Autonomie und Autarkie als Gestaltungsmittel

Autonomie und Autarkie als Gestaltungsmittel

Aufbruch zur Übernahme von Gestaltungshoheit

Die Ener­gie­wen­de bie­tet sowohl Chan­cen für neu­es Wachs­tum als auch zur Neu­de­fi­ni­ti­on der Gestal­tung von Gebäu­den, Quar­tie­ren und regio­na­len Land­schaf­ten unter Ein­be­zie­hung von Auto­no­mie und Aut­ar­kie als Gestal­tungs­mit­tel. Lei­der wer­den aktu­ell in der poli­ti­schen Dis­kus­si­on vor­ran­gig die Schwie­rig­kei­ten beim Umbau des Ener­gie­sys­tems dis­ku­tiert. Das Umbau­tem­po wird ent­ge­gen den Not­wen­dig­kei­ten zum Kli­ma­schutz nied­rig gehal­ten. Der poli­ti­schen Eli­te man­gelt es an der Fähig­keit, die neu­en Chan­cen für die Gesell­schaft mit Über­nah­me von Gestal­tungs­ho­heit durch Vie­le auf Basis von Inspi­ra­ti­on und Inno­va­ti­on zu begrei­fen und zu befördern.

Damit ver­liert Poli­tik aber den Kon­takt zum gesell­schaft­li­chen Han­deln. Die Hoheit zur Pla­nung loka­ler Ener­gie­sys­te­me wird durch Men­schen, Unter­neh­men, Kom­mu­nen und Regio­nen längst über­nom­men. Viel­fäl­ti­ge Bei­spie­le zur Anwen­dung von Auto­no­mie und Aut­ar­kie als Gestal­tungs­mit­tel ent­wi­ckeln sich.

Die neue Bei­trags­rei­he im Blog „Doku­men­ta­ti­on der Ener­gie­wen­de“ ver­folgt das Ziel, die­se Bei­spie­le in das brei­te Bewusst­stein der Öffent­lich­keit zu brin­gen. Im hier vor­lie­gen­den Arti­kel wird die Umset­zung der Ener­gie­aut­ar­kie anhand von zwei Mehr­fa­mi­li­en­häu­sern in Cott­bus vor­ge­stellt. Der tech­ni­sche Vor­stand des Betrei­bers die­ser Gebäu­de, Arved Hart­lich von der eG Woh­nen 1902, stell­te sich freund­li­cher­wei­se für ein Inter­view zur Ver­fü­gung, um das Kon­zept zu erläu­tern und durch die Objek­te zu führen.

Bevor wir auf das Gebäu­de­kon­zept ein­ge­hen, soll kurz das Ver­hält­nis von Auto­no­mie, Aut­ar­kie sowie das soli­da­ri­sche Zusam­men­wir­ken bei der Gestal­tung beleuch­tet werden.

Peter Eckardt defi­niert Gestal­tungs­mit­tel, in der bil­den­den, bau­en­den und ange­wand­ten Kunst wirk­sam wer­den­de Dimen­sio­nen, Über­ein­stim­mun­gen, Dif­fe­ren­zen, Kon­tras­te, Grenz- bzw. Rich­tungs­wer­te, die in einem jeweils gege­be­nen Zusam­men­hang (Dar­stel­lungs­form) oder auch iso­liert eine Gestal­tung bewirken.

Um nun Auto­no­mie und Aut­ar­kie in Gebäu­den und Land­schaf­ten zu schaf­fen, benö­ti­gen wir zuerst die Defi­ni­ti­on von Auto­no­mie und Aut­ar­kie als Gestaltungsmittel.

Bedeutung von Autonomie und Autarkie als Gestaltungsmittel

Die Bestre­bun­gen zur Auto­no­mie und Aut­ar­kie sind ein legi­ti­mes Gestal­tungs­in­ter­es­se des Ein­zel­nen oder von Grup­pen. Gleich­zei­tig ver­fol­gen Men­schen als sozia­le Wesen gemein­schaft­li­che Inter­es­sen sowie zei­gen die Fähig­keit zur gegen­sei­ti­gen Unter­stüt­zung. Somit beschreibt der Begriff Soli­da­ri­tät die Bereit­schaft der Ein­zel­nen zu koope­rie­ren. In die­sem Kon­text ist es not­wen­dig, die Begrif­fe Auto­no­mie und Aut­ar­kie zu definieren.

