Gestaltungshoheit schafft Akzeptanz

Energieakademie Samsø – Die Gemeinschaft des Stroms

Gestaltungshoheit schafft Akzeptanz
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Gestaltungshoheit schafft Akzeptanz auf den Inseln der Zukunft

Die Ener­gie­wen­de ist zual­ler­erst eine gro­ße Chan­ce loka­ler und mit­be­stimm­ter Gestal­tung der Lebens- und Arbeits­wel­ten. Sie ermög­licht Betei­li­gung, wirt­schaft­li­ches Wachs­tum und neue Arbeits­plät­ze in den Regio­nen sowie eröff­net neue Räu­me für gesell­schaft­li­ches Han­deln. Sie zeigt, dass nach­hal­ti­ges Wachs­tum mög­lich ist und damit hel­fen kann, wirt­schaft­li­che Schwä­che in Pro­blem­re­gio­nen sowie Armut zu besei­ti­gen. Die damit ver­bun­de­ne Über­nah­me der Gestal­tungs­ho­heit schafft Akzep­tanz für die Not­wen­dig­kei­ten der Ener­gie­wen­de. Gestal­tungs­ho­heit wird sowohl bei der Pla­nung, der Ent­wick­lung und dem Betrieb von Gebäu­den, von Wohn­quar­tie­ren und Arbeits­area­len sowie in den Dör­fern und Städ­ten als auch in den Regio­nen und Land­schaf­ten zuneh­mend zurückgewonnen.

Aber die­se Chan­cen sind sogleich ein Stör­feu­er für das Geschäft eta­blier­ter, inter­na­tio­nal und natio­nal agie­ren­der Ener­gie­an­bie­ter. Inso­fern kann eine vor­ran­gig zen­tral gesteu­er­te Ener­gie­wen­de kaum erfolg­reich sein. Zu vie­le kon­kru­ie­ren­de Inter­es­sen und Ein­fluss­pa­ra­me­ter sind aus­zu­glei­chen. Es geht um Ein­flüs­se auf die Natur, um Gesund­heit, wirt­schaft­li­ches Wachs­tum, um Indus­trie und Infra­struk­tur. Im Span­nungs­ver­hält­nis ste­hen auch nach­hal­ti­ge Städ­te und Gemein­hei­ten zu euro­päi­schen und welt­wei­ten Struk­tu­ren sowie die not­wen­di­gen Inves­ti­tio­nen zum Anteil am Nut­zen die­ser Inves­ti­tio­nen. Zen­tral orga­ni­sier­te legis­la­ti­ve und exe­ku­ti­ve Steue­run­gen schei­tern an der Kom­ple­xi­tät die­ser Herausforderungen.

Eine erfolg­rei­che Ener­gie­wen­de kann nur von Unten erfolg­reich gestal­tet wer­den, indem loka­le, auf die kon­kre­ten Bedin­gun­gen ange­pass­te Kon­zep­te ent­ste­hen. Für die­se Lösun­gen sind dann zen­tral nur die Regeln des Zusam­men­wir­kens zu gestal­ten. Aus­schließ­lich die­se zel­lu­lä­re Poli­tik kann den Her­aus­for­de­run­gen der aktu­el­len Her­ku­les­auf­ga­ben gerecht werden.

Die Men­schen wol­len an etwas Gro­ßen betei­ligt sein, des­sen Nut­zen sie direkt ver­spü­ren, denn Gestal­tungs­ho­heit schafft Akzep­tanz. Kei­ne Geset­ze und kei­ne Regie­run­gen kön­nen die Men­schen vom not­wen­di­gen Wan­del über­zeu­gen. Men­schen wol­len auf einem gemein­sa­men Weg mit­ge­nom­men werden.

 

Aus Pro­jek­ten von Oben müs­sen Pro­jek­te von Unten gemacht wer­den. Dies erfor­dert vie­le Gesprä­che mit den Men­schen mit viel Kaf­fee und Kuchen sowie Bier.“

Søren Her­man­sen — Direk­tor der Ener­gie­aka­de­mie Samsø

 

Beispiele auf dem Weg zur Nachhaltigkeit auf der Insel Samsø

Die Insel Samsø ist die­sen Weg erfolg­reich gegan­gen. Fol­gen­de Bei­spie­le zei­gen, wie auf der Insel die regio­na­len Beson­der­hei­ten dis­ku­tiert wur­den, um gemein­sam Lösun­gen auf Basis der Bevöl­ke­rungs­be­tei­li­gung umzu­set­zen. Die erfolg­reich prak­ti­zier­te Par­ti­zi­pa­ti­on der Bewoh­ner war ent­schei­den­de Grund­la­ge für den Erfolg, denn die Über­nah­me von Gestal­tungs­ho­heit schafft Akzeptanz.

Die Wind­rä­der auf Samsø gehö­ren den Samsin­gern. Alle Wind­pro­jek­te auf der Insel wur­den durch Bür­ger­initia­ti­ven erar­bei­tet und Samsin­ger kön­nen sich an den Wind­pro­jek­ten finan­zi­ell beteiligen.

