungen und Interaktionen zwischen den Teilchen. Den Teilchen ist quasi eine Information aufgeprägt, die somit Grundlage der Ordnungsbildung ist. Diese Netzwerke existieren an einer Grenze, einem sogenannten Phasenübergang. Erst dieser Existenzbereich versetzt sie in die Lage, sowohl geordnete als auch flexible Verhaltensweisen zu auszuprägen.
Einer der Begründer dieser Forschungsrichtung ist Stuart Kauffman, der in einer allgemein verständlichen Form seine Erkenntnisse im Buch „Der Öltropfen im Wasser – Chaos, Komplexität, Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft“ zusammenfasste [Kauffman, S. (09/1998)].
Auf Basis der Betrachtung von Netzwerken als Boolsche Gebilde sowie der Netzwerkknoten als autonom handelnde und verbundene zelluläre Automaten zusammen mit den Modellierungsmöglichkeiten neuronaler Netze könnte der Weg zum Verständnis des Themas Komplexität und zur Anwendung bei der Gestaltung der Regeln im Umfeld eines zellularen Ansatzes zur Architektur des zukünftigen Energiesystems gelingen.
Es gilt, Autonomie in den Energiezellen zu ermöglichen, aber gleichzeitig ein Verbundsystem aus einem Netzwerk flexibler Energiezellen zu schaffen. Dieser Verbund besitzt auf Grund der hohen Teilnehmerzahl in einem dezentralen System höhere Komplexität, aber die Regeln des Zusammenwirkens sollen Stabilität und Flexibilität des Verbundes garantieren. Hierbei entsteht eine Art Energieorganismus, der analog der Lebensformen stabil und flexibel am Rande des Chaos existiert.
Mittel zur Beherrschung von Komplexität und der Erzeugung von Ordnung
Rahmen eines Dokumentes zu den Themen Methodik, Modelle, Terminologie, technische Regeln, Normen und Standards zu Beförderung von Interoperabilität als Grundlage der Massenfähigkeit eines Systems kann es nicht die Aufgabe sein, Forschungsansätze zu eröffnen und zu beurteilen.
Es ist aber im vielfältigen, dezentral und zellulär gestalteten System unverzichtbar, die Regeln zum Zusammenwirken von autonom und trotzdem verbundenen Energiezellen zu definieren, um die Komplexität dieses Gesamtsystems geordnet und gleichzeitig flexibel ohne chaotisches Verhalten zu beherrschen.
Aus diesem Grunde werden nachfolgend ein paar Literaturquellen eingeführt, um die Beschäftigung mit der wissenschaftlichen Basis von Zellularität, Komplexität und Ordnung zu befördern.
Literaturempfehlungen: Zellulärer Automat und zelluläres Universum als Modell für zelluläres Energiesystem
Eventuell ist die Gelegenheit zur Besinnung am Beginn des neuen Jahres 2019 geeignet, sich einen Überblick zur Literatur bezüglich zellulärer Ansätze und Modelle mit den Begriffen zellulärer Automat und zelluläres Universum zu verschaffen.
Untersuchungen zum zellulären Energiesystem besitzen somit Vorbilder, auf die bei weiteren Aktivitäten zur Modellierung und Simulation aufgesetzt werden kann.
Empfehlung zum Thema „Komplexität“ als Enabler von Selbstorganisation
Stuart Kauffman: Der Öltropfen im Wasser — Chaos, Komplexität, Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft
Auf Basis der Betrachtung Boolscher Netzwerke entwickelt Stuart Kauffman einen Weg zum Verständnis von Komplexität. In einem Verbund von Knoten mit einer definierten Anzahl von Ein- und Ausgängen mit jeweils einem möglichen Satz von Zuständen steigt die Komplexität bei zunehmender Anzahl von Knoten, die zu einem chaotischen Systemverhalten führen kann. Kauffman untersuchte die Gestaltungsformen derartiger Systeme, um Stabilität und Flexibilität des Verbundes gleichermaßen zu garantieren. Vorbild sind hier die metastabilen Zustände biologischer Systeme. Der Schwerpunkt dieses Werkes liegt im Zuammenwirken der Knoten auf Basis der Kenntnis der Abbildung von Eingangszuständen auf Ausgangszustände der Knoten. Vom inneren Wirken der Knoten als Zellen des Netzwerkes wird abstrahiert.
Zitat der zugehörigen Rezension auf Amazon.de:
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Empfehlung zum Thema „zellulärer Automat“
Marin Gerhardt und Heike Schuster: Das digitale Universum — Zelluläre Automaten als Modelle der Natur
Die Entwicklung des Universums ist gekennzeichnet von der Evolution komplexer Ordnungen, die lokal und gleichzeitig verbunden als nicht-lokale Organisation agieren. Zellulärer Automat und zelluläre Interpretationen physikalischer Theorien sind Werkzeuge zum Verständnis dieser Komplexität.
