Neue Sicherheitskonzepte und die Generation III

Sicherheit umfassender gedacht und neue Player in Asien

Neue Sicherheitskonzepte und die Generation III - Kernkraftwerk Taishan, China
Kernkraftwerk Taishan, China - Foto: EDF Energy, Attribution, via Wikimedia Commons

Neue Sicherheitskonzepte und die Generation III

Sicherheit umfassender gedacht und neue Player in Asien


Wie Alvin Wein­berg vor­her­sag­te, zeig­ten die Leicht­was­ser­re­ak­to­ren der Gene­ra­ti­on II erheb­li­che Sicher­heits­lü­cken, die zu schwe­ren Kata­stro­phen führ­ten. Sie bewirk­ten in der Bevöl­ke­rung erheb­li­chen Akzep­tanz­ver­lus­te zur Anwen­dung der Kern­ener­gie. Doch rela­tiv unbe­ach­tet von der Öffent­lich­keit wur­de auf wach­sen­den­de Sicher­heits- und Wirt­schaft­lich­keits­an­for­de­run­gen mit den Gene­ra­ti­on III und III+ reagiert. Neue Kern­kraft­wer­ke ab den 2000-er Jah­ren sind mit die­sen Reak­to­ren aus­ge­rüs­tet. Neue Sicher­heits­kon­zep­te und die Gene­ra­ti­on III wer­den zuneh­mend in Asi­en durch Süd­ko­rea, Chi­na und auch Indi­en mitbestimmt. 

 “Im Bereich Inno­va­ti­on läuft Asi­en Euro­pa davon“, Moni­ka Kühn-Görg, Autorin, Lyri­ke­rin, Aphoristikerin

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Ener­gie der Atomkerne
  2. Ener­gie­po­ten­zia­le der Kernspaltung
  3. Rezep­tur der gesteu­er­ten Kern­spal­tung oder „Der Mann mit der Axt”
  4. Tech­no­lo­gie­su­che zur Ener­gie­ge­win­nung mit Kern­spal­tung in der Gene­ra­ti­on I
  5. Leicht­was­ser­re­ak­to­ren der Gene­ra­ti­on II
  6. Har­ris­burg — Tscher­no­byl — Fukushima
  7. Neue Sicher­heits­kon­zep­te und die Gene­ra­ti­on III
  8. Kern­kraft­wer­ke neu gedacht und die Gene­ra­ti­on IV
  9. Die Ener­gie der Son­ne durch Kern­fu­si­on und auf­kom­men­de Technologien

Fortschritte bei Leichtwasserreaktoren

Die Achillesferse der Reaktoren der Generation II  

Das Schick­sal der mit Leicht­was­ser betrie­be­nen Reak­to­ren in der Gene­ra­ti­on II war schon besie­gelt, bevor sie ihre mas­sen­haf­te Ver­brei­tung fan­den. Alvin Wein­berg sag­te es vor­aus. Aber auf­grund der Ver­hei­ßung einer Ener­gie­form extrem hoher Dich­te im Ver­gleich zu fos­si­len Brenn­stof­fen, einer von Umwelt­be­din­gun­gen unab­hän­gi­gen Ener­gie­ver­sor­gung sowie der Begeis­te­rung für tech­no­lo­gi­sche Mög­lich­kei­ten tra­ten Risi­ko­be­trach­tun­gen in den Hin­ter­grund oder wur­den unter­schätzt. Die drei Kata­stro­phen in Three Mile Island, Tscher­no­byl und Fuku­shi­ma zeig­ten dies deut­lich und lie­ßen die welt­wei­te Akzep­tanz für eine hoff­nungs­vol­le Ener­gie­tech­no­lo­gie sinken.

Ins­be­son­de­re erwies sich der unver­zicht­ba­re Kühl­kreis­lauf als Achil­les­fer­se die­ser Reak­tor­ty­pen. Die Küh­lung muss auch im abge­schal­te­ten Zustand des Reak­tors funk­tio­nie­ren. Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on II besa­ßen einen akti­ven Kreis­lauf. Die­se Sys­te­me sind auf mecha­ni­sche oder elek­tri­sche Kom­po­nen­ten wie Pum­pen und Ven­ti­le sowie eine dafür not­wen­di­ge Ener­gie­zu­fuhr ange­wie­sen, um Kühl­mit­tel durch den Reak­tor zu bewe­gen und Wär­me abzu­füh­ren. Im Fal­le eines Strom­aus­falls oder eines mecha­ni­schen Aus­falls funk­tio­niert das akti­ve Kühl­sys­tem mög­li­cher­wei­se nicht, was zur Über­hit­zung des Reak­tors füh­ren kann. Trotz ver­schie­de­ner Ursa­chen lös­ten letzt­lich Stö­run­gen der Küh­lung alle Kata­stro­phen aus.

Trotz Ver­bes­se­run­gen an den Über­wa­chungs- und Sicher­heits­ein­rich­tun­gen lässt sich das Ver­sa­gen der akti­ven Küh­lung nicht voll­stän­dig aus­schlie­ßen. Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on II wur­den für 40 Jah­re Lauf­zeit gebaut und die Beden­ken der Bevöl­ke­rung gegen die vor­han­de­nen Reak­to­ren älte­rer Bau­art waren gerechtfertigt.

Erhöhung der Effizienz von Kernreaktoren

Wäh­rend aber Reak­tor­un­fäl­le in der Öffent­lich­keit eine brei­te Dis­kus­si­on aus­lös­ten, blieb die Wei­ter­ent­wick­lung der Reak­to­ren zur Gene­ra­ti­on III außer­halb der Fach­krei­se weit­ge­hend unbe­kannt. 

