Chancen der Energiepolitik

Öffentlicher Brief an einen Kritiker der Energiewende

Zielscheibe der Energiewende-Kritiker
Zielscheibe der Energiewende-Kritiker, Creative Commons CC0 https://pixabay.com/de

Öffentlicher Brief zu Mythen und Chancen einer nachhaltigen Energiepolitik

Sehr geehrter Herr Energiewende-Kritiker,

mit die­sem öffent­li­chen Brief soll ein Bei­trag zur auf­ge­wor­fe­nen Dis­kus­si­on um Mythen der Ener­gie­po­li­tik im Rah­men der Ener­gie­wen­de geleis­tet wer­den. Um den offe­nen Blick auf den hier abge­ge­be­nen kon­tro­ver­sen Bei­trag zu ermög­li­chen, möch­te ich zuerst beto­nen, dass zwar eini­ge im Rah­men ihrer Kolum­ne abge­ge­be­nen Aus­sa­gen in Fra­ge gestellt, aber gleich­zei­tig wich­ti­ge Denk­an­stö­ße für einen erwei­ter­ten Blick auf Ener­gie­po­li­tik auf­ge­nom­men werden.

Zu Beginn gebe ich das Bekennt­nis ab, im Leben auch Opfer ver­schie­de­ner Mythen gewe­sen zu sein. Dazu gehört als Ost­deut­scher der frü­he­re Glau­be an die Gesell­schafts­ord­nung, in der wir auf­wuch­sen. Doch wir muss­ten erken­nen, dass Zen­tra­lis­mus zu man­geln­der Ent­wick­lungs­fä­hig­keit, Starr­heit und letzt­end­lich zum Sys­tem­zu­sam­men­bruch führt. Ich wer­de dar­auf im Zusam­men­hang mit der Dis­kus­si­on um die Vor­tei­le eines dezen­tra­len Ener­gie­sys­tems zurück­kom­men. Zu den Mythen gehör­te auch der Glau­be an die Kern­ener­gie als bil­li­ge, sau­be­re und über­all ver­füg­ba­re Ener­gie­form. Die­ser Glau­be war der eigent­li­che Beweg­grund, war­um ich den Traum­be­ruf des Phy­si­kers wähl­te. Die Diplom­ar­beit ver­tei­dig­te ich im Juni 1986, zwei Mona­te nach der Kata­stro­phe von Tscher­no­byl, womit ein Umdenk­pro­zess begann. Letzt­end­lich ist es auch ein Mythos, dass die Mensch­heit zu den Ster­nen flie­gen muss. Aber wir neh­men uns die­ser Her­aus­for­de­rung an, weil uns das Unbe­kann­te reizt, die Suche nach dem Neu­en uns zum Men­schen macht und weil dies mög­li­cher­wei­se unser lang­fris­ti­ges Über­le­ben sichert. Hier stellt sich die Fra­ge, ob Mythen grund­sätz­lich mit einem behaup­te­ten Wahr­heits­ge­halt ver­bun­den sind, der bekämpft wer­den muss. Teil­wei­se hin­ter­las­sen ihre Arti­kel unter der Über­schrift „Mythen der Ener­gie­po­li­tik“ die­sen Ein­druck. Wir wis­sen nicht, ob der Weg zu den Ster­nen für die Mensch­heit erfolg­reich ist. Aber ich den­ke, einig kann man sich in der Sicht sein, dass ohne den Weg zu den Ster­nen, die zeit­li­che Dau­er der Exis­tenz der Mensch­heit begrenz­ter ist, als wenn wir uns im Welt­raum diver­si­fi­zie­ren, neue Res­sour­cen fin­den und neue Ent­wick­lungs­an­rei­ze erfah­ren. Außer­dem kön­nen Mythen anre­gend sein, um zu träu­men, neue Wege zu suchen und neue Erfah­run­gen zu machen. Wenn aber der Mythos zum Dog­ma wird, lau­ert die Gefahr der Erstar­rung. Bewe­gungs­lo­sig­keit behin­dert dann Ent­wick­lung und die­se Gefahr birgt sicher­lich auch Ener­gie­po­li­tik. Eine gute Lösung bedeu­tet nie, dass es zukünf­tig nicht neue Lösun­gen gibt. Es gilt Offen­heit zu bewah­ren. Bei allen nach­fol­gen­den Kri­tik­punk­ten bezüg­lich ihrer nega­ti­ven Beur­tei­lun­gen zur Solar- und Wind­ener­gie sowie dezen­tra­ler Ansät­ze beför­de­re ich gern ihre For­de­rung nach Offen­heit für zukünf­ti­ge tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen, um neue Chan­cen zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen nicht zu ver­bau­en und den Weg zu den Ster­nen zu bereiten.

Im Rah­men die­ser Sicht­wei­se wer­de ich mich nach­fol­gend mit eini­gen ihrer Aus­füh­run­gen aus­ein­an­der­set­zen, um dann aber auch Brü­cken für eine offe­ne­re Sicht­wei­se auf Ener­gie­sys­te­me der Zukunft zu bauen.