Mit Auto­no­mie wird das Wech­sel­spiel zwi­schen Eigen­ge­stal­tung und Zusam­men­wir­ken beschrie­ben. Die Gestal­tungs­ho­heit in Gebäu­den, Area­len oder regio­na­len Land­schaf­ten als Sys­tem­gren­ze Ein­zel­ner oder von Gemein­schaf­ten wird über­nom­men. Aber dies fin­det gleich­zei­tig im Ver­hält­nis zur Sys­tem­um­ge­bung als ein­bet­ten­des Sys­tem statt, also in Bezie­hung oder in Soli­da­ri­tät zu Ande­ren. Der Grad die­ser Bezie­hung ist einer­seits frei gewählt und gestal­tet, wird aber auch durch die Gesell­schaft bestimmt.

Die Aut­ar­kie eines Sys­tems bedeu­tet eine extrem vom Außen abge­grenz­te Exis­tenz in dem Sin­ne, dass der oder das Ande­re in der Sys­tem­um­ge­bung nicht mehr nötig ist. Die­ser Weg wird teil­wei­se von der ein­bet­ten­den Gesell­schaft als unso­li­da­risch bezeich­net. Ander­seits sind ver­bun­de­ne, zen­tral orga­ni­sier­te Sys­te­me bei hohem Grad der Ver­net­zung viel­fäl­ti­gen Gefah­ren aus­ge­setzt. Ein Aus­fall der Ener­gie- und Was­ser­ver­sor­gung auf zen­tra­ler Ebe­ne führt in der Regel zum Aus­fall in den Teil­sys­te­men. Inso­fern ist das Bestre­ben nach Aut­ar­kie auch ein Bei­trag, wich­ti­ge Grund­funk­tio­nen in Gebäu­den, Städ­ten und Regio­nen auf­recht­zu­er­hal­ten. Dies unter­stützt wie­der­um die Funk­ti­on des Gan­zen. Aber auch in dünn besie­del­ten Regio­nen und auf Inseln sind aut­ar­ke Lösun­gen oft kos­ten­güns­ti­ger als zen­tral orga­ni­sier­te Infrastrukturen.

Sowohl mit Auto­no­mie und Aut­ar­kie als Gestal­tungs­mit­tel wird Unab­hän­gig­keit in unter­schied­li­chem Grad aus­ge­prägt. Dabei ist sich der Auto­no­me sei­ner grund­sätz­li­chen Abhän­gig­keit von Bezie­hun­gen nach außen bewusst, wäh­rend der Aut­ar­ke die­se Ver­bin­dung in rea­ler Wei­se oder auch nur gewünscht nicht benötigt.

Energieautarkie in einem Cottbuser Stadtquartier der Wohnungsgenossenschaft

Ende Sep­tem­ber fand in Cott­bus der Besuch der ers­ten ener­gie­aut­ar­ken Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser statt, die von der Woh­nungs­ge­nos­sen­schaft betrie­ben wer­den. In die­sen Objek­ten wird den Woh­nungs­mie­tern über fünf Jah­re eine sta­bi­le Pau­schal­mie­te garan­tiert, in der Woh­nen, Wär­me und Strom als Fest­preis ent­hal­ten sind. Der größ­te Teil der benö­tig­ten Ener­gie wird hier­bei mit Solar­wär­me- und Solar­strom-Anla­gen erzeugt. Bekannt sind natür­lich ent­spre­chen­de Lösun­gen in Ein­fa­mi­li­en­häu­sern. Im Mehr­fa­mi­li­en­haus ist die­ses Kon­zept auf­grund viel­fäl­ti­ger büro­kra­ti­scher Hür­den neu. Auf die­se Hür­den wer­den wir noch ein­ge­hen, doch soll an die­ser Stel­le zuerst das tech­ni­sche Kon­zept beleuch­tet werden.

Die grund­sätz­li­che Idee für die­se Häu­ser wur­de von Pro­fes­sor Timo Leu­ke­feld, der an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Frei­berg lehrt, ent­wi­ckelt. Die wei­te­re Aus­ar­bei­tung erfolg­te in Gemein­schafts­ar­beit zwi­schen der Cott­bus­ser Woh­nungs­ge­nos­sen­schaft – der eG Woh­nen 1902 — und der HELMA Eigen­heim­bau AG. Der ener­ge­ti­sche Ansatz wur­de dabei zuerst im Rah­men eines Simu­la­ti­ons­sys­tems kon­zi­piert und auf sei­ne Funk­ti­on über die gesam­te Peri­ode eines Kalen­der­jah­res von der FI Frei­berg Insti­tut GmbH analysiert.