Die Gene­ra­ti­on III ver­spricht höhe­re Effi­zi­enz und damit ein­her­ge­hend auf­grund bes­se­rer Aus­nut­zung der Kern­brenn­stof­fe auch gerin­ge­re Abfäl­le. Schau­en wir uns zuerst das The­ma Effi­zi­enz an. War­um soll­te die Effi­zi­enz bei der Kern­spal­tung eine Rol­le spie­len, wenn für die Ener­gie­men­ge, die ein Reak­tor mit einer Leis­tung von einem Giga­watt in einem Jahr lie­fert, nur ein Wag­gon mit Uran-Brenn­ele­men­ten aus­reicht? Es scheint aber nur so, dass Uran für lan­ge Zeit zur Ver­fü­gung steht. Die bis­her erschlos­se­nen Uran­la­ger rei­chen für die in Betrieb befind­li­chen Kern­kraft­wer­ke nur weni­ge Jahr­hun­der­te. Inso­fern kommt der Erhö­hung der Effi­zi­enz von Kern­re­ak­to­ren, das heißt der Aus­nut­zung des ein­ge­setz­ten Urans eine hohe Bedeu­tung zu. 

Die Effi­zi­enz der Kern­re­ak­to­ren wird auf ver­schie­de­nen Wegen erhöht. Dazu gehören

  • die Ver­bes­se­rung des Kern­brenn­stoff­de­signs, um eine effi­zi­en­te­re Nut­zung des Kern­brenn­stoffs durch Brenn­ele­men­te mit höhe­rer Dich­te und mit Beschich­tun­gen für eine bes­se­re Wär­me­über­tra­gung zu gewährleisten;
  • die Opti­mie­rung des Reak­tor­de­signs, um durch eine opti­mier­te Brenn­stoff­a­n­ord­nung und Reak­tor­geo­me­trie die Kern­spal­tung mit­tels höhe­rer Neu­tro­nen­aus­beu­te effi­zi­en­ter zu gestalten;
  • die erhöh­te ther­mi­sche Effi­zi­enz durch Nut­zung fort­ge­schrit­te­ner Kühl­mit­tel und Betriebs­be­din­gun­gen, bei­spiels­wei­se durch Ein­satz von Was­ser unter hohem Druck und hoher Tem­pe­ra­tur in soge­nann­ten über­kri­ti­schen Was­ser­re­ak­to­ren (Super­cri­ti­cal Water Reac­torSCWR) für einen höhe­ren Grad der Wärmeübertragung;
  • das ver­bes­ser­tes Abfall­ma­nage­ment zur Mini­mie­rung des pro­du­zier­ten nuklea­ren Abfalls und zur Erhö­hung des Gra­des der Wie­der­auf­be­rei­tung von Brenn­stof­fen sowie
  • die län­ge­re Betriebs­dau­er von 60 Jah­ren im Gegen­satz zu 40 Jah­ren bei Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on II, was eine län­ge­re Ener­gie­pro­duk­ti­on aus einer ein­zi­gen Anla­ge ermöglicht.

Die Effi­zi­enz­stei­ge­rung trägt damit auch zur Ver­bes­se­rung der Wirt­schaft­lich­keit und Nach­hal­tig­keit von Kern­ener­gie bei.

Erhöhung der Sicherheit von Kernreaktoren durch passive Kühlung

Aber die kri­ti­sche Öffent­lich­keit ist nicht mit dem Ver­spre­chen einer erhöh­ten Effi­zi­enz zu beru­hi­gen. Die Sicher­heit von Kern­re­ak­to­ren steht an ers­ter Stel­le. Die not­wen­di­ge akti­ve Küh­lung erwies sich als die eigent­li­che Gefahr. Ver­schie­de­ne, neue Tech­no­lo­gien unter der Über­schrift Not­fall-Kern­kühl­sys­te­me (Emer­gen­cy Core Coo­ling Sys­temECCS) begeg­nen die­ser Gefahr. Dazu zählt das in Reak­to­ren ab der Gene­ra­ti­on III zum Ein­satz kom­men­de Kon­zept der pas­si­ven Küh­lung. 

Ein sol­ches pas­si­ves Kühl­sys­tem erfor­dert kei­ne Pum­pen oder ande­re mecha­ni­sche Gerä­te, um das Kühl­mit­tel durch das Sys­tem zu beför­dern. Es erfor­dert auch kei­ne exter­ne Strom­quel­le oder mensch­li­che Ein­grif­fe. Statt­des­sen trei­ben es allein die Geset­ze der Phy­sik auf Basis der Schwer­kraft und natür­li­che Wär­me­strö­mungs­pro­zes­se an. Folg­lich kann die­ses Sys­tem auch dann Wär­me aus dem Reak­tor abfüh­ren, wenn die Strom­ver­sor­gung oder ande­re Tei­le des Kühl­sys­tems aus­fal­len. Somit kann die Küh­lung durch wie­der­hol­te Umläu­fe des Kühl­mit­tels auch bei Ver­knap­pung der exter­nen Was­ser­an­ge­bo­te in tro­cke­nen Som­mern gesi­chert werden.