Dezen­tra­le Archi­tek­tur des Energiesystems

Nach­fol­gen­de Aus­füh­run­gen haben das Ziel, kri­ti­schen Sich­ten auf dezen­tra­le Ansät­ze für das Ener­gie­sys­tem der Zukunft alter­na­ti­ve Über­le­gun­gen gegen­über­zu­stel­len. Ihre Aus­füh­run­gen ver­brei­ten sie im Namen des Deut­schen Arbeit­ge­ber Ver­ban­des e.V., der sicher­lich nicht die Sicht der Mehr­heit deut­scher Arbeit­ge­ber­ver­bän­de sowie des Dach­ver­ban­des wider­spie­gelt. Bezüg­lich einer der­ar­ti­gen Ver­ei­ni­gung ist aber mit hoher Sicher­heit, davon aus­zu­ge­hen, dass die Erwei­te­rung wirt­schaft­li­cher Chan­cen im Inter­es­se einer sol­chen Orga­ni­sa­ti­on ist und inso­fern sich die Abwä­gung zwi­schen zen­tra­len und dezen­tra­len Ansät­zen der Wirt­schaft­lich­keit als Ziel­rich­tung wid­men sollte.

Unbe­strit­ten sind die Her­aus­for­de­run­gen bei der Gestal­tung des Ener­gie­sys­tems sehr viel­fäl­tig und kom­plex, was die Suche nach einem gemein­sa­men Vor­ge­hen in der Ener­gie­po­li­tik schwie­rig gestal­tet. Oft ver­feh­len die Dis­kus­sio­nen um Erneu­er­ba­re Ener­gien und die Dezen­tra­li­sie­rung des Ener­gie­sys­tems aber die wirk­li­che Stär­ke der Erneu­er­ba­ren. Bei genau­er Betrach­tung geht es oft nur um den Erhalt ver­gan­ge­ner Wert­schöp­fungs­pro­zes­se und es wer­den die Mög­lich­kei­ten neu­er und viel­fäl­tig erwei­ter­ter Wert­schöp­fung im Umfeld qua­si unbe­grenzt und über­all vor­han­de­ner Res­sour­cen über­se­hen. Der Sys­temum­bau bie­tet bei offe­ner Sicht­wei­se auf das gesell­schaft­li­che Gesamt­sys­tem höchs­te Chan­cen für neu­es öko­no­mi­sches Wachs­tum mit zusätz­li­chen Mög­lich­kei­ten für Unter­neh­men, Men­schen, Kom­mu­nen und Regio­nen sowie für die Stär­kung Deutsch­lands im inter­na­tio­na­len Kon­text. Die­se Chan­cen bewei­sen, dass Wachs­tum und Scho­nung des natür­li­chen Kapi­tals der Erde kein Gegen­satz sind.

Dabei gilt es natür­lich, das euro­päi­sche Ver­bund­sys­tem zu sichern, da es mit sei­nen aus­glei­chen­den Effek­ten dazu bei­trägt, die Ver­sor­gungs­si­cher­heit in Euro­pa auf einem sehr hohen Stand zu hal­ten. Aber ein Gesamt­sys­tem als Ver­bund viel­fäl­ti­ger dezen­tra­ler Sys­te­me schafft einer­seits Mög­lich­kei­ten der Selbst­ge­stal­tung in Kom­mu­nen und Regio­nen und erhöht Akzep­tanz durch sub­si­diä­res Han­deln, aber wird ander­seits dem auch von der EU-Kom­mis­si­on aus­ge­ge­be­nen Anspruch zur Ent­wick­lung eines wett­be­werb­li­che­ren Ener­gie­sys­tems gerecht.

Sub­si­dia­ri­tät und Ver­bun­den­heit füh­ren zum Vor­schlag eines Ener­gie­sys­tems mit regio­na­len Erzeugungs‑, Spei­che­rung- und Aus­gleich­me­cha­nis­men im Ver­bund von Strom, Gas (inklu­si­ve neu­er Was­ser­stoff­in­fra­struk­tu­ren), Wär­me und Mobi­li­täts­kon­zep­ten sowie der Abstim­mung zwi­schen regio­na­len Inter­es­sen, gesamt­staat­li­chen Anfor­de­run­gen und euro­päi­schen Ansprü­chen in umfas­sen­den Ver­bund­net­zen. Ein gemein­sa­mes Ener­gie­sys­tem in Euro­pa wird nur dann wei­ter­hin erfolg­reich sein, wenn es gelingt, die Viel­falt der wirt­schaft­li­chen Chan­cen zu ent­wi­ckeln, loka­les und regio­na­les Han­deln zuzu­las­sen sowie dabei den Rah­men zu schaf­fen, dass glo­ba­les Den­ken für alle Akteu­re inter­es­sant bleibt und zur Ver­bun­den­heit führt.

