Begriff Energiezelle
Definition
von der Umgebung abgegrenztes und gleichzeitig über Schnittstellen verbundenes Energiesystem aus mittels Sektorkopplung verbundenen Komponenten der Energieinfrastruktur (1) verschiedener Energieformen (2), deren Funktionen ein autonomes Energiezellenmanagement (3) mit Optimierung von Erzeugung und Verbrauch im System über alle vorhandenen Energieformen in Verbindung mit dem Austausch von Produkten und Dienstleistungen über bidirektionale Flüsse von Energie und Information zu physikalischen Nachbarzellen sowie zu nicht lokalen definierten virtuellen Marktzellen (4) ermöglichen
Quelle: Kießling, A., & Arndt, S. (2020); von VDE ETG/ITG AK Energieversorgung 4.0 abgeleitete und erweiterte Definition
Englisches Glossar: energy cell
Abkürzung: keine
Bemerkung:
(1) Zur Energieinfrastruktur werden alle Betriebsmittel (Assets: Schicht A) gezählt, die zur Wandlung von Energie, zu deren Transport und Verteilung sowie zur Speicherung eingesetzt werden.
(2) Energieformen umfassen u.a. Elektrizität, Gas, Wärme und Energieträger für Mobilität.
(3) Zum Energiezellenmanagement zählen alle Schnittstellen der Systemnutzer (Schicht D), Betriebsführung- und Leittechnikkomponenten (Schicht C) sowie Digitalisierungskomponenten (Schicht B) mit Unterstützungsfunktionen (Basiskomponenten), Mess- und Steuereinrichtungen (Zugriffskomponenten) sowie gesicherte Kommunikationskomponenten
(4) Energiezellen können zu umfassenderen Energiezellen verbunden werden. Es gibt somit Zellen auf der gleichen Stufe sowie auf übergelagerten und unterlagerten Stufen.
Beziehungen
- Energiezelle hat Oberbegriff intelligentes Energiesystem
- Energiezelle hat Unterbegriff Nanoenergiesystem
- Energiezelle hat Unterbegriff Mikroenergiesystem
- Energiezelle hat Unterbegriff Mesoenergiesystem
- Energiezelle hat Unterbegriff Makroenergiesystem
- Energiezelle hat Unterbegriff Superenergiesystem
Weitere Erläuterungen zum Begriff Energiezelle
Begriff und Hauptfunktionen
Der Begriff umfasst ein von der Umgebung abgegrenztes als auch über Schnittstellen verbundenes System aus Erzeugern, Speichern, Verbrauchern und Netzen der Energieformen Strom, Wärme und Gas sowie auch weiterer Infrastrukturen der Kommunikation und Logistik. Ihre Funktionen erlauben das autonome Management mit Optimierung von Angebot und Nachfrage über alle Energieformen innerhalb des Systems in Verbindung mit dem Austausch von Produkten und Dienstleistungen zu Energie und Information über die Systemgrenzen hinaus zu Nachbarn sowie zu regionalen und überregionalen Märkten.
Motivation zum Vorschlag eines zellulären Energiesystems im Projekt C/sells
Das erneuerbare Energiesystem entwickelt sich dezentraler und vielfältiger mit höherem Grad an autonomer Eigengestaltung in Gebäuden, Quartieren, Arealen und Regionen, woraus zunehmende Komplexität resultiert. Wachsende Komplexität birgt auch Gefahren und kann in das Chaos führen. Aber Wissenschaft und Technik zeigen uns den Weg aus dem Dilemma, die Zerlegung eines Gesamtsystems in autonome und gleichzeitig verbundene Teilsysteme. Projekte wie Modellstadt Mannheim und C/sells nennen diese Teilsysteme Zellen. Das zelluläre Architekturkonzept ist somit technische Notwendigkeit zur Beherrschung eines komplexen Systems. Es bietet aber ebenso neue, vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung des Energiesystems und wird somit wiederum zur Grundlage von Partizipation. Der Begriff Zelle wird sowohl auf bekannte regulierte Strukturen wie Regelzonen oder Verteilnetze als auch auf neue Zelltypen wie Gebäude, Quartiere, Areale oder Zusammenschlüsse von Akteuren in der Energie-Community angewendet.
Es gilt eine Organisationsstruktur zu entwickeln, die
- auf der technischen Ebene die Koordination der vielen dezentralen Erzeugungs- und Speicheranlagen sowie Verbraucher durch autonome Funktionen ermöglicht sowie die Erhaltung der Stabilität im Gesamtsystem durch die Bereitstellung geeigneter Koordinationsinstrumente garantiert (z.B. Flexibilitätsplattform),
- auf einer sozial-ökologischen Ebene Gestaltungs- und Beteiligungsmöglichkeiten für Einzelpersonen, Liegenschaften und Communities eröffnet und für die gerechte Verteilung von Kosten und Lasten zwischen den Regionen und den Akteuren der Bundesrepublik sowie im europäischen Verbund sorgt.
Einerseits besteht weiterhin die von oben nach unten gegliederte, hierarchische Struktur von Regelzonen und Verteilnetzen als Zellen, die zukünftig mit geteilter Systemverantwortung im Rahmen der Abstimmungskaskadeorganisiert wird. Gleichzeitig schlägt C/sells eine von unten nach oben dezentral organisierte Struktur vor, die in Zellen wie Gebäuden, Quartieren, Arealen und Communities zugehörige Erzeuger, Speicher und Verbraucher als autonom organisierte Energiesysteme zusammengefasst. Hierzu ermöglicht C/sells den Regionalisierten Handel für Energie und Flexibilität. Diese autonomen Zellen sind digital vernetzt und integrieren sich mittels des Infrastruktur-Informationssystems als C/sells-Basisinstrument der Digitalisierung in das bestehende Energieverbundsystem.
Innerhalb eines übergeordneten rechtlichen Rahmens mit gemeinsamen Regeln erhalten diese Teilsysteme verschiedene Optionen der Teilnahme am Verbundsystem. So kooperieren alle Ebenen und die Teilsysteme übernehmen Funktionen und Aufgaben heutiger zentraler Strukturen. Diese Organisationsstruktur nennen wir in C/sells zelluläre Organisation. Zellen besitzen dabei folgende Funktionen:
- Sie übernehmen die Verantwortung für das Management von zum eigenen Bedarf benötigter Energie und Flexibilität.
- Energie und Flexibilität wird ebenso extern am Energiemarkt sowie zur Unterstützung der Netze und des Gesamtsystems bereitgestellt.
- Dabei können neben dem vorrangigen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch innerhalb der Zelle auch regionale Energieprodukte zwischen den Zellen und zum Austausch zwischen Nachbarn angeboten werden.
- Im Notfall funktionieren Zellen im Inselnetzbetrieb und unterstützen beim Netzwiederaufbau.
- Die Möglichkeit zur Aggregation von Daten für übergelagerte Ebenen unterstützt die Ziele zum Datenschutz und zur Datensparsamkeit.
Abbildung: Bildunterschrift
Verweise
[Kießling, A., & Arndt, S. (2020)] SINTEG-Projekt C/sells / DKE/DIN GAK 111.0.5. Draft zu Public available specification (PAS) Terminologie „Zelluläres, intelligentes Energiesystem. Frankfurt, April 2020