Moder­ne Reak­tor­ty­pen der Gene­ra­ti­on III+ nut­zen aus­schließ­lich pas­si­ve Kühl­sys­te­me (Pas­si­ve Resi­du­al Heat Rem­ovalPRHR), um im Reak­tor ver­blei­ben­de Wär­me bei Aus­fäl­len und Ver­lus­ten des Kühl­mit­tels abzu­füh­ren. Wird der Reak­tor her­un­ter­ge­fah­ren, erhitzt die ver­blei­ben­de Wär­me im Kern das Kühl­mit­tel, das auf­grund sei­ner erhöh­ten Tem­pe­ra­tur und damit ver­rin­ger­ten Dich­te auf­steigt. Im obe­ren Bereich des Sys­tems gibt das Kühl­mit­tel sei­ne Wär­me an die Umge­bung ab. Die Wär­me­ab­ga­be kann an die Luft oder an ein zwei­tes Was­ser­sys­tem erfol­gen, das dann die Wär­me in den Kühl­turm ablei­tet. Nach Abküh­lung und der damit ver­bun­de­nen Erhö­hung sei­ner Dich­te fällt das Kühl­mit­tel auf­grund der Schwer­kraft wie­der nach unten und der Kreis­lauf star­tet neu.

Vorsorge für den schlimmsten Fall – der Core Catcher

Wie schon erwähnt, tru­gen ins­be­son­de­re in Tscher­no­byl und Fuku­shi­ma absicht­lich außer Kraft gesetz­te oder zer­stör­te Kühl­sys­te­me zur Kata­stro­phe bei. Pas­si­ve Kühl­sys­te­me ver­hin­dern der­ar­ti­ge kri­ti­sche Zustän­de bei Reak­to­ren ab der Gene­ra­ti­on III.

Damit sinkt die Wahr­schein­lich­keit für das Ein­tre­ten des schlimms­ten Fal­les stark. Trotz­dem fehl­te ein wei­te­rer Siche­rungs­me­cha­nis­mus. Ein unkon­trol­lier­ter Leis­tungs­an­stieg im Reak­tor kann das Schmel­zen des Kern­brenn­stof­fes bewir­ken. Dies trat sowohl in Tscher­no­byl als auch in Fuku­shi­ma ein. Geschmol­ze­ne Uran-Brenn­ele­men­te in Ver­bin­dung mit ande­ren Reak­tor­ma­te­ria­li­en bil­den eine Art Lava mit höchs­ter Radio­ak­ti­vi­tät, die durch den Reak­tor­un­ter­grund in das Erd­reich ein­tre­ten kann. Fach­leu­te erfan­den dafür den Begriff „CORIUM“. Dies ist ein Kunst­wort aus der eng­li­schen Über­set­zung für Kern – Core — und der für che­mi­sche Ele­men­te im Reak­tor cha­rak­te­ris­ti­schen Wort­endung ‑ium.

Damit besteht die Gefahr der Ver­seu­chung des Grund­was­sers mit Cori­um. Dies kann bei Ver­bin­dun­gen zu Fließ­ge­wäs­sern die Unbe­wohn­bar­keit gan­zer Regio­nen ver­ur­sa­chen. Höchs­ter mensch­li­cher Ein­satz ohne Rück­sicht auf die eige­ne Gesund­heit konn­te an bei­den Orten eine der­ar­ti­ge Kata­stro­phe abwen­den. Doch neue Reak­to­ren benö­tig­ten eine Lösung zur Abwehr die­ser Gefahr, einen Behäl­ter zum Ein­fang des Cori­ums – einen „CORE-CATCHER“.

Die Her­stel­ler von Kern­kraft­wer­ken ent­wi­ckel­ten einen Sicher­heits­be­häl­ter, der das Cori­um im Fal­le einer Kern­schmel­ze auf­fängt, den kri­ti­schen Zustand ver­hin­dert, es kühlt und auf­be­wahrt. Aus­ge­reif­te Lösun­gen für Core-Cat­cher bie­ten Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on III+.

Im Fal­le einer Kern­schmel­ze kann das Cori­um durch den Boden des Reak­tor­be­häl­ters aus­tre­ten. Bei Vor­han­den­sein eines Core-Cat­chers fällt es in einen Behäl­ter, der mit Mate­ri­al gefüllt ist, das beim Kon­takt mit Cori­um schmilzt und sich mit der abflie­ßen­den radio­ak­ti­ven Lava mischt. Die­ses Gemen­ge ver­teilt sich im Auf­fang­be­häl­ter und bil­det eine fla­che Schicht. Damit nimmt es eine grö­ße­re Ober­flä­che ein und kühlt schnel­ler ab. Die­ser Raum ist oft mit Was­ser gekühlt, um die Abküh­lung des Cori­ums zu beschleu­ni­gen und die Frei­set­zung von radio­ak­ti­ven Mate­ria­li­en zu minimieren.

Weitere Sicherheitseinrichtungen

Mit dem Ter­ror­an­schlag auf die New Yor­ker Zwil­lings­tür­me trat eine wei­te­re Gefahr in das Bewusst­sein der Öffent­lich­keit. Kön­nen die Reak­tor­ge­bäu­de einen direk­ten Tref­fer beim Absturz eines Flug­zeu­ges ohne eine nuklea­re Kata­stro­phe über­ste­hen? Zwar sind die Reak­to­ren der zwei­ten Gene­ra­ti­on nicht mehr unge­schützt wie in Tscher­no­byl. Aber eine ein­fa­che Schutz­hül­le aus Beton, das soge­nann­te Con­tain­ment, könn­te einem Absturz mög­li­cher­wei­se nicht wider­ste­hen. Neu gebau­te Reak­to­ren wer­den des­halb in der Regel mit einer dop­pel­ten Schutz­hül­le errich­tet. Die­se Hül­le besteht aus einem inne­ren Schutz aus Stahl sowie einem äuße­ren Schutz aus Beton.