Die Trans­for­ma­ti­on des Ener­gie­sys­tems erfolgt auf die­ser Basis auch in bedeu­ten­den Maße von unten nach oben, wobei hier im för­de­ra­len Sys­tem Deutsch­lands die Land­krei­se und die Bun­des­län­der eine ent­schei­den­de Rol­le spie­len. Ein nur aus zen­tra­ler Sicht fest­ge­leg­tes, star­res Sys­tem führt zu kei­ner Akzep­tanz und ver­hin­dert Par­ti­zi­pa­ti­on brei­ter Inter­es­sen­grup­pen zu Guns­ten weni­ger Akteu­re. Die Chan­ce für neue Arbeits­plät­ze in Euro­pa sowie für neue Wert­schöp­fung in den Regio­nen besteht in der Vielfalt.

Es ist also im Kern die Fra­ge­stel­lung zu beant­wor­ten ist, wo die Ener­gie­wen­de statt­fin­det. Mit dem brei­ten Enga­ge­ment für die Ener­gie­wen­de und der damit ver­bun­de­nen hohen Zustim­mungs­ra­te bei der Bevöl­ke­rung hat Deutsch­land die ein­ma­li­ge Gele­gen­heit, welt­weit Impuls­ge­ber für den not­wen­di­gen Umbau des Ener­gie­sys­tems zu sein. Mit den wirt­schaft­li­chen Mög­lich­kei­ten einer hohen Betei­li­gung erhöht sich auch die Diver­si­fi­zie­rung der Ener­gie­an­ge­bo­te als Mit­tel der Ver­sor­gungs­si­cher­heit gegen­über zen­tra­len, angreif­ba­ren Systemen.

Zuneh­mend erken­nen die Kom­mu­nen die Chan­cen regio­na­ler Wert­schöp­fung und trei­ben die Pla­nung und den Umbau regio­na­ler Ener­gie­sys­te­me vor­an. Die Kom­mu­nen und Krei­se erlan­gen damit zuneh­mend auto­no­me Gestal­tungs­frei­heit im Pla­nungs­han­deln zurück. Dezen­tra­le Ener­gien akti­vie­ren neu­es Kapi­tal und beför­dern neu­es öko­no­mi­sches Wir­ken. Die­ses neue Wir­ken gestal­tet wie­der­um auf neue Wei­se das Zusam­men­le­ben in den Städ­ten und Regio­nen der Zukunft.

Quel­len des Energiesystems

Die unter dem Label des Deut­schen Arbeit­ge­ber Ver­ban­des her­aus­ge­ge­be­nen Arti­kel beschäf­ti­gen sich damit, soge­nann­te Mythen zur Ener­gie­po­li­tik zu offen­ba­ren. Dabei macht sich der Ein­druck breit, dass die Not­wen­dig­keit des Aus­baus Erneu­er­ba­rer Ener­gien bestrit­ten wird und am bis­he­ri­gen Ener­gie­sys­tem mit fos­si­len Ener­gie­trä­gern und Kern­ener­gie fest­ge­hal­ten wer­den soll. Beim Ver­such die dor­ti­gen Aus­füh­run­gen nach­zu­voll­zie­hen, fehlt mir das Ver­ständ­nis für die damit ver­bun­de­ne Ziel­stel­lung aus dem Blick­win­kel eines Arbeit­ge­ber­ver­ban­des. Mei­nen ursprüng­li­chen Beruf als Kern­phy­si­ker – spe­zia­li­siert in Kern­tech­nik und Kern­en­erge­tik — sowie als ehe­ma­li­ger Ent­wick­ler kern­phy­si­ka­li­scher Mess­tech­nik erwähn­te ich schon. Auf Basis die­ser Her­kunft kann ver­si­chert wer­den, dass der Bau und Betrieb von Kern­kraft­wer­ken sicher­lich weni­ger Arbeits­plät­ze bereit­stellt als Bau, War­tung und Ener­gie­dienst­leis­tun­gen rund um erneu­er­ba­re Ener­gie­an­la­gen mit glei­chem Ener­gie­out­put, die noch dazu in einem dezen­tra­len Sys­tem viel­fäl­tig errich­tet wer­den. Inzwi­schen stell­te das World Eco­no­mic Forum fest, dass der soge­nann­te „Umkipp­punkt“ bei Erneu­er­ba­ren Ener­gien bezüg­lich deren Wirt­schaft­lich­keit erreicht ist und der wei­te­re Aus­bau welt­weit als loh­nen­des Invest­ment erfolgt. Auch im Bereich der fos­si­len Ener­gie­wirt­schaft ist dies den Ver­ant­wort­li­chen bereits heu­te klar. Inso­fern haben soeben die gro­ßen Ener­gie­un­ter­neh­men der USA gemein­sam Prä­si­dent Trump auf­ge­ru­fen, nicht aus dem Pari­ser Kli­ma­ab­kom­men aus­zu­stei­gen, da sie selbst an den zukünf­ti­gen Chan­cen des neu­en Ener­gie­sys­tems betei­ligt sein wol­len. In Deutsch­land schaf­fen Unter­neh­men im Umfeld Erneu­er­ba­rer Ener­gien längst mehr Arbeits­plät­ze als die hoch auto­ma­ti­sier­ten Koh­le­för­der­stät­ten und Kohlekraftwerke.