An die­ser Stel­le ist even­tu­ell über den zum Gebäu­de­kon­zept genutz­ten Begriff Ener­gieaut­ar­kie zu dis­ku­tie­ren. Die Gebäu­de sind über den größ­ten Zeit­raum eines Kalen­der­jah­res ener­ge­tisch unab­hän­gig, benö­ti­gen aber zumin­dest in den Win­ter­mo­na­ten zusätz­li­chen Hei­ze­be­darf und Strom. Aber bezüg­lich des Gra­des der Ener­gie­au­to­no­mie errei­chen die Objek­te eine Eigen­ver­sor­gungs­quo­te von unge­fähr 70 Pro­zent für Strom und Wärme.

Grund­sätz­lich ähneln sich die tech­ni­schen Kon­zep­te für auto­no­me Gebäu­de. In Cott­bus wur­de aber neben der auto­no­men Strom­ver­sor­gung beson­de­rer Wert auf einen hohen Grad der eige­nen Wär­me­ver­sor­gung in Ver­bin­dung mit der Warm­was­ser­auf­be­rei­tung sowie auf Küh­lung im Som­mer gelegt.

Konzept zur Stromversorgung

Die Strom­ver­sor­gung dient zwei vier­ge­schos­si­gen Mehr­fa­mi­li­en­häu­sern (3 Voll­ge­schos­se plus Dach­stu­dio) mit zwei 5‑Raum-Woh­nun­gen, zwei 2‑Raum-Woh­nun­gen sowie zehn 3‑Raum-Woh­nun­gen. Die Gesamt­wohn­flä­che in jedem der zwei als Effi­zi­enz­haus 55 geplan­ten Gebäu­de beträgt 600 Qua­drat­me­ter, wobei die Wohn­flä­chen je Woh­nung zwi­schen 50 und 130 Qua­drat­me­ter liegen.

Die Strom­ver­sor­gung bei­der Gebäu­de basiert auf jeweils einer Pho­to­vol­ta­ik­an­la­ge mit einer Spit­zen­leis­tung von 30 Kilo­watt. Das Dach wur­de zur Maxi­mie­rung der Ener­gie­aus­beu­te auch bei tief ste­hen­der Son­ne süd­lich mit einer 50 Grad stei­len Dach­schrä­ge ausgerichtet.

Zur Errei­chung des geplan­ten Aut­ar­kie­grad der Strom­ver­sor­gung in Höhe von 75 bis 80 Pro­zent wer­den Lithi­um-Ionen-Bat­te­rien mit einer nutz­ba­ren Kapa­zi­tät von 42 Kilo­watt­stun­den pro Haus eingesetzt.

Zur Bela­dung der Elek­tro­fahr­zeu­ge der Mie­ter im Wohn­quar­tier die­ser bei­den Gebäu­de wur­den zwei Lade­säu­len bereit­ge­stellt. Um aber den hohen Aut­ar­kie­grad der Gebäu­de zur Strom­ver­sor­gung der Woh­nun­gen nicht zu redu­zie­ren, erfolgt die Ver­sor­gung der Lade­säu­len über einen öffent­li­chen Stromanschluss.

Über­schüs­se der Strom- und Wär­me­er­zeu­gung wer­den zuerst in das die zwei Objek­te eins­clie­ßen­de Wohn­quar­tier abge­ge­ben. Das gesam­te Grund­stück des Wohn­quar­tiers befin­det sich im Eigen­tum der Woh­nungs­ge­nos­sen­schaft, womit die Lösung ein geschlos­se­nes Netz einer pri­va­ten Ener­gie­zel­le im Quar­tier bil­det. Durch das Ver­fah­ren der Eigen­ver­brauchs­ma­xi­mie­rung wird die Ener­gie­ein­spei­sung in das exter­ne Netz kon­zep­tio­nell ver­mie­den. Das Gesamt­syts­tem trägt somit zur Netz­ent­las­tung in Zei­ten hoher Solar­strom­erzeu­gung bei.