Zitat der zugehörigen Rezension auf Amazon.de:
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Gerhardt, M.; Schuster, H. (01/1995)
Empfehlung zu „zellulärer Automat“ und Modellierung als Mittel zur Untersuchung komplexer Systeme
Stephen Wolfram: Cellular Automata and Complexity — Collected Papers
Zu Beginn der 1980-er Jahre schlug Stephen Wolfram die Abbildung komplexer Zusammenhänge durch relativ einfache Computerprogramme vor. Heute resultiert aus diesem Vorgehen die Abbildung der menschlichen Denkvorgänge in Computerprogrammen für neurale Netze, die komplexe Leistungen der menschlichen Intelligenz erfolgreich nachvollziehen können. Daraus resultieren Arbeiten zur Modellierung und Untersuchung zellulärer Energiesysteme als Mittel der Komplexitätsbeherrschung in einen zunehmend erneuerbaren, dezentralen und gleichzeitig verbundenen, zellulären Energiesystem.
Zitat der zugehörigen Rezension auf Amazon.de:
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Wolfram, S. (02/1994)
Empfehlung zu „zellulärer Automat“ und Quantenmechanik
Gerard ‘t Hooft: The Cellular Automaton Interpretation of Quantum Mechanics — (Fundamental Theories of Physics, Band 185)
Dieses Werk des Physik-Nobelpreisträgers Gerard ‘t Hooft scheint weit entfernt von den Anwendungsmöglichkeiten der zellulären Automaten für die Modellierung technischer Systeme zu sein. Aber im Kern offenbart es für den naturwissenschaftlich vorgebildeten Leser tiefe Einsichten in ein zellulär organisiertes Universum als Vorbild für zellulär gestaltete Systeme der menschlichen Welt, wie zum Beispiel auch für ein zelluläres Energiesystem.
Zitat der zugehörigen Rezension auf Amazon.de:
[amazon_link asins=‘3319412841’ template=‘ProductAd’ store=‘fwknet’ marketplace=‘DE’ link_id=‘070a0a1f-0ea2-11e9-b2ad-7f3965404389’]Dieses Buch stellt die von Nobelpreisträger Gerard ‘t Hooft entwickelte deterministische Sichtweise der Quantenmechanik dar. Unzufrieden mit den unbequemen Lücken in der Art und Weise, wie die konventionelle Quantenmechanik mit der klassischen Welt ineinandergreift, hat ‘t Hooft die alten versteckten Variablenideen wiederbelebt, aber jetzt viel systematischer als sonst. Dabei wird die Quantenmechanik nicht als Theorie, sondern als Werkzeug betrachtet. Der Autor gibt Beispiele für Modelle, die im Wesentlichen klassisch sind, aber durch den Einsatz von Quantentechniken analysiert werden können, und argumentiert, dass selbst das Standardmodell zusammen mit Gravitationsinteraktionen als quantenmechanischer Ansatz zur Analyse eines Systems angesehen werden könnte, das im Kern klassisch sein könnte. Er zeigt, wie dieser Ansatz, auch wenn er auf versteckten Variablen basiert, plausibel mit dem Bell’schen Satz in Einklang gebracht werden kann und wie die üblichen Einwände gegen die Idee des “Superdeterminismus” zumindest im Prinzip überwunden werden können. Dieses Framework erklärt — und heilt automatisch — elegant die Probleme des Zusammenbruchs der Wellenfunktion und des Messproblems. Selbst die Existenz eines “Pfeils der Zeit” lässt sich vielleicht eleganter als sonst erklären. Neben der Überprüfung der früheren Arbeit des Autors auf diesem Gebiet enthält das Buch auch viele neue Beobachtungen und Berechnungen. Es bietet anregendes Lesen für alle Physiker, die an den Grundlagen der Quantentheorie arbeiten.
‘t Hooft, G. (09/2016)
Empfehlung zur Nutzung der Automatentheorie zum Verständnis des Universums und technischer Systeme
Konrad Zuse: Rechnender Raum — Schriften zur Datenverarbeitung
Einen historischen Einblick in das Entstehen der Automatentheorie auf Basis der Möglichkeiten der elektronischen Informationsverarbeitung erlaubt dieses Werk des Pioniers der Computerentwicklung Konrad Zuse. Die elektronische Datenverarbeitung ist einerseits Mittel zur Berechnung physikalischer Systeme. Die Entwicklung der Automatentheorie schuf aber gleichzeitig neue Möglichkeiten zum Verständnis des Universums und hatte somit eine bedeutende Rückwirkung auf die Bildung physikalischer Modelle.
