C/sells ist ein Demonstrationsprojekt im Rahmen des SINTEG-Programmes. Das Förderprogramm „Schaufenster intelligente Energie — Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie will skalierbare Musterlösungen für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung bei hohen Anteilen fluktuierender Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie entwickeln und demonstrieren. Die gefundenen Lösungen sollen als Modell für eine breite Umsetzung dienen. Nach dem ersten Projektjahr haben wir die Grundkonzeption des zellulär ‑verbundenen Energiesystems entwickelt, das C/sells Leitbild im Konsens der 58 Partner vereinbart und die Grundbausteine unserer drei Basisinstrumente Infrastruktur Informationssystem (IIS), Abstimmungskaskade und regionalisierter Handel erstellt. Wir sind überzeugt, dass zelluläre, vielfältige und partizipative Energieinfrastrukturen einen geeigneten Ansatz darstellen, um die angestrebte, nahezu vollständige Marktdurchdringung mit Erneuerbaren Energien (EE) zu beherrschen, regionalisierten Handel zu entwickeln und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Stärkung der lokalen und regionalen Autonomie, wohlgemerkt nicht der Autarkie, verleiht dem zellulär verbundenen Gesamtsystem Stabilität und Stärke. Der damit verbundene Umbau der technischen Infrastruktur und der Wandel der Geschäftsmodelle kann nur mit der Bündelung aller gesellschaftlichen und politischen Kräfte gelingen. In diesem Positionspapier sprechen wir die Themenfelder an, die aus unserer Sicht der politischen Unterstützung bedürfen und geben die aus C/sells Sicht notwendigen Handlungsempfehlungen.
Zellularität. Das Energieversorgungssystem mit seiner zunehmend veränderten Erzeugungsstruktur muss sich als System auch auf niederen Spannungsebenen weiterentwickeln: Das Konzept der Zellularität könnte eine maßgebliche Komponente des zukünftigen Energieversorgungssystems sein — neben der immer noch erforderlichen Transportkomponente im europäischen Maßstab von den entfernten Erzeugungszentren aus erneuerbaren Quellen. Die Idee der Zellsystematik entspringt den neuen Möglichkeiten, die sich aus der zunehmenden Einspeisung und der Digitalisierung auf unterlagerten Netzebenen ergeben; die Verantwortung für eine sichere Energieversorgung würde, ergänzend zu den Übertragungsnetzbetreibern und Verteilnetzbetreibern, auch auf kleinere Organisationeinheiten heruntergebrochen. Zur Wahrung der Versorgungssicherheit und der Gesamtstabilität des Energieversorgungssystems — insbesondere in netzkritischen Situationen — wird eine überregionale Steuerung des Systems durch die Netzbetreiber sowie eine Abstimmung zwischen den Netzbetreibern stets erforderlich sein. Die Organisationseinheiten werden in C/sells Zellen genannt; Zellen umfassen einerseits die schon bekannten Organisationseinheiten wie Regelzonen und Verteilnetze. Andererseits entstehen neue Zelltypen wie beispielsweise nicht-öffentliche „Subnetze“ hinter einem Netzanschlusspunkt oder auch Quartiere bspw. durch den Zusammenschluss mehrerer Häuser mit jeweils eigenem Netzanschlusspunkt. Der zelluläre Ansatz ermöglicht die Partizipation der Akteure in der Zelle und die Versorgung der Akteure entsprechend ihrer Präferenzen und möglichen Funktionen der Zellen. Eine Funktion von Zellen ist die Bereitstellung von Flexibilität für die Netzbetreiber, um beispielsweise lokale Netzengpässe zu beheben oder um die Stabilität des Gesamtsystems bei Schwankungen zwischen Erzeugung und Verbrauch zu unterstützen. Des Weiteren können in und zwischen den Zellen sowie an den bereits existierenden zentralen Märkten Produkte oder Energiedienstleistungen gehandelt werden. Diese Zellfunktionen können durch die Erfassung von Erzeugungs- und Lastdaten sowie Prognosen bzw. Optionen für die Betriebsstrategien unterstützt werden. Ob und in welchem Umfang Zellen diese Funktionen bereitstellen, können sie autonom und gemäß ihrer primären Zielfunktion selbst entscheiden. So kann zum Beispiel nach dem Subsidiaritätsprinzip ein primärer Ausgleich auf Zellebene angestrebt und erst danach der Austausch mit anderen Zellen gesucht werden. Dies wird durch eine möglichst gute Ausnutzung der in der Zelle vorhandenen Infrastrukturen – auch über verschiedene Energieträger hinweg – erreicht. Eine weitere Zielfunktion könnte das Erwirtschaften von