Zusätz­lich ermög­licht die dop­pel­te Schutz­hül­le im Fal­le eines Druck­an­stie­ges im Reak­tor­be­häl­ter in Ver­bin­dung mit Druck­ent­las­tungs­tech­ni­ken den Druck­ab­bau durch Kon­den­sa­ti­on des Damp­fes und des­sen Auf­nah­me inner­halb der Schutzhülle.

Die Kata­stro­phen in Tscher­no­byl und Fuku­shi­ma zeig­ten, wie wich­tig zusätz­li­che Optio­nen sind, um den Reak­tor­kern zu küh­len und die Ket­ten­re­ak­ti­on zu ver­lang­sa­men. Zusätz­li­che, mit gekühl­tem Bor­was­ser gefüll­te pas­si­ve Kern-Ergän­zungs­be­häl­ter (Pas­si­ve Core Make-up Tanks — CMTs) ver­grö­ßern den Werk­zeug­kas­ten zur Gefah­ren­ab­wehr in neu gebau­ten Kern­kraft­wer­ken. Im Fal­le eines Kühl­mit­tel­ver­lusts oder Druck­ab­baus im Reak­tor strömt das Bor­was­ser aus die­sen Behäl­tern durch Schwer­kraft in den Reak­tor­kern, um ihn zu küh­len und gleich­zei­tig die Neu­tro­nen­ab­sorp­ti­on zu erhö­hen, was die Ket­ten­re­ak­ti­on verlangsamt.

Schluss­end­lich demons­trier­ten die Ereig­nis­se in Fuku­shi­ma eine wei­te­re Gefahr. Im Fal­le eines schwe­ren Stör­falls kann Was­ser­stoff im Reak­tor­ge­bäu­de frei­ge­setzt wer­den, was ins­be­son­de­re in Fuku­shi­ma die Explo­sio­nen aus­löst. Um ähn­li­che Kata­stro­phen zu ver­hin­dern, wur­de ein pas­si­ver Was­ser­stoff-Rekom­bi­na­tor ent­wi­ckelt. Bei­spiels­wei­se nutzt der Rekom­bi­na­tor im süd­ko­rea­ni­schen Reak­tor APR-1400 che­mi­sche Reak­tio­nen, um Was­ser­stoff und Sau­er­stoff wie­der in Was­ser umzuwandeln.

 

Neue Sicherheitskonzepte und die Generation III — Hauptakteure

Ein neuer Entwicklungszyklus des Westens

Die Ent­wick­lung der Reak­to­ren zur Gene­ra­ti­on III begann in den spä­ten 1980er und frü­hen 1990er Jah­ren. Die­se Reak­to­ren ziel­ten auf ver­bes­ser­te Sicher­heit und Wirt­schaft­lich­keit. Sie beinhal­ten ver­bes­ser­te Design­kon­zep­te, bes­se­re Sicher­heits­sys­te­me und län­ge­re Betriebs­le­bens­dau­ern. 

Ein Bei­spiel für Reak­to­ren die­ser Gene­ra­ti­on ist der fort­ge­schrit­te­ne Sie­de­was­ser­re­ak­tor (Advan­ced Boi­ling Water Reac­torABWR) der Gene­ra­ti­on III. Er ist eine Wei­ter­ent­wick­lung der Sie­de­was­ser­re­ak­to­ren (Boi­ling Water Reac­torBWR) in Gene­ra­ti­on II und durch­lief als ers­ter Reak­tor der Gene­ra­ti­on III eine voll­stän­di­ge Sicher­heits­über­prü­fung. Der ABWR ver­fügt über pas­si­ve Sicher­heits­sys­te­me sowie eine höhe­re Effi­zi­enz der Strom­erzeu­gung und der Brenn­stoff­aus­nut­zung im Ver­gleich zur Gene­ra­ti­on II.

Die­ser Reak­tor ent­stand in US-ame­ri­ka­ni­scher und japa­ni­scher Part­ner­schaft bei Gene­ral Elec­tric Hita­chi Nuclear Ener­gy. ABWRs wur­den in meh­re­ren Län­dern gebaut, dar­un­ter Japan und Tai­wan in den 1990er und 2000er Jah­ren. Wei­te­re Pro­jek­te waren in Pla­nung oder im Bau. Finan­zi­el­le Schwie­rig­kei­ten sowie neue Sicher­heits­an­for­de­run­gen ver­hin­der­ten aber oft die Umsetzung.

Auch der kana­di­sche Reak­tor CANDU‑6 ist der Über­gangs­pha­se von Gene­ra­ti­on II zur Gene­ra­ti­on III zuzu­ord­nen. Mit dem fort­ge­schrit­te­nen CAN­DU-Reak­tor (Advan­ced CANDU Reac­torACR-1000), der natür­li­ches Uran als Brenn­stoff in Ver­bin­dung mit schwe­rem Was­ser als Mode­ra­tor nutzt, beschritt das Unter­neh­men Ato­mic Ener­gy of Cana­da Limi­t­ed (AECL) den Weg zur Gene­ra­ti­on III+. Die­ser Reak­tor wur­de aber nie kom­mer­zi­ell gebaut.