Die wär­me­sei­ti­ge Ver­net­zung der auto­no­men Gebäu­de mit dem umge­ben­den Wohn­quar­tier der Genos­sen­schaft auf Basis der nach­fol­gend beschrie­be­nen Wär­me­kon­zep­tes führt wei­ter­hin zu einem höhe­ren Nut­zungs­grad der Solar­ther­mie und erbringt somit einem zusätz­li­chen Nut­zen für die Bewoh­ner des Quartiers.

Wärmekonzept

Zur Errei­chung eines hohen Auto­no­mie­gra­des bei der Wär­me­ver­sor­gung wur­de zuerst Wert auf ein opti­mal däm­men­des Mau­er­werk gelegt. Des­halb erfolg­te der Ein­satz mono­li­thi­scher Zie­gel zur äuße­ren Däm­mung und teil­wei­se von Mau­er­werks­zie­geln zur Erhö­hung der inne­ren Wär­me­spei­cher­fä­hig­keit. Damit konn­te der Wär­me­be­darf auf 18 KWh pro Qua­drat­me­ter Wohn­flä­che und Jahr bei 21 Grad durch­schnitt­li­cher Raum­tem­pe­ra­tur im Gebäu­de begrenzt wer­den. Die­sen Bedarf deckt weit­ge­hend eine Solar­ther­mie­an­la­ge auf der Süd­sei­te des Daches mit einer Kol­lek­tor­flä­che von 100 Quadratmetern.

Das sola­re Wär­me­an­ge­bot soll­te eine Eigen­ver­sor­gungs­quo­te für Hei­zung und Warm­was­ser in Höhe von 62 bis 67 Pro­zent ermög­li­chen. Dafür wur­de ein gro­ßer Wär­me­spei­cher als Schich­ten­spei­cher mit einem Volu­men von 24 Kubik­me­tern im Zen­trum jedes Gebäu­des errichtet.

Die Warm­was­ser­auf­be­rei­tung erfolgt über eine Frisch­was­ser­sta­ti­on. Hier­mit wird zum Bei­spiel Wär­me am Anschluss der Wasch­ma­schi­ne über den Hei­zungs­kreis­lauf über­tra­gen, wenn der Was­ser­hahn geöff­net wird. Die Funk­ti­on ent­spricht im Prin­zip einem Durch­lauf­er­hit­zer. Mit dem vor­ge­wärm­ten Was­ser wird Strom zum Hei­zen beim Wasch­vor­gang gespart. Eine Frisch­was­ser­sta­ti­on gilt gegen­über einem Durch­lauf­er­hit­zer als effizienter.

Zusätz­lich erhö­hen Anla­gen zur Wär­me­rück­ge­win­nung die Effi­zi­enz der Wär­me­nut­zung in den Woh­nun­gen. Durch eine Lüf­tungs­an­la­ge kann der Ener­gie­in­halt der Abluft genutzt wer­den, um die Zuluft zu tem­pe­rie­ren. In der kal­ten Jah­res­zeit wird die Zuluft erwärmt und in der war­men Jah­res­zeit gekühlt. Bei der zuneh­mend dich­ten Bau­wei­se von Gebäu­den die­nen die Rück­ge­win­nungs­an­la­gen auch dazu, Feuch­tig­keit abzu­füh­ren und der Schim­mel­bil­dung vorzubeugen.

Zur Deckung des rest­li­chen Wär­me­be­dar­fes, ins­be­son­de­re im Win­ter, dient eine Gas-Brenn­wert­ther­me zur Zusatz­be­hei­zung des obe­ren Wärmespeicherbereiches.

Schluss­end­lich unter­stüt­zen für vier Erd­son­den mit einer Bohr­tie­fe von 75 Metern die zusätz­li­che Küh­lung der Gebäu­de in den war­men Jah­res­zei­ten. Mit Unter­stüt­zung der Erd­wär­me kann die Tem­pe­ra­tur in den Woh­nun­gen im Som­mer um durch­schnitt­lich 1,5 bis 2 Grad gesenkt werden.

