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Solidarität im Energiesystem

Stand der Diskussion und Unvollständigkeit der Bewertung

Sel­ten wer­den Begrif­fe so inter­es­sen­ge­bun­den ein­ge­setzt wie beim The­ma “Soli­da­ri­tät im Ener­gie­sys­tem”. Unter dem Label Soli­da­ri­tät soll­te eine bes­se­re Welt geschaf­fen wer­den, aber der Ver­such miß­lang bekann­ter­wei­se in Ost­eu­ro­pa. Es herrscht sicher­lich weit­ge­hend Einig­keit dar­über, dass die­ser Umstand Soli­da­ri­tät nicht als wün­schens­wer­te Eigen­schaft von Men­schen und Gesell­schaft ver­schwin­den lässt.

Das Pro­blem liegt aber im Ein­satz die­ses Begrif­fes nach Bedarf für oder gegen eine Ange­le­gen­heit. Bei­spiels­wei­se wird gesell­schaft­lich weit­ge­hend im Kon­sens ein Ren­ten­sys­tem nicht als unso­li­da­risch betrach­tet, in das nur ein Teil der Gesell­schaft ein­zahlt, aber ein ande­rer Teil attrak­ti­ve­re Alters­vor­sor­ge betreibt. Eigen­in­itia­ti­ve im Strom­sys­tem wie­der­um unter­liegt dem Ver­dacht des unso­li­da­ri­schen Han­delns. Zwar besteht der Unter­schied dar­in, dass aus dem gesetz­li­chen Ren­ten­sys­tem der in ande­rer Form vor­sor­gen­de Teil der Gesell­schaft kei­ne Leis­tun­gen bezieht. Aber in bei­den Fäl­len wird die jewei­li­ge Infra­struk­tur für einen Teil der Gesell­schaft teu­rer als für alter­na­tiv agie­ren­de Akteure.

Die­se Zwei­schnei­dig­keit der Anwen­dung von Begrif­fen kann unter dem Titel “Soli­da­ri­tät im Ener­gie­sys­tem” in ver­schie­de­nen Hand­lungs­do­mä­nen fest­ge­stellt wer­den. Wäh­rend ansons­ten die Macht des Mark­tes beschwo­ren wird, lässt sich ver­mu­ten, dass der Begriff der Soli­da­ri­tät teil­wei­se benutzt wird, um Hand­lungs­räu­me in einem dezen­tra­len Ener­gie­sys­tem ein­zu­schrän­ken. Hier­zu soll nach­fol­gend ein Hin­weis des Forums Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) zitiert werden.

Soli­da­ri­tät garan­tiert Sicher­heit zu gerin­gen Kos­ten und ist unver­zicht­bar. In elek­tri­schen Ver­bund­sys­te­men beruht der siche­re Betrieb wesent­lich auf der Soli­da­ri­tät der Net­ze und der dar­über zusam­men­ge­schal­te­ten Erzeu­gungs­an­la­gen. Die Netz­be­trei­ber stim­men sich ab, wie sich die Net­ze bei Stö­run­gen ver­hal­ten und sich gegen­sei­tig unter­stüt­zen. Dies betrifft sowohl die regel­tech­ni­schen Fähig­kei­ten als auch die Leis­tungs­re­ser­ven für das Gesamt­sys­tem. Auf­grund der dezen­tra­len Erzeu­gung in den Ver­teil­net­zen und den neu­en Erzeu­gungs­tech­no­lo­gien erge­ben sich hier­bei neue Chan­cen und Her­aus­for­de­run­gen. Das Soli­da­ri­täts­prin­zip garan­tiert die Sicher­heit des euro­päi­schen Ver­bund­sys­tems — und dies zu gerin­gen volks­wirt­schaft­li­chen Kos­ten. Die­se Soli­da­ri­tät ist auch für den künf­ti­gen Betrieb unverzichtbar.“