Eine Ant­wort auf wach­sen­den­de Sicher­heits- und Wirt­schaft­lich­keits­an­for­de­run­gen sind Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on III+ ab den spä­ten 1990er Jah­ren. In der Regel ent­hal­ten sie pas­si­ve Sicher­heits­sys­te­me und Core-Cat­cher. Bei­spie­le für Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on III+ sind der AP1000 vom US-Unter­neh­men West­ing­house sowie der soge­nann­te wirt­schaft­li­che, ver­ein­fach­te Sie­de­was­ser­re­ak­tor (Eco­no­mic Sim­pli­fied Boi­ling Water Reac­torESBWR) von Gene­ral Elec­tric-Hita­chi als auch der euro­päi­sche, ursprüng­lich in Frank­reich ent­wi­ckel­te Druck­was­ser­re­ak­tor (Euro­pean Pres­su­ri­zed Reac­tor – EPR). Auf die Reak­to­ren von West­ing­house und den EPR gehen wir noch ein.

Neue Reaktoren im neuen Jahrtausend

Die ers­ten Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on III+ wur­den in den 2010er Jah­ren gebaut und in Betrieb genom­men. Das Grund­kon­zept der Leicht­was­ser­re­ak­to­ren hat sich nicht geän­dert. Brenn­stoff, Neu­tro­nen­quel­le, Neu­tro­nen­ab­sor­ber, Mode­ra­tor sowie Mit­tel zum Wär­me­trans­port und Küh­lung blei­ben erhal­ten. Nicht die Rezept­zu­ta­ten ändern sich, son­dern die Zube­rei­tungs­wei­se. Ein neu­es Reak­tor­de­sign, Ver­än­de­run­gen zur Brenn­stoff­a­n­ord­nung sowie deren Qua­li­tät erhö­hen die Effi­zi­enz und Lebens­dau­er der Reak­to­ren. Hin­zu kom­men im Punkt VI der Zuta­ten­lis­te zum Reak­tor­bau (Kapi­tel: Rezep­tur der gesteu­er­ten Kern­spal­tung und Pro­ze­du­ren) neue Sicher­heits­kon­zep­te mit red­un­dan­ten Sys­te­men, pas­si­ver Küh­lung und der Ein­satz von Core-Catchern.

Auch das Unter­neh­men West­ing­house betei­lig­te sich mit dem AP1000 an der Ent­wick­lung von Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on III+.  Die elek­tri­sche Leis­tung die­ses Typs beträgt 1.000 Mega­watt. Der AP1000 besitzt ein pas­si­ves Sicher­heits­sys­tem, einen modu­la­ren Auf­bau sowie eine eige­ne Lösung zur Behand­lung von Cori­um, das soge­nann­te Sys­tem zur Rück­hal­tung im Reak­tor­ge­fäß (In-Ves­sel Reten­ti­on). Anstatt das Cori­um nach Ver­las­sen des Reak­tor­be­häl­ters auf­zu­fan­gen, zielt die­ses Sys­tem dar­auf ab, das Cori­um inner­halb des Reak­tor­be­häl­ters zu hal­ten und zu kühlen.

Tei­le des Reak­tors wer­den in einer Fabrik her­ge­stellt und zur Bau­stel­le trans­por­tiert, um den Bau zu beschleu­ni­gen und Kos­ten zu redu­zie­ren. Wie alle Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on III besitzt er ein ver­bes­ser­tes Kern­de­sign, um den Uran-Brenn­stoff effi­zi­en­ter zu nut­zen und den Abfall zu redu­zie­ren sowie eine auf 60 Jah­re ver­län­ger­te Lebenszeit.

In Chi­na wur­den vier AP1000-Reak­to­ren gebaut. Zwei davon befin­den sich im Kern­kraft­werk San­men und zwei im Kern­kraft­werk Hai­yang. 2018 und 2019 in Betrieb genom­men, waren sie die ers­ten Reak­to­ren die­ses Typs, die voll­stän­dig betriebs­be­reit waren.

In den USA wur­den vier AP1000-Reak­to­ren am Stand­ort Vogt­le in Geor­gia und am Stand­ort Vir­gil C. Sum­mer in South Caro­li­na geplant. Bei Vogt­le sind zwei Reak­to­ren noch im Bau, wäh­rend das Pro­jekt am Stand­ort V.C. Sum­mer nach erheb­li­chen Kos­ten­über­schrei­tun­gen und Ver­zö­ge­run­gen ein­ge­stellt wurde.

Die Generation III+ in Russland

Zu den wich­tigs­ten Haupt­ak­teu­ren bei der Ent­wick­lung von siche­ren Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on III+ gehört Russ­land mit dem VVER-1200 (Was­ser-Was­ser-Ener­gie-Reak­torWWER) von Rosatom. Er ist eine Wei­ter­ent­wick­lung des frü­he­ren VVER-1000-Designs, das zur Gene­ra­ti­on II gehört. Zu den wich­tigs­ten Merk­ma­len und Ver­bes­se­run­gen des VVER-1200 zäh­len die auf 1200 Mega­watt erhöh­te Leis­tung, das pas­si­ve Sicher­heits­sys­tem, der Core-Cat­cher, die auf 60 Jah­re ver­län­ger­te Lebens­dau­er, die ver­bes­ser­te Effi­zi­enz sowie voll­stän­dig digi­ta­li­sier­te Steue­rungs- und Über­wa­chungs­sys­te­me, die eine genaue­re und effi­zi­en­te­re Kon­trol­le des Reak­tor­be­triebs ermöglichen.

Eini­ge der ers­ten VVER-1200-Reak­to­ren wur­den in Russ­land in Betrieb genom­men, und wei­te­re, mit Bei­spie­len laut nach­fol­gen­der Lis­te, sind in ver­schie­de­nen Län­dern in Pla­nung oder im Bau.