Wärmespeicher für Solarhaus in Cottbus

Der Wär­me­spei­cher; Quel­le:  www.cottbus-sonne.de

Projektpartner

Das Ziel des For­schungs­pro­jek­tes „Ever­sol-MFH“ besteht in der Unter­su­chung der zwei ver­netz­ten, mit hohem Anteil an Solar­ener­gie ver­sorg­ten Mehr­fa­mi­li­en­häu­ser. Neben der tech­nisch-wirt­schaft­li­chen Eva­lu­ie­rung des Ener­gie­kon­zepts spielt auch die sozio­lo­gi­sche Beglei­tung des vom BMWi geför­der­ten Pro­jekts eine wich­ti­ge Rol­le. Die oben genann­ten Gra­de der Eigen­ver­sor­gung für Hei­zung und Warm­was­ser sowie Strom stel­len eine klei­ne Revo­lu­ti­on dar. Dabei kommt auch ein neu­ar­ti­ges Miet­mo­dell unter Ein­schluss pau­scha­ler Betriebs­kos­ten zum Ein­satz. Die dafür nöti­ge Pla­nungs­si­cher­heit wird durch die hohen Eigen­ver­sor­gungs­quo­ten erreicht.

Das Kon­zept wird durch ein umfas­sen­des ener­ge­ti­sches Moni­to­ring der Gebäu­de bis 2021 geprüft. Dies erfolgt mit­tels Gebäu­de- und Quar­tiers­si­mu­la­tio­nen am Lehr­stuhl für Tech­ni­sche Ther­mo­dy­na­mik (Prof. Dr.-Ing T. Fie­back) der TU Berg­aka­de­mie Freiberg.

Das Frei­berg Insti­tut als Part­ner der Uni­ver­si­tät beschäf­tigt sich mit dem The­ma Pau­schal­miet­mo­del­le und der Ana­ly­se der gewon­ne­nen Daten aus dem Monitoring.

Neben ener­ge­ti­schen, recht­li­chen und öko­no­mi­schen Fra­gen wird die sozio­lo­gi­sche Beglei­tung der Mie­ter und die Fra­ge nach den Aus­wir­kun­gen pau­scha­ler Miet­mo­del­le auf das Wohn- und Ener­gie­ver­brauchs­ver­hal­ten eine wich­ti­ge Rol­le spie­len. Die Ergeb­nis­se aus dem Pro­jekt wer­den inten­siv mit der Woh­nungs­wirt­schaft dis­ku­tiert. Wei­ter­hin besteht eine Zusam­men­ar­beit mit den Ver­bän­den der Woh­nungs­wirt­schaft VSWG e.V. und GdW. Hier­bei soll einer­seits die Ver­brei­tung der Erkennt­nis­se inner­halb der Bran­che als auch eine Betrach­tung aktu­el­ler Fra­ge­stel­lun­gen aus der Woh­nungs­wirt­schaft inner­halb des Pro­jekts und des­sen Ziel­set­zun­gen erfolgen.

Workshop zum Energiekonzept autonomen Solarhaus Cottbus

Work­shop: Pau­schal­mie­te in der Woh­nungs­wirt­schaft (Quel­le: tradu4you)

Ansprech­part­ner: Moni­to­ring — Dr.-Ing. Tho­mas Storch; Pau­schal­mie­te — Kon­rad Uebel (mail@freiberg-institut.de)

Politischer Rahmen für Autonomie und Autarkie als Gestaltungsmittel

Die recht­li­chen Hür­den für auto­no­me Lösun­gen wur­den schon ange­spro­chen. Die Bun­des­po­li­tik befürch­tet den Ver­lust eines soli­da­ri­schen und seit über 100 Jah­ren zen­tral orga­ni­sier­ten Sys­tems. Die Nutz­nie­ßer der bis­he­ri­gen Orga­ni­sa­ti­on des Ener­gie­sys­tems stüt­zen die­se The­se. Ände­run­gen gesetz­li­cher Rah­men­be­di­nun­gen zur Ener­gie­wen­de leg­ten in den letz­ten Jah­ren dezen­tra­len Lösun­gen zuneh­mend Stei­ne in den Weg. Dies trifft sowohl für Kon­zep­te der Mie­ter­ver­sor­gung, für die Bil­dung von Ener­gie­ge­mein­schaf­ten als auch für Quar­tiers­lö­sun­gen mit Gemein­schafts­an­la­gen zu. Selbst im nicht öffent­li­chen Raum bestehen­de und bestimm­te Anla­gen­grö­ßen über­schrei­ten­de Instal­la­tio­nen wer­den mit den voll­stän­di­gen Abga­ben oder ent­spre­chend hohen Antei­len belegt. Dies behin­dert die Wirt­schaft­lich­keit von Gemein­schafts­an­la­gen. Erschwe­rend wirkt, dass die Nut­zung der­ar­ti­ger Anla­gen in Quar­tie­ren bei Über­schrei­tung bestimm­ter Leis­tungs­gren­zen schnell mit den gesetz­li­chen Pflich­ten eines Ener­gie­ver­sor­gers ver­bun­den ist. Die dabei ent­ste­hen­den kom­ple­xen Pro­zes­se sind nicht durch Haus­ge­mein­schaf­ten oder Woh­nungs­wirt­schaft umzusetzen.