Aus dem Blick­win­kel der Wirt­schaft­lich­keit und der Chan­cen neu­er Geschäfts­mo­del­le sowie der Mög­lich­kei­ten zur Schaf­fung neu­er Arbeits­plät­ze ist es also schwer nach­voll­zieh­bar, war­um ein Arbeit­ge­ber­ver­band das The­ma einer nach­hal­ti­ge­ren Ener­gie­wirt­schaft so gering­schätzt. Zu beach­ten ist schon, dass der Begriff Nach­hal­tig­keit teil­wei­se infla­tio­när ein­ge­setzt wird. Im Kern bezeich­net die­ses Wort das Hand­lungs­prin­zip zur Res­sour­cen-Nut­zung, bei dem die Bewah­rung der wesent­li­chen Eigen­schaf­ten, der Sta­bi­li­tät und der natür­li­chen Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit des jewei­li­gen Sys­tems im Vor­der­grund steht [Sei­te „Nach­hal­tig­keit“ (2017). In: Wiki­pe­dia]. Die Defi­ni­ti­on deu­tet dar­auf hin, dass Nach­hal­tig­keit eher Dyna­mik als Sta­tik beschreibt. Die Ent­wick­lung der Lebens­räu­me und damit der dar­in ein­ge­bet­te­ten Ener­gie­sys­te­me ist ein dyna­mi­scher Pro­zess der Ver­än­de­rung, der die Sys­tem­wand­lung beinhal­tet. Der Erhalt des Lebens erfor­dert aber auch eine gewis­se Sta­bi­li­tät des Sys­tems und sei­ner wesent­li­chen Eigen­schaf­ten. Zur Ent­wick­lung des Lebens wer­den die Sys­tem­res­sour­cen der jewei­li­gen Lebens­räu­me benö­tigt. Um die not­wen­di­ge Sta­bi­li­tät des Sys­tems zu sichern, ist zwin­gend des­sen Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit zu gewähr­leis­ten, die sich auf Grund­la­ge inter­ner Pro­zess­ge­schwin­dig­kei­ten aber auch auf Basis des Aus­tau­sches mit der exter­nen Sys­tem­um­ge­bung durch Zuflüs­se und Abflüs­se ergibt. Die­ses fra­gi­le Gleich­ge­wicht eines meta­sta­bi­len Sys­tems wur­de durch die über­mä­ßi­ge Nut­zung unse­rer fos­si­len Res­sour­cen sowie der natür­li­chen Ange­bo­te unse­rer Lebens­räu­me gestört. In die­sem kom­ple­xen Umfeld bewegt sich der Kern der Nach­hal­tig­keits­dis­kus­sio­nen. Die Fra­ge besteht dar­in, wie weit kann das Poten­ti­al der Ver­gan­gen­heit aus­ge­schöpft wer­den, um die Zukunft unter Erhalt der wesent­li­chen Sys­tem­ei­gen­schaf­ten und unter Aus­nut­zung der Sys­tem­re­ge­ne­ra­ti­on zu gestalten.

Der Begriff Nach­hal­tig­keit ist aber eben­so bei der Beur­tei­lung des Ein­sat­zes nuklea­rer Ener­gie­quel­len zu ver­wen­den. Zwar ist spalt­ba­res Mate­ri­al lang­fris­tig vor­han­den. Es fin­det bei sta­bi­lem Betrieb eines Kern­kraft­wer­kes auch kein Aus­stoß kli­ma­schäd­li­cher Gase statt. Das inak­zep­ta­ble Rest­ri­si­ko für eine radio­ak­ti­ve Kata­stro­phe und die Pro­ble­me zur Beherr­schung einer sta­bi­len Lage­rung von radio­ak­ti­ven Rest­stof­fen über Jahr­hun­dert­tau­sen­de wider­spre­chen aber den Nach­hal­tig­keits­prin­zi­pi­en zum Erhalt wesent­li­cher Eigen­schaf­ten und der natür­li­chen Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit des Sys­tems Erde. Hier stellt sich die Fra­ge, wie weit das zukünf­ti­ge Sys­tem belas­tet wird und damit vor­ab aus­ge­schöpft wer­den kann, um wich­ti­ge Sys­tem­ei­gen­schaf­ten auch in der Zukunft vorzufinden.

Inso­fern ist die Nut­zung fos­si­ler Ener­gie­trä­ger nicht per se in die Kate­go­rie nicht nach­hal­ti­ger Pro­zes­se ein­zu­ord­nen. Mensch­li­che Ener­gie­ge­win­nung basier­te lan­ge auf der Anwen­dung eige­ner Mus­kel­kraft oder der von Tie­ren, um Bewe­gungs­en­er­gie zu erhal­ten. Die Mus­kel­kraft beruht wie­der­um auf der in Pflan­zen und Tie­ren gespei­cher­ten che­mi­schen Ener­gie, die mit der Nah­rung auf­ge­nom­men wird. Die Ener­gie­ge­win­nung aus der Nah­rungs­ket­te ist dann solan­ge nach­hal­tig, wie nicht mehr Leben genom­men wird als neu ent­ste­hen kann.