  • Novo­voronezh II (Russ­land): Der ers­te Block die­ses Kraft­werks wur­de 2016 in Betrieb genom­men und der zwei­te Block 2019.
  • Lenin­grad II (Russ­land): Der ers­te Block die­ses Kraft­werks wur­de 2017 in Betrieb genom­men und der zwei­te Block 2020.
  • Ost­ro­vets (Weiß­russ­land): Bei­de Blö­cke die­ses Kraft­werks wur­den 2020 und 2023 mit VVER-1200-Reak­to­ren aus­ge­stat­tet. 
  • Akkuyu (Tür­kei): Die­ses Kraft­werk befin­det sich im Bau, wobei der ers­te von vier geplan­ten VVER-1200-Blö­cken im Jahr 2023 fer­tig­ge­stellt wurde.
  • Roop­pur (Ban­gla­desch): Das Kraft­werk befin­det sich im Bau und wird mit VVER-1200-Reak­to­ren aus­ge­stat­tet, wobei der ers­te Reak­tor im Jahr 2024 den Betrieb auf­neh­men soll.

Europa mit Frankreich noch im Spiel

Mit der Gene­ra­ti­on III+ ist Euro­pa vor­ran­gig noch durch Frank­reich mit einem Kon­sor­ti­um zwi­schen dem fran­zö­si­schen Ener­gie­ver­sor­ger EDF und Sie­mens im Spiel. Das Ergeb­nis ist der euro­päi­sche evo­lu­tio­nä­re Leis­tungs­re­ak­tor (Evo­lu­tio­na­ry Power Reac­torEPR). 

Die Beson­der­hei­ten des EPR als Druck­was­ser­re­ak­tor umfas­sen ver­bes­ser­te Sicher­heits­merk­ma­le. Dazu gehö­ren ein vier­fa­ches Kühl­sys­tem und ein Kern­fän­ger­sys­tem, der Core Cat­cher, um im Fal­le einer Kern­schmel­ze den flüs­si­gen Uran-Brenn­stoff in eine Wan­ne abflie­ßen zu las­sen. Der EPR ver­fügt über ver­bes­ser­te Maß­nah­men zur Bewäl­ti­gung von Erd­be­ben durch mehr Fle­xi­bi­li­tät der Bau­ten und Kon­struk­tio­nen bezüg­lich auf­tre­ten­der Schwin­gun­gen sowie red­un­dan­te Sicher­heits- und Notstromsysteme.

Der EPR ist mit 1600 Mega­watt Leis­tung einer der stärks­ten kom­mer­zi­el­len Reak­to­ren, die zur Ver­fü­gung ste­hen, der eben­so bezüg­lich Effi­zi­enz und einer Lebens­zeit von 60 Jah­ren opti­miert wurde.

Gebaut wur­de der EPR oder ist geplant in

  • Finn­land, Block Olki­luo­to 3 als ers­tes Pro­jekt, das einen EPR-Reak­tor ver­wen­de­te, aber auch mit erheb­li­chen Ver­zö­ge­run­gen und Kos­ten­über­schrei­tun­gen zu kämp­fen hat;
  • Frank­reich, Block Fla­man­ville 3, ein eben­so für Ver­zö­ge­run­gen und Kos­ten­über­schrei­tun­gen bekann­tes Projekt;
  • Chi­na, Blö­cke Tais­han 1 und 2 als ers­te kom­mer­zi­ell betrie­be­ne EPR-Reak­to­ren, die 2018 und 2019 in Betrieb genom­men wurden;
  • Ver­ei­nig­tes König­reich, Block Hin­k­ley Point C, wo sich zwei EPR-Reak­to­ren im Bau und zwei wei­te­re für den Stand­ort Size­well C geplant sind.

Sei­tens der das EPR-Kon­zept ent­wi­ckeln­den Unter­neh­men Fram­ato­me (frü­her AREVA) und EDF wur­den inzwi­schen meh­re­re Ver­trä­ge zum Bau von Kraft­wer­ken in Chi­na inklu­si­ve des Trans­fers bestimm­ter Tech­no­lo­gien geschlossen.

Asien übernimmt – Vorreiter Südkorea

Die US-ame­ri­ka­ni­sche und japa­ni­sche Part­ner­schaft bei Gene­ral Elec­tric Hita­chi Nuclear Ener­gy sowie der gemein­sa­me Bau von Sie­de­was­ser­re­ak­to­ren (Boi­led Water Reac­tor BWR) der Gene­ra­ti­on II wur­de schon erwähnt. Japan ent­wi­ckel­te auch eige­ne Druck­was­ser­re­ak­to­ren (Pres­su­ri­zed Water Reac­tor – PWR). Die Wei­ter­ent­wick­lung zur Gene­ra­ti­on III+ betraf den fort­ge­schrit­te­nen Druck­was­ser­re­ak­tor (Advan­ced Pres­su­ri­zed Water Reac­tor — APWR) von Mitsu­bi­shi Hea­vy Indus­tries (MHI). Dazu gehört wei­ter­hin der von einem Kon­sor­ti­um zwi­schen Mitsu­bi­shi Hea­vy Indus­tries und dem fran­zö­si­schem Unter­neh­men AREVA (jetzt Fram­ato­me) ent­wi­ckel­te ATMEA‑1.

Als asia­ti­scher Vor­rei­ter bei der Ent­wick­lung von Kern­kraft­wer­ken gilt aber Süd­ko­rea. Die Erfolgs­ge­schich­te begann in den 1970er Jah­ren. Das ers­te Kern­kraft­werk, Kori 1, ein Druck­was­ser­re­ak­tor mit einer Kapa­zi­tät von 576 MW, wur­de 1978 in Betrieb genom­men. Die Errich­tung durch das ame­ri­ka­ni­sche Unter­neh­men West­ing­house dien­te als Grund­la­ge für den Tech­no­lo­gie­trans­fer nach Südkorea.

