Inhaltsverzeichnis
- Hintergrund und Motivation einer C/sells-Arbeitsgruppe zum regulatorischen Rahmen
- Standardisierung beschleunigt Innovation und schafft Massenfähigkeit
- Glossar mit Begriffssystem zum zellulären Energiesystem als Grundlage von Beteiligung und Autonomie
- Zelluläre Architektur und Digitalisierung
- Use Case Methodik
- Schutzmethodik — Schutzbedürfnisse im Energiesystem
- Flexibilitätsbegriff — Flexibilitätskonzepte — Flexibilitätsmodell
- Zusammenfassung der Ergebnisse des Projektes C/sells zu gemeinsamen technischen Regeln, Normen und Standards
Spezifikation von Aufbau und Funktion einer Energiezelle mit der Use Case Methodik
Vielfalt braucht Standards
Mit den Erneuerbaren Energien sind Chancen zur vielfältigen Partizipation an der Energiewende verbunden. Eigene Gestaltung sowie lokale und regionale Wertschöpfung werden möglich. Unverzichtbar ist auch die integrierte Betrachtung von Energieflüssen der Sektoren Strom, Wärme, Gas und Mobilität. Dadurch wird das Energiesystem komplex und vielfältig. Die Gesellschaft braucht Mittel zur Beherrschung dieser Komplexität. Die Kurzformel dafür ist: Autonomie und Flexibilität im zellulären System, Interoperabilität und gemeinsame Regeln, Digitalisierung sowie Informationssicherheit.
Die entstehende Vielfalt kann nur dann massenfähig und wirtschaftlich betrieben werden, wenn für grundlegende gemeinsame Abläufe gewisse Verabredungen getroffen werden. Informationen müssen in einer gemeinsamen Sprache und nach einem vereinbarten Ablauf ausgetauscht werden. Schnittstellen zwischen beliebigen Zellen müssen sicher sein. C/sells hat für das Zusammenspiel zwischen Zellen ein gemeinsames Systemmodell sowie ein Flexibilitätsmodell spezifiziert. Auf dieser Basis entstand eine Sprache zur Beschreibung von Flexibilität an Zellgrenzen. Wichtige Grundlagen sind das C/sells-Glossar sowie das sogenannte C/sells-Kochbuch. Hier haben Wissenschaftler zusammen mit Praxispartnern gemeinsam eine Anleitung (Fachbegriff: Use Case Methodik) verfasst, um Anwendungsfälle standardisiert zu beschreiben. Dies sichert dasselbe Verständnis der Projektpartner im Gesamtsystem trotz Vielfalt der autonom gestalteten Zellen.
Methode zur Identifikation geeigneter Standards
Die Vielfalt der Technologien und deren Annäherung in neuen und aufstrebenden Märkten sowie einem dezentraleren Energiesystem, insbesondere solche, die eine groß angelegte Infrastruktur benötigen – erfordern einen Top-down-Ansatz zur Erlangung interoperabler Lösungen, beginnend auf der Systemebene oder der Systemarchitekturebene statt auf der Produktebene (DIN IEC/TS 62913–1). Systemnormen entstehen in verschiedenen Sektoren wie Energie, Umwelt, Sicherheit und Gesundheit sowie Smart Cities.
Damit entstehen in der internationalen Normung (z.B. IEC) Systemkomitees, um Referenzarchitekturen, Anwendungsfälle (siehe Begriff Use Case und zugehörige Begriffe im Glossar) und geeignete Normen sowie Anleitungen zu den Schnittstellen, Funktionalitäten und Interaktionen eines Systems zu definieren.
Ziel ist die Interoperabilität in einem vernetzten System vielfältiger Komponenten mit in verschiedensten Organisationsformen interagierenden Akteuren. Die gemeinsame Use Case Methodik bildet dabei die Grundlage, neue Anforderungen an die Normung zu identifizieren, standardisierte Regeln, Prozesse, Kommunikationsprotokolle und Datenmodelle voranzutreiben sowie gemeinsame technische Regeln zu vereinbaren.