Grund­sätz­lich soll die­sen Aus­füh­run­gen nicht wider­spro­chen wer­den. Die Fra­ge ist nur, wie das The­ma Soli­da­ri­tät betrach­tet wird und wel­che Schluss­fol­ge­run­gen gezo­gen wer­den. Der FNN führt hier wei­ter aus:

Ein für den Insel­be­trieb kon­zi­pier­ter Netz­be­reich kann wäh­rend des unge­stör­ten Nor­mal­be­triebs des Ver­bund­sys­tems unter abge­stimm­ten Rah­men­be­din­gun­gen aus inter­nen Grün­den getrennt wer­den. Eine vor­sorg­li­che Tren­nung wäh­rend einer Stö­rung im Ver­bund­sys­tem ver­letzt das Soli­da­ri­täts­prin­zip und ist bis­her nicht vor­ge­se­hen. Denk­bar ist ein Insel­be­trieb nur im Ein­zel­fall und nach sorg­fäl­ti­ger Bewer­tung, denn die­se Tren­nung kann die Stö­rung im Ver­bund­sys­tem ver­schär­fen. Die abge­trenn­ten Insel­net­ze leis­ten kei­nen stüt­zen­den Bei­trag für das Gesamt­sys­tem, der gera­de in kri­ti­schen Situa­tio­nen benö­tigt würde.“

Die­sem Stand­punkt kann nicht mehr bedings­los gefolgt wer­den. Die voll­stän­di­ge Bewer­tung erfor­dert eine umfas­sen­de­re Dis­kus­si­on und nicht die Pos­tu­lie­rung feh­len­der Soli­da­ri­tät im Ener­gie­sys­tem, ohne zukünf­ti­ge Ver­fah­ren und Mög­lich­kei­ten der Digi­ta­li­sie­rung in Ver­bin­dung mit dem zel­lu­la­ren Ansatz zu betrachten.

 

Ist der Bau eines Brunnens unsolidarisch?

Die Aus­füh­run­gen des FNN bezie­hen sich nicht voll­stän­dig auf die Soli­da­ri­tät im Ener­gie­sys­tem. Der zitier­te Hin­weis fokus­siert auf das Strom­ver­bund­sys­tem, das in sei­ner aktu­el­len Gestal­tung das Rück­grat aller füh­ren­den Indus­trie­län­der bil­det. Die­ses Rück­grat wur­de aber auf­grund zen­tra­ler Ener­gie­res­sour­cen (Koh­le, Öl, Gas, Uran) über einen Zeit­raum von über 100 Jah­ren zuneh­mend durch eine über­schau­ba­re Anzahl welt­weit agie­ren­der Groß­un­ter­neh­men gestal­tet. Inso­fern ver­ber­gen sich hin­ter dem Begriff Soli­da­ri­tät sowohl tech­nisch sinn­vol­le Begrün­dun­gen als auch rein wirt­schaft­li­che Inter­es­sen. Die­se Aspek­te tref­fen natür­lich auch auf regio­nal aus­ge­präg­te Infra­struk­tu­ren zu. Des­halb wer­den nach­fol­gend eini­ge Ana­lo­gien auf­ge­führt, um dar­an den Begriff der Soli­da­ri­tät zu bewerten.