Geheizt wur­de frü­her auf Samsø mit kli­ma­schäd­li­chen Öl, wäh­rend das nach der Wei­zen­ern­te auf Samsø anfal­len­de Stroh nutz­los ver­brannt wur­de. Im Rah­men der Ener­gie­aka­de­mie Samsø wur­de ein Kon­zept zur Ver­bren­nung des Strohs in Heiz­kraft­wer­ken ent­wi­ckelt. Die nach ihrer Errich­tung erzeug­te Wär­me wird über ein neu­es Fern­wär­me­netz zu den Häu­sern trans­por­tiert. Gegen­über der her­kömm­li­chen Ölhei­zung konn­te der Fern­wär­me­an­schluss den Bewoh­nern mit einem hohen finan­zi­el­len Vor­teil ange­bo­ten wer­den. Somit heizt heu­te der Groß­teil der Samsin­ger mit Fern­wär­me. Da bei der Ver­bren­nung von Stroh nur das Koh­len­di­oxid in die Umwelt frei­ge­setzt wird, dass in der Wachs­tums­pha­se des Wei­zens aus der Luft auf­ge­nom­men wur­de, ist die­se Form der Hei­zung nach­hal­tig und CO2-neutral.

Aber auch ande­re alter­na­ti­ve Hei­zungs­me­tho­den wur­den auf Samsø ent­wi­ckelt. Bei­spiels­wei­se müs­sen die Milch­bau­ern nach dem Mel­ken die 39 Grad Cel­si­us war­me Milch in kur­zer Zeit auf 6 Grad abküh­len. Die anfal­len­de Abwär­me kann durch einen Wär­me­aus­tau­scher genutzt wer­den, um die Fuß­bo­den­hei­zung des Wohn­hau­ses auf dem Bau­ern­hof zu versorgen.

Wei­ter­hin wid­met sich der loka­le Elek­tro­au­to­ver­ein Samsø der erneu­er­ba­ren Mobi­li­tät. Dabei soll es auch der über­schüs­si­gen Wind­stro­mes ver­wen­det werden.

 

Energieakademie Samsø

Die genann­ten Bei­spie­le und wei­te­re Lösun­gen wer­den durch die Samsin­ger zur Nach­nut­zung ande­ren Inter­es­sier­ten prä­sen­tiert. Hier­bei ist die Ener­gie­aka­de­mie Samsø das Fens­ter für die Welt zum Ein­blick in die Erfah­run­gen der Inselbewohner.

Es wer­den nicht nur die tech­ni­schen Lösun­gen vor­ge­stellt. Ins­be­son­de­re soll die erfolg­rei­che Vor­ge­hens­wei­se zur Umset­zung der Ener­gie­wen­de erläu­tert wer­den. Søren Her­man­sen — Direk­tor der Ener­gie­aka­de­mie Samsø – betont, wie wich­tig es war, unter die Men­schen zu gehen. Dabei galt es zu ler­nen, wie die Gesell­schaft funk­tio­niert. Wer sind die Schlüs­sel­fi­gu­ren? Wer kann etwas bewe­gen und wer hat die Mit­tel zu investieren?

Die Samsin­ger woll­ten die Kon­trol­le über ihre Ener­gie­wen­de. Pro­jek­te, die die Men­schen nicht betei­li­gen, leh­nen die Samsin­ger ab. Das trifft bei­spiels­wei­se auch auf ein neu­es, extern geplan­tes Groß­pro­jekt für Off­shore-Wind­ener­gie zu, das die Akzep­tanz der Wind­ener­gie grund­sätz­lich gefährdet.

Rein rech­ne­risch ist Samsø heu­te die ers­te CO2-neu­tra­le Insel der Welt. Dabei war der Erfolg nur mög­lich, weil alle Men­schen als Gemein­schaft mit­ge­nom­men wurden.

Jeder ist Teil von etwas Gro­ßem, etwas Besonderen.“

Quel­le: ARTE, 14.09.2019, 11:35 Uhr, Inseln der Zukunft – Samsø – Gemein­schaft des Stroms, zum The­ma Gestal­tungs­ho­heit schafft Akzeptanz

Über Andreas Kießling 110 Artikel
Andreas Kießling hat in Dresden Physik studiert und lebt im Raum Heidelberg. Er beteiligt sich als Freiberufler und Autor an der Gestaltung nachhaltiger Lebensräume und zugehöriger Energiekreisläufe. Dies betrifft Themen zu erneuerbaren und dezentral organisierten Energien. Veröffentlichungen als auch die Aktivitäten zur Beratung, zum Projektmanagement und zur Lehre dienen der Gestaltung von Energietechnologie, Energiepolitik und Energieökonomie mit regionalen und lokalen Chancen der Raumentwicklung in einer globalisierten Welt.

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