Eben­so war die Gewin­nung von Wär­me für den mensch­li­chen Bedarf beim Hei­zen und Kochen unter Nut­zung orga­ni­scher, pflanz­li­cher Roh­stof­fe, bei­spiels­wei­se durch die Nut­zung von Holz, solan­ge nach­hal­tig, wie weni­ger Holz ver­braucht wur­de als zur glei­chen Zeit nach­wach­sen konn­te. Gleich­zei­tig bewirk­te die aus­ge­gli­che­ne Nut­zung zwi­schen Abbau und neu­em Wachs­tum, dass der Koh­len­di­oxid-Anteil in der Luft kon­stant blieb. Bei einer gerin­gen Bevöl­ke­rungs­zahl auf der Erde konn­te dies gewähr­leis­tet wer­den. Unter den Bedin­gun­gen des mas­si­ven Bevöl­ke­rungs­wachs­tums zeigt das heu­ti­ge Schwin­den von Wald­flä­chen in Ost­asi­en und in Süd­ame­ri­ka nun, dass die­se Form der Umwand­lung von Ener­gie­ar­ten nicht mehr nach­hal­tig ist. Heu­te nut­zen wir die Res­sour­cen schnel­ler als sie nach­wach­sen kön­nen und geben mehr Koh­len­di­oxid in die Atmo­sphä­re ab als neu gebun­den wird. Die Eigen­schaf­ten des Sys­tems Erde ändern sich damit mas­siv. Über­le­bens­fä­hi­ge Gesell­schaf­ten der Ver­gan­gen­heit bewahr­ten die Res­sour­cen ihrer Umwelt. Bei Raub­bau an den Res­sour­cen im Sin­ne nicht nach­hal­ti­ger Ver­wen­dung ver­schwand Schritt für Schritt die Lebens­grund­la­ge der ent­spre­chen­den Gesell­schaft und so ende­te die jewei­li­ge erfolg­rei­che Entwicklung.

Doch auch schon vor der Peri­ode der Indus­tria­li­sie­rung mit inten­si­ver Nut­zung fos­si­ler Ener­gie­trä­ger nutz­te die Mensch­heit Erneu­er­ba­re Ener­gien. Schif­fe fuh­ren mit Wind­kraft. Seit 2000 vor Chris­tus wird Was­ser­en­er­gie zum Antrieb mecha­ni­scher Ein­rich­tun­gen genutzt. In der Mehl­müh­le arbei­te­te der Mül­ler mit Wind­kraft. Schon 1500 vor Chris­tus haben die Ägyp­ter begon­nen, Son­nen­en­er­gie zu nut­zen. Zur Zeit des Pha­ra­os Ech­na­ton wur­den mit Son­nen­en­er­gie die Tore eines Tem­pels mor­gens geöff­net und abends geschlos­sen, indem Son­nen­kol­lek­to­ren Was­ser erwärm­ten und die mecha­ni­sche Ener­gie aus der Aus­deh­nung von Was­ser gewon­nen wur­de. Vor der ers­ten indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on bis in die Anfän­ge des 19. Jahr­hun­derts wur­de die zur Pro­duk­ti­on benö­tig­te Ener­gie vor­ran­gig durch Wind- und Was­ser­kraft gewon­nen. Schon 1790 erbrach­ten in Euro­pa eine hal­be Mil­li­on Klein­was­ser­rä­der eine Leis­tung von unge­fähr 1,65 Giga­watt Leistung.

Indus­tria­li­sie­rung und der steil stei­gen­de Bedarf an Ener­gie beför­der­ten auf Basis der damals leicht erschließ­ba­ren Quel­len Koh­le und Öl sowie der Ein­füh­rung der Nut­zung des Wech­sel­stroms zuerst das zen­tra­le Ener­gie­sys­tem. Die­se Ver­än­de­rung wäh­rend der ers­ten und zwei­ten indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on beschleu­nig­te die mensch­li­che Ent­wick­lung, redu­zier­te aber gleich­zei­tig die Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit der Ener­gie­wirt­schaft. Die Kohle‑, Gas- und Erd­öl­nut­zung mach­te über ein Jahr­hun­dert alle Über­le­gun­gen bezüg­lich neu­er Ener­gie­trä­ger über­flüs­sig. Der Ener­gie­hun­ger der Mensch­heit ab Mit­te des 20. Jahr­hun­derts kos­te­te das fos­si­le Ange­bot extrem aus. Zusätz­lich erober­te die Kern­ener­gie ab den 1950-er Jah­ren die Welt. Das Nach­den­ken über ande­re Wege erschien bis in die 1970-er Jah­re überflüssig.

Heu­te ver­än­dern die­se Wege aber ent­schei­dend die Sys­tem­ei­gen­schaf­ten der Erde, wobei noch dazu die­ses Ener­gie­sys­tem nicht für alle Men­schen bereit­steht. Zwi­schen eins und zwei Mil­li­ar­den Men­schen besit­zen kei­nen Zugriff auf Strom. Erneu­er­ba­re Ener­gien und Dezen­tra­li­tät setz­ten auch hier an, benö­tig­ten dabei aber eine län­ge­re Unter­stüt­zungs­pha­se. Aber gera­de nun, da sich Wirt­schaft­lich­keit ent­fal­tet und der Sys­tem­wan­del welt­weit bevor­steht, grei­fen die Aus­füh­run­gen zu Mythen der Ener­gie­po­li­tik unter dem Ban­ner eines Arbeit­ge­ber­ver­ban­des die Inter­es­sen der gest­ri­gen Ener­gie­wirt­schaft auf und ver­ges­sen die Chan­cen des Systemwandels.