Im Stadt­rat führ­ten wir in den 1990-er Jah­ren eine inten­si­ve Dis­kus­si­on, ob in unse­rer Klein­stadt und zuge­hö­ri­gen Ort­schaf­ten in länd­li­cher Lage nicht ein umfas­sen­des Fern­wär­me­netz durch das loka­le Stadt­werk ver­bun­den mit dem Anschluss­zwang für alle Gebäu­de errich­ten wer­den soll­te. Grund­sätz­lich herrsch­te Einig­keit dar­über, dass ein Fern­wär­me­netz vie­len Ein­woh­nern der Stadt eine wirt­schaft­li­che und effi­zi­en­te Wär­me­ver­sor­gung bot. Neue effi­zi­en­te Wär­me­er­zeu­gungs­an­la­gen sowie die schritt­wei­se Abschaf­fung der indi­vi­du­el­len Koh­le­ver­feue­rung erhöh­ten die Nach­hal­tig­keit des Ener­gie­sys­tems der Stadt. Die­sen Gesichts­punk­ten stan­den die frü­he­ren Erfah­run­gen mit der Plan­wirt­schaft und die Ein­schrän­kung indi­vi­du­el­ler Initia­ti­ven gegen­über. Konn­te es zuläs­sig sein, mög­li­che pri­va­te Bestre­bun­gen zum Ein­satz ande­rer inno­va­ti­ver For­men der Wär­me­er­zeu­gung auf­grund poli­ti­scher Beschlüs­se zu ver­bie­ten? War nicht eine Fern­wär­me­ver­sor­gung ohne Anschluss­zwang in Ver­bin­dung mit ande­ren For­men der dezen­tra­len und gleich­zei­tig nach­hal­ti­gen Wär­me­er­zeu­gung mög­lich. Letzt­end­lich ent­schied sich der Stadt­rat mit gro­ßer Mehr­heit gegen den Anschluss­zwang und trotz­dem konn­te die­se Stadt zusam­men mit dem eige­nen Stadt­werk eine erfolg­rei­che Fern­wär­me­ver­sor­gung eta­blie­ren. Inzwi­schen bewei­sen ande­re Gemein­den, dass die Ver­bin­dung von Fern­wär­me- und Nah­wär­me­net­zen mit dezen­tra­ler Wär­me­er­zeu­gung sowie auch mit dezen­tra­ler Ein­spei­sung von Wär­me­en­er­gie in das Wär­me­netz erfolg­reich und effi­zi­ent sein kann.

Eine ana­lo­ge Dis­kus­si­on folg­te bezüg­lich des Was­ser- und Abwas­ser­sek­tors. Die aus Zei­ten der ehe­ma­li­gen DDR stam­men­de Was­ser­in­fra­struk­tur war äußerst maro­de. Eine über zehn Jah­re gestreck­te, umfang­rei­che Inves­ti­ti­on in Was­ser­wer­ke, Abwas­ser­an­la­gen und in das zuge­hö­ri­ge Rohr­netz der Stadt – wie­der­um in Ver­bin­dung mit umlie­gen­den Ort­schaf­ten — sicher­te die zukünf­ti­ge Was­ser­ver­sor­gung mit hoher Qua­li­tät. Hier­aus resul­tier­te eine deut­li­che Stei­ge­rung der Was­ser- und Abwas­ser­kos­ten für alle Bür­ger. Aus die­sem Grun­de waren in der Fol­ge beträcht­li­che Ein­spar­be­mü­hun­gen bezüg­lich der Was­ser­nut­zung bei den Bewoh­nern der Stadt zu ver­zeich­nen. Dies wie­der­um gefähr­de­te die Finan­zie­rung der Inves­ti­tio­nen der Stadt­wer­ke in die moder­ni­sier­te Infra­struk­tur. Gleich­zei­tig konn­te die zuneh­men­de Nut­zung pri­va­ter Brun­nen im länd­li­chen Umfeld der Stadt regis­triert wer­den, womit die Ein­nah­men wei­ter san­ken. In der Kon­se­quenz muss­ten die Was­ser­ge­büh­ren umge­stellt wer­den. Der fes­te Monats­be­trag für den Was­ser­an­schluss stieg, um den Rück­gang beim men­gen­be­zo­ge­nen Betrag zu kom­pen­sie­ren. Damit stell­te sich die Fra­ge: Ist der Bau eines Brun­nens unso­li­da­risch? Wie­der­um wur­de Eigen­in­itia­ti­ve gegen Gemein­schaft gestellt. Aber müs­sen die­se bei­den Ziel­rich­tun­gen mit­ein­an­der kol­li­die­ren? Soll­ten wir uns nicht viel­mehr die Fra­ge stel­len, wie bei­de legi­ti­men Ansät­ze mit­ein­an­der ver­bun­den werden?