Erlösen darstellen, indem die Zelle die zuvor genannten Funktionen gegen ein Entgelt bereitstellt. Die Zielfunktionen werden wiederum durch Anreize – bspw. in Form von Marktsignalen – beeinflusst. Die Anreizgestaltung sorgt damit idealerweise dafür, dass eine einzelne Zelle sich bei Bedarf für eine Funktion entscheidet, mit der sie einen Beitrag zur Stabilität des Gesamtsystems leistet. Alle Marktaktivitäten sollen diskriminierungsfrei ermöglicht werden. Wir empfehlen diese Denk- und Sichtweise auf dezentrale Energieversorgungsstrukturen weiter politisch zu unterstützen. Politisch sollte vermittelt werden, dass lokale und regionale Autonomie gestärkt wird – ohne das etablierte Gesamtsystem in Frage zu stellen. Vielmehr benötigen wir den politischen Rückhalt, dass wir durch die verlässliche Integration neuer Marktakteure – denen wir Entscheidungsautonomie im Rahmen angepasster Marktbedingungen zugestehen – die Verbundenheit innerhalb des Versorgungssystems stärken können und weiterhin die Investitionsbereitschaft in Erneuerbare Energieanlagen vor Ort sicherstellen.
Von der SINTEG-Verordnung zur Regulatorischen Innovationszone RIZ. Die SINTEG-Verordnung sieht lediglich einen nachträglichen Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile vor, die den Projektteilnehmern durch die bestehende Regulierung entstehen. Wir empfehlen die Verordnung als ersten Schritt auf dem Weg zur Einrichtung Regulatorischer Innovationszonen (RIZ) mit Laboren für Netz und Markt zu verstehen, in denen die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen ausgestaltet und getestet werden.
C/sells fordert konsequentes Systemdenken und die Belohnung von Flexibilitätsverhalten. Flexibilität ist ein zentraler Baustein für das komplexe Zusammenspiel einer Vielzahl verschiedenartiger Technikkomponenten und Akteure. Daher empfehlen wir, Anreize zu schaffen, die die Nutzung von Flexibilität sowohl auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite attraktiv machen. Auch die damit verbundenen Anstrengungen z.B. auf Netzbetreiberseite sollten entsprechend angereizt werden. Im Sinne der Systemintegration sieht C/sells Energienetze und digitale Netze stets als Einheit und entwickelt einen hoch automatisierten Prozess zum Datenaustausch zwischen den Netzbetreibern aller Ebenen, den relevanten Marktakteuren und den Einsatzverantwortlichen. Die auf der Ampellogik basierende sog. Abstimmungskaskade definiert für die beteiligten Rollen die jeweiligen Ampel-abhängigen Prozesse und Aufgaben sowie den intelligenten und digitalen Daten- und Informationsaustausch zwischen den Rollen. Ist die Ampel grün, liegen keine kritischen Netzzustände vor. In der gelben Ampelphase ist der Netzzustand eines Netzsegments gefährdet. In dieser sogenannten Marktpartizipationsphase können Zellakteure den Netzbetreibern Flexibilitäten als Alternative anbieten und so helfen, kritische Situationen zu vermeiden. Schaltet die Ampel auf Rot, ist die Systemstabilität und damit die Versorgungssicherheit unmittelbar gefährdet. In diesem Fall dürfen Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber nach § 13 Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes die Erzeugungs- bzw. Verbrauchssituation durch die direkte Regelung von Anlagen steuern. Die in C/sells entwickelte automatisierte, einheitliche Abwicklung von Maßnahmen zur Sicherung der Netzstabilität minimiert die Dauer von roten Phasen. Damit wird eine diskriminierungsfreie, gleichberechtigte und ungehinderte Entfaltung der Akteursvielfalt ermöglicht, wobei die Netzbetreiber dem Markt die Netzinfrastruktur diskriminierungsfrei zur Verfügung stellen und damit die Rolle des Market Facilitators übernehmen. Grundlage für einen abgestimmten Netzbetrieb sind neben den Echtzeitdaten auch die Stamm- und Planungsdaten sowie die Nichtverfügbarkeiten von Anlagen. Damit die geplante Smart-Meter-Gateway-Infrastruktur ihren Beitrag zur Systemintegration leisten kann, empfehlen wir eine zügige Definition und Umsetzung des Zielmodells für Messsysteme. Durch die einhergehende softwareseitige Weiterentwicklung der Smart Meter Gateway (SMGW) und Backendsysteme hin zur Sternkommunikation im Zielmodell werden sowohl marktliche Anwendungen gefördert, als auch Netzbetreibern verbesserte Zugriffsmöglichkeiten für netzrelevante Betriebsführungsprozesse eingeräumt.