Effek­ti­vi­tät und Effizienz

Rich­tig ist, dass die deut­sche Ener­gie­po­li­tik zu lan­ge von der Kon­zen­tra­ti­on auf den Umbau des Strom­sys­tems geprägt war. Wär­me macht rund 50 Pro­zent am End­ener­gie­ver­brauch aus. Wei­te­re 28 Pro­zent des gesam­ten End­ener­gie­be­dar­fes wer­den im Ver­kehrs­sek­tor ein­ge­setzt. Zusätz­lich ent­ste­hen auf­grund der hohen Schwan­kungs­brei­te des Ange­bo­tes an Erneu­er­ba­rer Ener­gie mit den Quel­len Wind und Son­ne hohe Bedar­fe an Spei­cher­ka­pa­zi­tä­ten. Um unter die­sen Bedin­gun­gen den Umbau zum erneu­er­ba­ren Ener­gie­sys­tem in weni­gen Jahr­zehn­ten zu voll­zie­hen, erge­ben sich die resul­tie­ren­den gesell­schaft­li­chen Zie­le zur Erhö­hung der Energieeffizienz.

Die Erfah­run­gen der Ver­gan­gen­heit zei­gen uns, dass Wachs­tum immer mit der Stei­ge­rung des Ener­gie­ver­brau­ches ver­bun­den war. Heu­te zei­gen sich ers­te Indi­zi­en, dass Wachs­tum auch mit weni­ger Res­sour­cen­ein­satz erzielt wer­den kann. Trotz­dem las­sen sich auf­grund der beschleu­nig­ten Ent­wick­lung neu­er Tech­no­lo­gien nur sehr schwer Zukunfts­pro­gno­sen abge­ben. Neue Tech­no­lo­gien wie Nano- und Bio­tech­no­lo­gien, neue Mate­ria­li­en, 3D-Druck, usw. gene­rie­ren Wachs­tum ohne Stei­ge­rung des Ener­gie­ver­brau­ches. Nicht aus­zu­schlie­ßen sind Tech­no­lo­gien mit deut­lich höhe­ren Ener­gie­ein­satz. Aber gera­de im Hin­blick auf die Unsi­cher­heit der Pro­gnos­ti­zie­rung des zukünf­ti­gen Ener­gie­be­dar­fes soll­te im Umfeld eines noch nicht voll­stän­dig nach­hal­ti­gen Ener­gie­sys­tems der Ener­gie­ef­fi­zi­enz­stei­ge­rung hohe Auf­merk­sam­keit gewid­met wer­den. Aus Sicht eines Arbeit­ge­ber­ver­ban­des ist dabei in Betracht zu zie­hen, das Fort­schrit­te bei ener­gie­ef­fi­zi­en­ten Tech­no­lo­gien neue Chan­cen für Unter­neh­men generieren.

Mit die­ser Dar­stel­lung ist zu erken­nen, dass die Ver­bin­dung von Erneu­er­ba­ren Ener­gien zur Gestal­tung nach­hal­ti­ger Ener­gie­kreis­läu­fe und Ener­gie­ef­fi­zi­enz nicht immer zwin­gend ist, da even­tu­ell ein höhe­rer Durch­satz von Ener­gie in Kreis­läu­fen auf nach­hal­ti­ge Wei­se erzielt wer­den kann und damit Effi­zi­enz kei­ne Rol­le spielt. Unter Betrach­tung der glo­ba­len Her­aus­for­de­rung, den Weg der fos­si­len Ener­gie­ge­win­nung in die­sem Jahr­hun­dert zu ver­las­sen, den wach­sen­den Ener­gie­hun­ger einer sich ver­grö­ßern­den Mensch­heit im Pro­zess der Urba­ni­sie­rung und Moder­ni­sie­rung zu befrie­di­gen und gleich­zei­tig die Kon­ver­si­on des Ener­gie­sys­tems zu Erneu­er­ba­ren Ener­gien erfolg­reich zu gestal­ten, wird aber schnell klar, dass die deut­li­che Erhö­hung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz ein unver­zicht­ba­res Begleit­mit­tel im glo­ba­len Maß­stab der Sys­tem­ent­wick­lung bleibt.

Bei loka­ler oder regio­na­ler Betrach­tung geschlos­se­ner Ener­gie­kreis­läu­fe, die teil­wei­se schon in naher Zukunft auf 100 Pro­zent Erneu­er­ba­ren Ener­gien basie­ren kön­nen, erge­ben sich aber auch ande­re Aspek­te. Gebäu­de, Gebäu­de­kom­ple­xe oder Städ­te ent­wi­ckeln sich zu loka­len Lebens­räu­men mit Über­schüs­sen an Erneu­er­ba­ren Ener­gien zu bestimm­ten Zei­ten, die über Ener­gie­an­ge­bo­te in Bezie­hung zu ihrer Umwelt tre­ten kön­nen. Die­se Bezie­hun­gen eröff­nen neue Geschäfts­mög­lich­kei­ten für Unter­neh­men. Inso­fern ist mög­lich­wei­se zusätz­lich zur Beur­tei­lung von Effi­zi­enz die Bewer­tung der Effek­ti­vi­tät für die gesam­te Volks­wirt­schaft noch viel wichtiger.