Zitat der zugehörigen Rezension auf Amazon.de:
[amazon_link asins=‘366300810X’ template=‘ProductAd’ store=‘fwknet’ marketplace=‘DE’ link_id=‘d0a61753-0ea1-11e9-9448-dbdf47481025’]Es ist uns heute selbstverständlich, daß numerische Rechenverfahren erfolgreich eingesetzt werden können, um physikalische Zusammenhänge zu durchleuchten. Dabei haben wir eine mehr oder weniger enge Verflechtung zwischen Mathematikern, Physikern und den Fachleuten der Informationsverarbeitung. Die mathematischen Lehrgebäude dienen dem Aufbau physikalischer Modelle, deren numerische Durchrechnung heute mit elektronischer Datenverarbeitung erfolgt. Die Aufgabe der Fachleute der Informationsverarbeitung besteht im Wesentlichen darin, für die von den Mathematikern und Physikern entwickelten Modelle möglichst brauchbare numerische Lösungen zu finden. Ein rückwirkender’Einfluß der Datenverarbeitung auf die Modelle und die physikalische Theorie selbst besteht lediglich indirekt in der bevorzugten Anwendung solcher Methoden, die der numerischen Lö sung besonders leicht zugänglich sind. Das enge Zusammenspiel zwischen Mathematikern und Physikern hat sich sehr günstig in Bezug auf die Entwicklung der Modelle theoretischer Physik ausgewirkt. Das moderne Gebäude der Quantentheorie ist weitgehend reine bzw. angewandte Mathematik. Es scheint daher die Frage berechtigt, ob die Informationsverarbeitung bei diesem Zusammenspiel nur eine ausführende Rolle spielen kann, oder ob auch dort befruchtende Ideen gegeben werden können, welche die physikalischen Theorien selbst rückwirkend beeinflussen. Diese Frage ist umso berechtigter, als sich in enger Zusammenarbeit mit der Informationsverarbeitung ein neuer Zweig der Wissenschaft entwickelt hat, nämlich die Automatentheorie.
Zuse, K. (01/1969)
Verweise
Buchholz, B., Kießling, A., & Nestle, D. (2009) Individual customers” influence on the operation of virtual power plants (Vol. PES ’09). Calgary; 26–30 July: Power & Energy Society General Meeting. doi:Digital Object Identifier: 10.1109/PES.2009.5275401
Kauffman, S. (09/1998). Der Öltropfen im Wasser: Chaos, Komplexität, Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft. München. Piper Verlag GmbH. Auflage: September 1998. ISBN-10: 3492035493. ISBN-13: 978–3492035491
Kießling, A., & Hartmann, G. (2014) Energie zyklisch denken. Leimen: E‑Book (Amazon). Retrieved from https://www.amazon.de/Energie-zyklisch-denken-Andreas-Kie%C3%9Fling-ebook/dp/B00O7UK1PI
Gerhardt, M.; Schuster, H. (01/1995). Das digitale Universum: Zelluläre Automaten als Modelle der Natur. Braunschweig/Wiesbaden. Vieweg+Teubner Verlag. Auflage: 1995 (1. Januar 1995). ISBN-10: 9783322850065. ISBN-13: 978–33228500
Nelson, Richard R.; Winter, Sidney (1982) An evolutionary theory of economic change. The Belknap Press of University Harvard Press. Cambridge, Massachusetts, and London, England. ISBN: 0–674-27228–5
[Prognos et. al. (2016)] Prognos, Energie Campus Nürnberg; Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. (2016). Dezentralität und zellulare Optimierung – Auswirkungen auf den Netzausbaubedarf. Studie im Auftrag der N‑ERGIE Aktiengesellschaft, Berlin und Nürnberg; 07.10.2016.
‘t Hooft, G. (09/2016). The Cellular Automaton Interpretation of Quantum Mechanics: Fundamental Theories of Physics, Band 185. Berlin/Heidelberg. Springer. Auflage: 1st ed. 2016 (13. September 2016). ISBN-10: 9783319412849. ISBN-13: 978–3319412849
[Reiner Lemoine Institut (2013)] Vergleich und Optimierung von zentral und dezentral orientierten Ausbaupfaden zu einer Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland. Studie im Auftrag von Haleakala Stiftung, 100 Prozent Erneuerbar Stiftung, Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Berlin. 21. Oktober 2013
Wolfram, S. (02/1994). Cellular Automata And Complexity: Collected Papers. Bolder, Colorado. Westview Press. Auflage: 1994 (21. Februar 1994). ISBN-10: 9780201626643. ISBN-13: 978–0201626643
Zuse, K. (01/1969). Rechnender Raum: Schriften zur Datenverarbeitung. Wiesbaden. Vieweg+Teubner Verlag. Auflage: 1969 (1. Januar 1969). ISBN-10: 366300810X. ISBN-13: 978–3663008101