Letzt­end­lich las­sen sich die­se Betrach­tun­gen für viel­fäl­ti­ge Lebens­be­rei­che füh­ren. Auf­ga­be der Gesell­schaft ist es, allen Men­schen ein aus­rei­chen­des Nah­rungs­an­ge­bot bereit­zu­stel­len. Aus die­sem Grun­de besitzt der land­wirt­schaft­li­che Sek­tor im Bud­get der EU-Kom­mis­si­on das umfang­reichs­te Bud­get. Die­se Gel­der regeln den Anbau von Wein­trau­ben auf der kleins­ten grie­chi­schen Insel als auch den Kar­tof­fel­an­bau in der Lau­sitz. Aber nie­mand käme auf die Idee, den pri­va­ten Lebens­mit­tel­an­bau im pri­va­ten Gar­ten als unso­li­da­risch zu betrachten.

 

Differenzen als Antriebskraft gesellschaftlicher Entwicklung

Ener­gie stellt die fun­da­men­ta­le Grö­ße der Phy­sik dar. Phy­si­ker kön­nen Ener­gie beschrei­ben, wis­sen aber nicht wirk­lich, was im Kern Ener­gie ist. Wir neh­men Ener­gie erst rich­tig war, wenn sie etwas bewirkt, wenn sie einen Fluss der Ver­än­de­rung aus­löst und For­men schafft.   Wir beschrei­ben Ener­gie damit nicht als irgend­ei­ne Sub­stanz, son­dern in ihrer Wir­kung. Ihre Wir­kung basiert aber nur auf Poten­tia­len, die die eigent­li­che Fähig­keit zur Wir­kung aus­drü­cken. Poten­tia­le bedeu­ten Dif­fe­ren­zen bezüg­lich der an ver­schie­de­nen Orten unter­schied­li­chen Fähig­keit Arbeit zu ver­rich­ten. Wenn die Fähig­keit zur Erzie­lung von Wir­kung an allen Orten gleich wäre, wür­de es kei­ne Ener­gie­flüs­se geben. Erst die Dif­fe­ren­zen füh­ren zur Wir­kung und damit zur Schaf­fung von Gestalt durch Ener­gie, die Arbeit ver­rich­tet. Dif­fe­ren­zen sind als eine Art poten­ti­el­le Form Ursa­che der Ent­wick­lung, wäh­rend Ener­gie die Wir­kung dar­stellt, durch die Gestalt als mate­ri­el­les Ergeb­nis entsteht.

Inso­fern müs­sen wir uns fra­gen, ob der ste­ti­ge Pro­zess der Wand­lung loka­ler mensch­li­cher Kul­tur­krei­se mit loka­len Wirt­schafts­kreis­läu­fen und unter­schied­lichs­ten poli­ti­schen Aus­ge­stal­tungs­for­men der Gesell­schaft zu einer glo­ba­li­sier­ten und völ­lig ver­ein­heit­lich­ten Welt voll­stän­dig gestützt wer­den kann. Lei­der wird der Begriff der Soli­da­ri­tät oft nur mit gemein­sa­men und glei­chen Ver­fah­ren in Ver­ant­wor­tung weni­ger Akteu­re ver­bun­den. Die posi­ti­ve Ziel­stel­lung glei­cher Mög­lich­kei­ten für alle Men­schen darf nicht zu einem Ein­heits­sys­tem führen.