In den fol­gen­den Jahr­zehn­ten bau­te Süd­ko­rea eine star­ke natio­na­le Nukle­ar­in­dus­trie auf, die zum Ent­wurf und Bau eige­ner Kern­re­ak­to­ren fähig ist. Die Korea Elec­tric Power Cor­po­ra­ti­on (KEPCO) und ihre Toch­ter­ge­sell­schaft Korea Hydro & Nuclear Power (KHNP) sind dabei die Haupt­ak­teu­re. Zu den errich­te­ten Anla­gen gehö­ren die Druck­was­ser­re­ak­to­ren mit der Bezeich­nung „Stan­dar­di­sier­tes Kern­kraft­werk“ (Stan­dar­di­zed Nuclear Power Plant – SNUPPS) sowie der „Opti­mier­te Leis­tungs­re­ak­tor“ (Opti­mi­zed Power Reac­tor 1000OPR-1000) der Gene­ra­ti­on II.  

APR-1400

Der neu­es­te Reak­tor­typ aus Süd­ko­rea gehört zur Gene­ra­ti­on III+ und weist eine Rei­he von Ver­bes­se­run­gen gegen­über dem bis­he­ri­gen Design auf. Der soge­nann­te „Fort­ge­schrit­te­ne Leis­tungs­re­ak­tor (Advan­ced Power Reac­tor 1400APR-1400) ist für den Export vor­ge­se­hen und wird der­zeit in den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten in Bara­kah gebaut. Das Kern­kraft­werk befin­det sich ca. 53 km west­lich der Stadt Ruwais im Emi­rat Abu Dha­bi. Es soll aus vier Blö­cken mit je einem Druck­was­ser­re­ak­tor vom Typ APR-1400 zu Gesamt­kos­ten von rund 32 Mil­li­ar­den US-Dol­lar bestehen. Der ers­te Block star­te­te am 6. April 2021 den kom­mer­zi­el­len Betrieb.

Der APR-1400-Reak­tor umfasst sowohl ein pas­si­ves Kühl­sys­tem als auch einen Core Cat­cher. Die Wan­ne zum Ein­fan­gen der Kern­schmel­ze ver­wen­det ein spe­zi­el­les kera­mi­sches Mate­ri­al, das mit dem Cori­um reagiert, um eine sta­bi­le­re und weni­ger hit­zein­ten­si­ve Sub­stanz zu bil­den. Dies erleich­tert die Küh­lung. Der Reak­tor besitzt zusätz­lich eine dop­pel­te Schutz­hül­le, einer inne­ren Hül­le aus Stahl und einem äuße­ren Schutz aus Beton.

Wei­ter­hin nutzt der APR-1400 Brenn­ele­men­te mit höhe­rer Leis­tungs­dich­te, ther­mi­scher Effi­zi­enz und län­ge­rer Lebens­dau­er. Er erzeugt somit mehr elek­tri­sche Ener­gie aus der glei­chen Men­ge an Kern­brenn­stoff und ver­rin­gert die Abfall­men­ge. Die höhe­re Effi­zi­enz ver­bes­sert die Wirt­schaft­lich­keit des Reak­tors. Dazu tra­gen auch die län­ge­ren Betriebs­zy­klen von bis zu 24 Mona­ten im Ver­gleich zu den 18-mona­ti­gen Zyklen der älte­ren Reak­tor-Designs bei. Dies redu­ziert die Anzahl plan­mä­ßi­ger Abschal­tun­gen für Wartungsarbeiten.

Asien übernimmt – China mit Riesenschritten

Wir sind schon auf den ursprüng­lich in Frank­reich ent­wi­ckel­ten euro­päi­schen Druck­was­ser­re­ak­tor (Euro­pean Pres­su­ri­zed Reac­torEPR) ein­ge­gan­gen.  Der Tech­no­lo­gie­trans­fer auf Basis die­ses Reak­tors stärk­te die Ver­bin­dung zwi­schen der euro­päi­schen Nukle­ar­in­dus­trie und Chi­na. Die Zusam­men­ar­beit begann mit Pla­nung und Bau von zwei EPR-Reak­to­ren im chi­ne­si­schen Tais­han. Der ers­te Reak­tor ging 2018 in Betrieb, gefolgt vom zwei­ten Block im Jahr 2019.

Die Unter­neh­men Fram­ato­me (frü­her Are­va) und Elec­tri­ci­té de France (EDF) arbei­te­ten dabei eng mit der Chi­na Gene­ral Nuclear Power Group (CGN) zusam­men. Der Bau der Reak­to­ren in Tais­han ermög­lich­te den ers­ten erfolg­rei­chen kom­mer­zi­el­len Betrieb von EPR-Reak­to­ren, der dem Pro­jekt eine glo­ba­le Bedeu­tung ver­lieh. Der EPR dien­te als Grund­la­ge für die Ent­wick­lung des Hual­ong One, einer chi­ne­si­schen Wei­ter­ent­wick­lung. Durch den Tech­no­lo­gie­trans­fer konn­te Chi­na sowohl sei­ne nuklea­re Kapa­zi­tät erwei­tern als auch sei­ne Kom­pe­ten­zen in der Kern­tech­no­lo­gie stärken.