Die Top-Down-Methodik zur Beschreibung von Anwendungen im Gesamtsystem bezogen auf Komponenten als Bestandteile des Systems basiert auf der Formulierung von Anwendungsfällen (Use Cases). Anwendungsfälle sind Mittel, um von der Systembetrachtung schrittweise zum einzelnen Produkt zu führen, dass sich in das Gesamtsystem interoperabel und damit wirtschaftlich einfügen kann.
Beschreibung von Anwendungsfällen eines dezentralen Energiesystems
Die Spezifikation der Anwendungsfälle im Smart Energy Systemen erfolgt in zwei Schritten:
- Schritt 1: Beschreibung von Business Use Cases (BUC)
- Schritt 2: Beschreibung von System Use Cases (SUC)
Ein Business Use Case definiert dabei Rollen und Verantwortlichkeiten zur Ausführung betriebswirtschaftlicher Prozesse als Kette von Aktivitäten im Rahmen einer Wirtschafts- und Ordnungspolitik.
Ein System Use Case definiert Funktionen und Unterfunktionen eines Systems, die einen oder mehrere betriebswirtschaftliche Prozesse und enthaltene Aktivitäten eines BUC unterstützt.
Mit der Beschreibung eines Business Use Cases werden Akteure, Parteien, Rollen und Verantwortlichkeiten zugeordnet, der Rahmen aus Politik, Regulierung, Anreizen und Geschäftsmodell definiert, die Geschäftsdienste und Prozesse detailliert sowie der Geschäfts- und Handlungsnutzen (Business Case) erfasst.
Die Spezifikation von System Use Cases startet bei den Funktionen eines Systems. Weiterhin werden die zu nutzenden Komponenten und die Kommunikation zwischen den Komponenten auf Basis vereinbarter Informationsmodelle und Nachrichtentypen (Kommunikationsprotokolle) definiert. Zur Einordnung der Funktionen und Komponenten in das Smart Energy System sowie für die Darstellung genutzter Modelle und Protokolle wird das SGAM-Framework genutzt. Den mit nachfolgender Abbildung dargestellten fünf SGAM-Ebenen werden verschiedene Aspekte der Organisation, Information und Kommunikation zur Betrachtung von Interoperabilität zugeordnet.
Die Inhalte der SGAM-Ebenen bei der Spezifikation von Use Cases bezogen auf Interoperabilitätsaspekte beschreibt nachfolgende Abbildung..
Schritte der Spezifikation von Use Cases
Die Beschreibung der Use Cases erfolgt mit einem Template in den drei folgenden Schritten:
- Business Use Case und Konzept System Use Case
- Prozess- und Systembeschreibung
- Ablaufspezifikation (Sequenzdiagramme)
Mit der fachlichen Spezifikation eines High-Level-Use-Case (HLUC) wird zuerst eine allgemeine Idee zu einem System Use Case zur Anwendung von Funktionen eines Systems beschrieben, die zur Ausführung eine Business Use Case genutzt werden, wobei der Use Case in verschiedener Weise realisiert und dabei nicht auf eine spezifische Systemarchitektur gemappt wird.
Später definiert ein technischer Use Case die Implementierung eines System Use Cases zur Anwendung von Funktionen eines Systems, die zur Ausführung eines Business Use Case genutzt werden, wobei der Use Case im Rahmen einer spezifisches Systemarchitektur abgebildet wird.
Quellen
Kießling, A., Bogensberger, A., Köppl, S. & Faller, F. (03/2020): Grundlagen der Massenfähigkeit. Methoden und Modelle für Terminologie, Use Case- und Sicherheitsanalyse sowie Flexibilitätsmodellierung. Interoperabilität durch vereinbarte Regeln, Standards und Normen. Use Case Methodik. Von https://www.csells.net/de/ergebnisse-c-sells/arbeitspakete/45-arbeitspaket1‑2.html abgerufen
Kießling, A. et al (05/2020). Grundlagen der Massenfähigkeit. Methoden und Modelle für Terminologie, Use Case- und Sicherheitsanalyse sowie Flexibilitätsmodellierung. Interoperabilität durch vereinbarte Regeln, Standards und Normen. Use Case-Musterbeschreibung Lab Noir im AutonomieLab Leimen. Von https://www.csells.net/de/ergebnisse-c-sells/arbeitspakete/45-arbeitspaket1‑2.html abgerufen
Leimen, den 23. März 2021