Ander­seits bedeu­tet völ­lig loka­les Den­ken die Ent­wick­lung eines geschlos­se­nen Sys­tems, dem der Input der Umge­bung fehlt. Das Sys­tem kann sich dann nur noch inner­halb sei­ner Gren­zen ent­wi­ckeln. Wenn die­ses loka­le Sys­tem in sich wie­der­um ein­heit­li­che Mecha­nis­men hat, ver­liert es eben­so Dif­fe­ren­zen und das loka­le Sys­tem erstarrt.

Wir schlie­ßen dar­aus, dass völ­lig lokal zen­trier­te Sys­te­me mit einem stark aus­ge­präg­ten Eigen­be­zug eben­so bezüg­lich ihrer Ent­wick­lungs­fä­hig­keit erstar­ren, wie dies ein völ­lig glo­ba­li­sier­tes Sys­tem ohne aus­rei­chen­de inter­ne Dif­fe­ren­zen und ohne exter­ne Beein­flus­sung tut. Die­se Erkennt­nis reif­te zum zel­lu­la­ren Ansatz für ein Ener­gie­sys­tem als Ener­gie­or­ga­nis­mus, bestehend aus auto­no­men Zel­len. Weder ein ver­ein­heit­lich­tes Ver­bund­sys­tem noch ein rei­nes Insel­sys­tem aut­ar­ker Ener­gie­kreis­läu­fe erreicht das Opti­mum. Aber eben­so bedeu­tet Auto­no­mie die Fähig­keit zur Insel­bil­dung, um Fle­xi­bi­li­tät im Ener­gie­or­ga­nis­mus unter allen Bedin­gun­gen zu erhal­ten. Die Insel­fä­hig­keit ist des­halb zwin­gend in einem zel­lu­la­ren Ener­gie­sys­tem auszubilden.

Die Kunst eines inno­va­ti­ven und ent­wick­lungs­fä­hi­gen Sys­tems besteht somit dar­in, lokal als eigen­stän­di­ges Sys­tem zu agie­ren, aber gleich­zei­tig die glo­ba­le Ver­net­zung für genü­gend exter­ne Beein­flus­sung anzu­stre­ben. Dif­fe­ren­zen beför­dern die Ent­wick­lungs­fä­hig­keit abge­schlos­se­ner sta­bi­ler Ein­hei­ten, wenn gleich­zei­tig die Mög­lich­keit geschaf­fen wird, Gren­zen viel­fäl­tig zu über­spie­len. Damit aber ein umfas­sen­des und ein­heit­li­ches Sys­tem der mensch­li­chen Gesell­schaft auf dem Pla­ne­ten Erde nicht ohne exter­nen Ein­fluss erstarrt, sind Dif­fe­ren­zen und damit auch Gren­zen zu gestal­ten. Es wird eine trans­pa­ren­te Hül­le des Sys­tems benö­tigt. Der Leit­spruch die­ses Den­kens lau­tet: Hand­le lokal und den­ke global!

Dies beschreibt ange­wen­det auf das Ener­gie­sys­tem kom­pri­miert das Ziel des zel­lu­la­ren Ansat­zes.  Letzt­end­lich bedeu­tet die­ses gesell­schaft­li­che Den­ken die Ver­bin­dung von Hand­lun­gen in regio­na­len Kreis­läu­fen als selbst­stän­di­ge Ener­gie­zel­le zu ver­bun­de­nen Ener­gie­kreis­läu­fen im natio­na­len als auch glo­ba­len Energieorganismus.

Das poli­ti­sche Pro­jekt für ein sol­ches Ener­gie­sys­tem besteht dar­in, Dif­fe­ren­zen zuzu­las­sen sowie gleich­zei­tig Ver­bun­den­heit zu befördern.

 

Solidarität im Energiesystem oder führt der zellulare Ansatz zu Egoismus?

Ein Strom­ver­bund­sys­tem ist volks­wirt­schaft­lich sinn­voll, Ver­sor­gungs­si­cher­heit beför­dernd und soli­da­risch für die Ange­hö­ri­gen der Gesell­schaft, denen nicht die glei­chen Mit­tel zur Eigen­ge­stal­tung gege­ben sind, wie ihren Nachbarn.