Durch Exper­ten wird die Not­wen­dig­keit der Umge­stal­tung der gesetz­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen im Bereich der Ener­gie­ver­sor­gung für den Eigen­be­darf, für Mie­ter sowie für ande­re For­men von Gemein­schaf­ten gefor­dert. Im Hin­blick auf den not­wen­di­gen Umbau des Ener­gie­sys­tems bie­ten Auto­no­mie und Aut­ar­kie als Gestal­tungs­mit­tel hohe Chan­cen, den Anteil der Erneu­er­ba­ren Ener­gien in den Städ­ten und Gemein­den schnell zu erhö­hen. Die Ener­gie­po­ten­tia­le auf Basis der Nut­zung der Gebäu­de­dä­cher und ‑fas­sa­den sind nur in gerin­gem Maße erschlos­sen. Die Mög­lich­kei­ten des Gebäu­de­ent­wur­fes zum Ein­satz die­ser Poten­tia­le sind heu­te tech­nisch viel­fäl­tig mög­lich. Der poli­ti­sche Rah­men zur Beför­de­rung der Nut­zung fehlt.

Eigeninitiative und Zusammenwirken als Gestaltungsmittel für den Klimaschutz

Der Gedan­ke zur Ener­gie­au­to­no­mie fand im Cott­bu­ser Stadt­quar­tier der Woh­nungs­ge­nos­sen­schaft „eG Woh­nen 1902“ sei­ne Umset­zung. Die Gebäu­de wer­den seit Anfang 2019 ver­mie­tet und genutzt. Die Mie­ter freu­en sich über die Sicher­heit eines fixen Ener­gie­prei­ses über fünf Jah­re um Umfeld stei­gen­der Ener­gie­prei­se. Was dies für den Ener­gie­ver­brauch in den Gebäu­den bedeu­tet, ist in den nächs­ten Jah­ren zu unter­su­chen. Hier­an betei­li­gen sich die Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Frei­berg und das Frei­berg Institut.

Teil­wei­se befin­den sich der­ar­ti­ge Lösun­gen heu­te noch im gesetz­li­chen „Grau­be­reich“ und ihre lang­fris­ti­ge Nut­zung ist unklar. Die Mie­ter haben einen fes­ten Ener­gie­lie­fer­ver­trag mit dem Betrei­ber zur Nut­zung der auto­no­men Ener­gie­tech­nik. Soll­te sich der Rah­men zu Unguns­ten der­ar­ti­ger dezen­tra­ler Ener­gie­ge­mein­schaf­ten ent­wi­ckeln, droht die Auf­he­bung der ange­wen­de­ten Abrech­nungs­me­tho­de. Hier ist der Gesetz­ge­ber gefordert.

Die Bun­des­re­gie­rung adres­sier­te mit dem Kli­ma­schutz­pa­ket auch die Stei­ge­rung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz und das Ener­gie­ma­nage­ment in den Gebäu­den. Das Inter­es­se an der­ar­ti­gen Gestal­tungs­maß­nah­men kann aber nur dann breit ent­fal­tet wer­den, wenn Auto­no­mie und Akzep­tanz als Gestal­tungs­mit­tel akti­viert wird. Akti­vi­tä­ten in Cott­bus und an ande­ren Stand­or­ten sind also zu beför­dern und nicht als Ver­let­zung der Soli­da­ri­tät her­ab­zu­wür­di­gen. Dies for­dert auch eine EU-Direk­ti­ve zur Beför­de­rung von loka­len Ener­gie-Com­mu­ni­ties, zu deren Umset­zung Deutsch­land ver­pflich­tet ist.

Andre­as Kieß­ling und Kon­rad Uebel, Lei­men, 24. Okto­ber 2019

 

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