Der Hual­ong One ist ein Druck­was­ser­re­ak­tor mit einer Leis­tung von etwa 1.000 MW. Er ver­fügt über pas­si­ve Sicher­heits­sys­te­me, die auch bei Strom­aus­fall die Kern­schmel­ze ver­hin­dern soll. Tritt die­ser Fall doch ein, besitzt er einen soge­nann­ten “Core-Cat­cher”, um geschmol­ze­nes Kern­ma­te­ri­al auf­zu­fan­gen und sicher zu küh­len. Dar­über schließt eine dop­pel­te Schutz­hül­le – Con­tain­ment — das Reak­tor­ge­bäu­de ein, das radio­ak­ti­ves Mate­ri­al bei schwe­ren Unfäl­len im Gebäu­de hal­ten, aber auch gegen Flug­zeug­ab­stür­ze sichern soll. Der Hual­ong One gehört damit zur Gene­ra­ti­on III+.

Chi­na plant den welt­wei­ten Ein­satz die­ser Tech­no­lo­gie. Dabei setzt das Land auf eige­ne Design- und Bau­fä­hig­kei­ten, um eine Posi­ti­on als glo­ba­le Füh­rungs­kraft in der Nukle­ar­in­dus­trie zu erreichen.

 

Fortschritte und weitere Herausforderungen 

Die Gene­ra­ti­on III und III+ der Kern­re­ak­to­ren reprä­sen­tiert wich­ti­ge Fort­schrit­te bezüg­lich Sicher­heit und Effi­zi­enz. 

Dazu gehö­ren die im Kapi­tel beschrie­be­nen Not­fall-Kern­kühl­sys­te­me mit pas­si­ver Küh­lung. Reak­tor­kon­zep­te der Gene­ra­ti­on III+ nut­zen inzwi­schen Behäl­ter zum Auf­fan­gen vom geschmol­ze­nen Kern­brenn­stoff bei schwe­ren Reak­tor­un­fäl­len, den Core-Catcher.

Auch die dop­pel­te Hül­le um den Reak­tor dient der höhe­ren Sicher­heit. Sie soll Schutz gegen Flug­zeug­ab­stür­ze bie­ten, aber auch mit Druck­ent­las­tungs­tech­ni­ken die Auf­nah­me von kon­den­sier­tem Dampf inner­halb der Schutz­hül­le ermög­li­chen. Wir sind auch auf die mit gekühl­tem Bor­was­ser gefüll­ten Ergän­zungs­be­häl­ter sowie die Was­ser­stoff-Rekom­bi­nie­rer ein­ge­gan­gen. Der von Süd­ko­rea in den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten gebau­te Reak­tor APR-1400 setzt die­sen Rekom­bi­nie­rer ein.

Es ist aber wich­tig zu beto­nen, dass die­se Sys­te­me als letz­te Maß­nah­men gedacht sind, falls alle ande­ren Sicher­heits­sys­te­me ver­sa­gen. Sie sind Bei­spie­le für die “Ver­tei­di­gung in der Tiefe”-Strategie mit meh­re­ren unab­hän­gi­gen und red­un­dan­ten Sicher­heits­sys­te­men, um Risi­ken zu minimieren.

Trotz­dem gibt es wei­ter­hin Kri­tik. Dazu gehö­ren tech­ni­sche und finan­zi­el­le Hür­den, Fra­gen der Ent­sor­gung und des Recy­clings von Kern­ab­fäl­len sowie in eini­gen Län­dern auch man­gel­haf­te Akzep­tanz bei der Bevölkerung.

Die Rei­se der Kern­ener­gie endet aber nicht mit der Gene­ra­ti­on III+. Die For­schung und Ent­wick­lung für Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on IV erfolgt mit dem Ziel, noch siche­re­re und effi­zi­en­te­re Anla­gen zu schaf­fen. Die­se Ent­wick­lun­gen blei­ben nicht bei bis­he­ri­gen Leicht­was­ser­re­ak­to­ren ste­hen. Sie bie­ten völ­lig neue Kon­zep­te wie Schmelz­salz­re­ak­to­ren oder auch mit Tho­ri­um statt Uran als Aus­gangs­ma­te­ri­al arbei­ten­de Reak­to­ren. Dazu gehö­ren eben­so neue modu­la­re Bau­for­men, wie der klei­ne modu­la­re Reak­tor (Small Modu­lar Reac­torSMR), der auf­grund viel­fäl­ti­ger Kon­zep­te sowohl der Gene­ra­ti­on III+ als auch der Gene­ra­ti­on IV zuzu­ord­nen sind.

Aktu­ell ent­ste­hen­de Test­an­la­gen haben das Poten­zi­al, die Kern­ener­gie­in­dus­trie zu revo­lu­tio­nie­ren. Die­sen neu­en, auf­kom­men­den Tech­no­lo­gien wen­den wir uns im nächs­ten Kapi­tel zu. 

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Quellen

Nucle­ar­street

 

Neue Sicher­heits­kon­zep­te und die Gene­ra­ti­on III: Lei­men / Hei­del­berg — 04. Juli 2023

Andre­as Kieß­ling, ener­gy design

Über Andreas Kießling 110 Artikel
Andreas Kießling hat in Dresden Physik studiert und lebt im Raum Heidelberg. Er beteiligt sich als Freiberufler und Autor an der Gestaltung nachhaltiger Lebensräume und zugehöriger Energiekreisläufe. Dies betrifft Themen zu erneuerbaren und dezentral organisierten Energien. Veröffentlichungen als auch die Aktivitäten zur Beratung, zum Projektmanagement und zur Lehre dienen der Gestaltung von Energietechnologie, Energiepolitik und Energieökonomie mit regionalen und lokalen Chancen der Raumentwicklung in einer globalisierten Welt.

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