Auto­no­mie zu gestal­ten ist jedoch ein natür­li­cher Pro­zess der Schaf­fung von Dif­fe­ren­zen, der sowohl indi­vi­du­el­le als auch gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung befördert.

Der For­de­rung kann somit nicht dar­in bestehen, den einen Weg gegen die ande­re Lösung zu stel­len. Statt­des­sen soll­te die Ver­ei­ni­gung bei­der Ziel­stel­lun­gen ermög­licht wer­den. Ein zu unfle­xi­bles Strom­sys­tem im Sin­ne star­rer tech­ni­scher Lösun­gen sowie auch zu star­rer regu­la­to­ri­scher und gesetz­li­cher Fest­le­gun­gen kann die­ser Ver­ei­ni­gung entgegenstehen.

Der zel­lu­la­re Ansatz geht davon aus, dass in phy­si­ka­lisch abge­grenz­ten Struk­tu­ren ver­schie­de­ne loka­le Mög­lich­kei­ten der Gewin­nung von End­ener­gie in Form von Strom, Wär­me oder Treib­stof­fen exis­tie­ren. Eine die Ener­gie trans­por­tie­ren­de Infra­struk­tur ver­bin­det dabei inner­halb der Zel­le die Mög­lich­kei­ten der Wand­lung der Ener­gie­for­men unter­ein­an­der und der Spei­che­rung mit den ver­schie­de­nen For­men der Ener­gie­nut­zung. Dazu gehört ein intel­li­gen­tes Manage­ment der Ener­gie­flüs­se. Es gewähr­leis­tet den effek­ti­ven und effi­zi­en­ten Ener­gie­ein­satz inner­halb der Zel­le sowie auch die Steue­rung der Ener­gie­flüs­se über die Zell­gren­zen hin­aus in die ver­bun­de­ne Außen­welt. Inte­grie­ren­de Kom­po­nen­ten wie­der­um orga­ni­sie­ren den Sys­tem­ver­bund und über­neh­men Ver­ant­wor­tung zur Ein­hal­tung gemein­sa­mer Regeln.

Selbst­ver­ständ­lich gehö­ren dazu die Ver­fah­ren zur Erhal­tung des Sys­tem­ver­bun­des auch unter den Bedin­gun­gen eines zel­lu­la­ren Ener­gie­sys­tems. Dies umfasst bei Aus­fäl­len von Teil­be­rei­chen im Strom­sys­tem die Erhal­tung in ande­ren Teil­be­rei­chen sowie den Wie­der­auf­bau des Gesamt­sys­tems nach der Stö­rungs­be­sei­ti­gung. Aber im Sin­ne der Ver­bin­dung von Soli­da­ri­tät im Gesamt­sys­tem mit der Gewähr­leis­tung von Eigen­ge­stal­tung ist auch der Insel­be­trieb einer Zel­le bei exter­nen Aus­fäl­len zuzulassen.

Die Bil­dung einer loka­len Zel­le hat mehr­heit­lich nicht das Ziel, eine stän­dig aut­ark agie­ren­de Zel­le auf­zu­bau­en. Dies ist weder wirt­schaft­lich noch kann Ver­sor­gungs­si­cher­heit indi­vi­du­ell eben­so weit­ge­hend gestal­ten wer­den, wie im soli­da­ri­schen Ver­bund­sys­tem. Eine auto­nom gestal­te­te Zel­le zieht die Moti­va­ti­on aus der eige­nen Gestal­tungs­mög­lich­keit als auch aus der Nut­zung des die Gemein­schaft schüt­zen­den Daches.