Der Rollout intelligenter Messsysteme bedarf politischer Unterstützung. Erst mit dem flächendeckenden Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys) wird ein essentieller Meilenstein in Richtung Digitalisierung der Energiewende mit der Vernetzung einer Vielzahl von Lasten, Speicher und Erzeuger sowie Daten aus Netz und Markt erreicht werden können. Der verpflichtende Rollout von iMSys beginnt in Deutschland mit der Zertifizierung der SMGW durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, die zwar in Sichtweite, aber bislang noch nicht erreicht ist. Im Projekt C/sells gehen wir daher zweigleisig vor: Neben dem Einsatz zertifizierter Geräte zur Erprobung der Basisanwendungen werden für die Umsetzung von neuen, innovativen Anwendungen noch nicht zertifizierte Geräte eingebaut. Das SMGW bildet dabei den sicheren Kommunikationsanker im Gebäude. Mit „Security by Design“, zertifikatsbasierter Authentifizierung und End-to-End-Verschlüsselung garantiert das SMGW im Gegensatz zum privaten Router höchste Sicherheit bei der Datenübertragung. Diese wird beispielsweise bei Smart-Building-Anwendungen wie intelligenten Alarmanlagen und Schließsystemen sowie der Fahrstuhlüberwachung oder auch im Bereich betreutes Wohnen oder medizinischen Dienstleistungen erforderlich. Wir empfehlen die beschleunigte Umsetzung des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende, insbesondere die fristgerechte Implementierung der benötigten Verordnungen und der Marktkommunikation. Außerdem empfehlen wir eine weitreichende Werbe- und Informationskampagne zur Einführung intelligenter Messsysteme in Deutschland. Diese sollte den Nutzen der iMSys für Unternehmen sowie private Haushalte aufzeigen. Darüber hinaus empfehlen wir bei Anwendungen, die nicht netz- oder sicherheitskritisch sind, in der von BMWi und BSI in Ausarbeitung befindlichen Roadmap „Standardisierung zur Sektorübergreifenden Digitalisierung nach dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ ausreichend Freiheitsgrade vorzusehen, damit Geschäftsmodelle mit und ohne Einsatz von SMGW ermöglicht werden.
Energieminister der C/sells Bundesländer auf dem Weg nach Berlin. Wir werden innerhalb der nächsten 12 Monate in allen C/sells Bundesländern Baden-Württemberg (9.4.18), Hessen (7.8.18) und Bayern (1.4.19) C/sells Ministerdialoge durchführen und insbesondere die landesspezifischen Erkenntnisse des C/sells Projektes mit den politischen Verantwortungsträgern diskutieren. Wir schlagen vor, im Sommer 2019 mit den bis dahin gewonnenen Erkenntnissen einen konzertierten Ministerdialog aller drei Landesenergieminister zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durchzuführen.
Kontakt
Dr.-Ing. Albrecht Reuter Gesamtprojektleiter C/sells
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