Effek­ti­vi­tät ist die Wirk­sam­keit im Sin­ne der Errei­chung ange­streb­ter Zie­le als Ver­hält­nis von Wir­kun­gen (Out­co­me) bezo­gen auf die Zie­le, wobei die Leis­tun­gen (Out­put) eines Sys­tems die Wir­kung bestim­men. Effek­ti­vi­tät bestimmt die Genau­ig­keit und Voll­stän­dig­keit, mit der Benut­zer ein Ziel errei­chen. Der Grad der Effek­ti­vi­tät beant­wor­tet die Fra­ge, ob die rich­ti­gen Din­ge bezo­gen auf das Ziel getan wer­den [Online Ver­wal­tungs­le­xi­kon (2016)]. Die gesell­schaft­li­chen Zie­le beim Umbau des Ener­gie­sys­tems sind Umwelt­ver­träg­lich­keit, Wirt­schaft­lich­keit, Ver­sor­gungs­si­cher­heit und brei­te Par­ti­zi­pa­ti­on an der Wert­schöp­fung. Die Effek­ti­vi­tät der Ener­gie­ver­tei­lung bewer­tet damit das Ver­hält­nis der quan­ti­ta­ti­ven Ver­än­de­run­gen die­ser vier Para­me­ter (Wir­kun­gen) bezo­gen auf die Ziel­stel­lun­gen. Dezen­tra­le Ener­gien bie­ten die Chan­ce, Wert­schöp­fungs­po­ten­tia­le für Kom­mu­nen, Regio­nen, Bür­ger und neue Unter­neh­men und damit gesamt­ge­sell­schaft­li­che Wohl­fahrts­po­ten­tia­le zu heben [Pro­g­nos (2016)]. Das Heben die­ser Poten­tia­le durch Par­ti­zi­pa­ti­on am dezen­tra­len Ener­gie­sys­tem gegen­über der zen­tra­len Erzeu­gung mit einem ver­bun­de­nen Sys­tem aus Sub­sys­te­men (Ener­gie­zel­len) mit indi­vi­du­el­ler Ver­ant­wort­lich­keit und auto­no­men Ent­schei­dun­gen ist damit ein Bewer­tungs­kri­te­ri­um für Effektivität.

Der Bewer­tung der gesell­schaft­li­chen Wir­kung folgt nun mit der Effi­zi­enz die Bewer­tung der Leis­tung. Effi­zi­enz ist das Ver­hält­nis von Leis­tun­gen (Out­put) zu Aufwänden/Ressourcen und/oder ande­ren Nachteilen/Opfern (Input) mit dem Benut­zer ein bestimm­tes Ziel errei­chen. Es geht also um Mit­tel und Wege zur Errei­chung der Wir­kun­gen. Der Grad der Effi­zi­enz im Unter­schied zur Effek­ti­vi­tät beant­wor­tet die Fra­ge, ob die Din­ge rich­tig getan wer­den. Dabei gilt, Effi­zi­enz ist wich­tig, aber die fal­schen Din­ge effi­zi­ent zu tun bleibt Ver­schwen­dung. Pri­mär sind die Zie­le und Zwe­cke sowie der Grad der Errei­chung (Effek­ti­vi­tät) und in der Fol­ge die Mit­tel und Wege sowie ihr Ein­satz (Effi­zi­enz) zu bewer­ten [Online Ver­wal­tungs­le­xi­kon (2016)].

Auf Basis der effek­ti­ven Gestal­tung des Ener­gie­sys­tems — dezen­tra­ler Ansatz mit Regeln zur Ver­bun­den­heit — sind effi­zi­en­te Sys­te­me zu gestal­ten, um Ener­gie­kos­ten zu sen­ken und Nach­hal­tig­keits­zie­le zu errei­chen. Die poli­ti­schen Effi­zi­enz­zie­le zum Ener­gie­ein­satz kön­nen nur in kom­bi­nier­ter Betrach­tung aller End­ener­gien erreicht wer­den. Der Ver­brauch an End­ener­gie bezüg­lich Elek­tri­zi­tät und Wär­me fin­det bis zu 50 % in den Gebäu­den statt. Die Erschlie­ßung von Effi­zi­enz­po­ten­tia­len in den Berei­chen Elek­tri­zi­tät, Wär­me und Kühlung/Belüftung erfor­dert ein inte­grier­tes und auto­ma­ti­sier­tes Ener­gie­ma­nage­ment. Dafür wer­den viel­fäl­ti­ge Diens­te im Umfeld von Ver­brauchs- und Erzeu­gungs­pro­gno­sen, Betriebs­fahr­plä­ne sowie auch Wet­ter­vor­her­sa­gen benö­tigt, was wie­der­um Chan­cen für unter­neh­me­ri­sches Han­deln bietet.