 

Gewährleistung von Solidarität im Energiesystem sowie von Eigeninitiative

Der oft auf­ge­bau­te Ant­ago­nis­mus von Soli­da­ri­tät im Ver­bund und vom angeb­li­chen Ego­is­mus der Ener­gie­zel­le basiert auf der heu­ti­gen Finan­zie­rungs­ba­sis des gemein­sa­men Net­zes. Das Sys­tem nutzt ein Finan­zie­rungs­ver­fah­ren, das über Zell­gren­zen hin­weg flie­ßen­de Ener­gie­men­egen berech­net. Eigen­ver­sor­gung muss somit schäd­lich für das Gesamt­sys­tem und damit schein­bar unso­li­da­risch sein, weil die Finan­zie­rung in Fra­ge gestellt wird. Ein Ver­fah­ren, dass auf Anschluss­kos­ten basiert und nicht auf über Gren­zen flie­ßen­de Ener­gie­men­gen wür­de die­ses Pro­blem sofort lösen. Dazu wird noch ein­mal an die obi­gen Bei­spie­le zur Wär­me- und Was­ser­in­fra­struk­tur erinnert.

Eine ver­än­der­te Finan­zie­rungs­ba­sis wird an die­ser Stel­le nicht betrach­tet und erfor­dert wei­te­re umfang­rei­che Unter­su­chun­gen. Hier soll nur auf eine ent­spre­chen­de Quel­le [Rif­kin, J. (2016)] auf­merk­sam gemacht wer­den, die die gesamt­ge­sell­schaft­li­che Finan­zie­rung gemein­sa­mer Infra­struk­tu­ren unab­hän­gig von deren Nut­zungs­grad vor­schlägt. Die Infra­struk­tur stellt die gemein­sa­me Basis zur Ver­fü­gung und schafft Kan­ten zur Ver­bin­dung von Kno­ten eines Ener­gie­netz­wer­kes. Die Kno­ten in Form loka­ler und regio­na­ler Ener­gie­zel­len sind Herr der Gestal­tung ihrer Ener­gie­flüs­se und damit Quel­le viel­fäl­ti­ger Innovation.

Natür­lich betrach­ten Regeln zur Auto­no­mie sowie bei Stö­run­gen zur teil­wei­sen Aut­ar­kie das The­ma Insel­bil­dung nicht nur aus der Finan­zie­rungs­per­spek­ti­ve. Der zu Beginn des Kapi­tels zur Soli­da­ri­tät im Ener­gie­sys­tem zitier­te FFN-Hin­weis bezieht sich auch auf die Pro­ble­me beim Weg­fall von Poten­tia­len zur Netz­stüt­zung und zum Netz­wie­der­auf­bau nach Aus­fäl­len von Netz­be­rei­chen. Wenn zusätz­lich funk­tio­nie­ren­de Netz­kno­ten in Form auto­nom han­deln­der Ener­gie­zel­len den Weg zur Aut­ar­kie beschrei­ten, um als Insel bis zur Wie­der­her­stel­lung des umge­ben­den Net­zes zu exis­tie­ren und sich dann wie­der mit dem exter­nen Netz syn­chro­ni­sie­ren, feh­len im umge­ben­den Netz Poten­tia­le. Die Ursa­che besteht in einem Netz, das bis­her mit einer rela­tiv star­ren Kopp­lung der Netz­kno­ten errich­tet wur­de. Aber Wege zur Errich­tung fle­xi­ble­rer Strom­netz­wer­ke wer­den natio­nal [PEN (2018)] und inter­na­tio­nal [DIGGRID (2018)], [QGRID (2018)], [TE (2018)] beschrit­ten. Im Arbeits­kreis Ener­gie­ver­sor­gung 4.0 der Ener­gie­tech­ni­schen Gesell­schaft des VDE führt Dr. Tho­mas Wal­ter dazu Fol­gen­des aus:

Unter dem Pro­gramm „Clea­ner and Che­a­per Ener­gy for Islands“ küm­mert sich die Brüs­se­ler Gene­ral­di­rek­ti­on Ener­gie gera­de um die ca. 15 Mio. Euro­pä­er, die als End­kun­den an 2700 Insel­net­zen ange­schlos­sen sind [CLEN (2018)]. Auch wenn vie­le davon mit dem Kon­ti­nen­tal­sys­tem ver­bun­den sind und damit ähn­li­che Zell­sys­te­me wie die­se in Deutsch­land dis­ku­tiert wer­den (dar­un­ter alle deut­schen Inseln), sind vie­le Net­ze doch iso­lier­te Insel­sys­te­me. Zu den grö­ße­ren Insel­sys­te­men gehört Gran Cana­ria mit 800.000 Netz­an­schlüs­sen. Klei­ne­ren Lösun­gen rei­chen bis zu der übri­gens elek­trisch bereits völ­lig fos­sil-frei­en Hebri­den­in­sel Eigg in Schott­land mit 48 Bewoh­nern. Insel­net­ze las­sen sich sehr viel wirt­schaft­li­cher dekar­bo­ni­sie­ren als Kon­ti­nen­tal­sys­te­me und wer­den daher der wei­te­ren Ent­wick­lung kon­ti­nen­ta­ler Ver­bund­sys­te­me um Jah­re vorauseilen. 

Welt­weit ver­stärkt sich sogar der Bedarf nach Insel­kon­zep­ten. Zehn Pro­zent aller Men­schen (also über 700 Mio im Jah­re 2017) leben laut der Daten­bank des Rei­ner-Lemoi­ne-Insti­tuts in Ber­lin auf Inseln. Nicht mit­ge­zählt wer­den dabei die Off-Grid Net­ze auf dem Fest­land auch in hoch­ent­wi­ckel­ten, aber dünn besie­del­ten Gebie­ten wie Aus­tra­li­en (Perth) oder Alas­ka. Dar­aus folgt eine Rie­sen­chan­ce auch für deut­sche Tech­no­lo­gi­enstren­gun­gen, die ein effi­zi­en­tes Zell­ma­nage­ment ermöglichen.“

Die Kopp­lung von Soli­da­ri­tät im Ener­gie­sys­tem und Gewähr­leis­tung von Eigen­in­itia­ti­ve in Ver­bin­dung mit wirt­schaft­li­chen Chan­cen neu­er ener­gie­be­zo­ge­ner Tech­no­lo­gien und der Digi­ta­li­sie­rung soll­te es wert sein, die­se Wege zu unter­su­chen und in Pilot­pro­jek­ten ein­zu­set­zen sowie deren Anwend­bar­keit zu bewerten.

 

Quellen

CLEN (2018). Clean Ener­gy for EU Islands — Inau­gu­ral Forum. https://ec.europa.eu/energy/en/events/clean-energy-all-european-islands-inaugural-forum — gela­den am 27.03.2018

DIGGRID (2018). What is the Digi­tal Grid — The “Inter­net of Ener­gy”. http://www.digitalgrid.org/en/ — gela­den am 26.03.2018

PEN (2018). Poly­Ener­gy­Net – Resi­li­en­te Poly­net­ze zur siche­ren Ener­gie­ver­sor­gung. http://www.polyenergynet.de/ — gela­den am 27.03.2018

QGRID (2018). Quan­tum Grid – Das Ener­gie Inter­net, https://www.gip.com/de/quantum-grid.html — gela­den am 26.03.2018

Rif­kin, J. (2016). Die Null-Grenz­kos­ten-Gesell­schaft (27. April 2016). FISCHER Taschen­buch. ISBN-13: 978–3596033676

TE (2018). Tran­sac­ti­ve Ener­gy: The next step for the digi­tal grid? https://www.cleantech.com/transactive-energy-the-next-step-for-the-digital-grid/  — gela­den am 26.03.2018

 

Andre­as Kieß­ling, Lei­men, 27. Juni 2018

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