Zukunfts­blick

Mit Recht kann eine teil­wei­se über­zo­ge­ne Tech­no­lo­gie­kri­tik in Deutsch­land kri­ti­siert wer­den. Damit ist hier aber nicht die Kri­tik an der Nut­zung der Kern­ener­gie gemeint. So ver­lo­ckend die­se Tech­no­lo­gie in den 50-er Jah­ren erschien und mich per­sön­lich auch zum Stu­di­um der Kern­phy­sik beweg­te, so not­wen­dig ist heu­te der Ver­zicht auf deren Nut­zung. Von Anhän­gern die­ser Ener­gie­quel­le wird oft behaup­tet, dass Kern­ener­gie in gerin­ge­rem Maße als Erneu­er­ba­re Ener­gie finan­zi­ell zum Wachs­tum geför­dert wer­den muss­te. Stu­di­en mit ande­ren Ergeb­nis­sen wer­den hand­werk­li­che Feh­ler unter­stellt. Dabei wird in der Regel voll­stän­dig unter­schla­gen, dass hohe Posi­tio­nen zukünf­ti­ger Kos­ten sowie der Risi­ken von der Gesell­schaft getra­gen wer­den, ohne in Ver­gleichs­rech­nun­gen ein­zu­ge­hen. Kern­kraft­werks­be­trei­ber sind in Euro­pa mit maxi­mal 1 Mil­li­ar­de Euro gegen den Super-Gau ver­si­chert, den wir in Tscher­no­byl und Fuku­shi­ma erleb­ten. Die gesell­schaft­li­chen Kos­ten nach einem der­ar­ti­gen Unfall in Euro­pa wer­den in der Grö­ßen­ord­nung von über 100 Mil­li­ar­den Euro geschätzt. Die End­la­ge­rung der Uran-Brenn­ele­men­te mit einer Lager­zeit, die die Zeit­dau­er der Ent­wick­lung der mensch­li­chen Zivi­li­sa­ti­on über­schrei­tet, ist immer noch unge­klärt. Die Kos­ten der End­la­ge­rung trägt die Gesell­schaft. Die geschätz­ten Kos­ten zum Rück­bau von über­al­ter­ten Kern­kraft­werks­blö­cken wer­den regel­mä­ßig nach oben kor­ri­giert und betra­gen inzwi­schen meh­re­re Mil­li­ar­den Euro pro Block. Ers­te Erfah­run­gen gibt es in Deutsch­land mit dem Rück­bau des Kraft­wer­kes in Greifs­wald. Auch in Frank­reich, wo sich meh­re­re über­al­ter­te Kraft­werks­blö­cke befin­den, macht man sich zuneh­mend Sor­gen bezüg­lich der exor­bi­tan­ten Kos­ten zukünf­tig not­wen­di­ger Rück­bau­ten. Wei­ter­hin wer­den zuneh­mend im Bereich der Kern­ener­gie neue Kraft­werks­bau­ten mit höhe­ren För­de­run­gen aus­ge­stat­tet. Unrühm­li­ches Bei­spiel ist der Bau des Kern­kraft­wer­kes Hin­k­ley Point in Eng­land, des­sen Kos­ten aus dem Ruder lau­fen. Dabei wer­den dem Kraft­werks­be­trei­ber mas­si­ve staat­li­che För­de­run­gen zuge­si­chert, z. B. Kre­dit­ga­ran­tien in Höhe von mehr als 20 Mil­li­ar­den Euro zur Absi­che­rung der Bau­kos­ten. Wei­ter­hin wird ein mit elf Cent pro Kilo­watt­stun­de (kWh) ver­gleichs­wei­se hoher Abnah­me­preis für den in Hin­k­ley Point C pro­du­zier­ten Atom­strom garan­tiert — dies über 35 Jah­re, plus Infla­ti­ons­aus­gleich. Kon­ser­va­tiv hoch­ge­rech­net mit einer Infla­ti­ons­ra­te von zwei Pro­zent macht das eine Ver­gü­tung von 22 Cent pro kWh im letz­ten För­der­jahr. Eine gro­ße Pho­to­vol­ta­ik-Anla­ge erhält in Deutsch­land über das Erneu­er­ba­re-Ener­gien-Gesetz im Jah­re 2016 eine Ver­gü­tung von rund acht Cent pro kWh – 20 Jah­re lang, ohne Infla­ti­ons­aus­gleich [Wolk, Con­stan­ze (2016)]. Von der auch seit Jahr­zehn­ten anhal­ten­den För­de­rung der Arbeits­plät­ze beim Abbau der Stein­koh­le im Ruhr­ge­biet soll hier gar nicht gespro­chen wer­den. Die­se Kos­ten erschei­nen aber im Gegen­satz zur EEG-Umla­ge auf kei­ner Strom­rech­nung. Die Dis­kus­si­on um die För­de­rung der erneu­er­ba­ren Ener­gien besitzt also eine völ­li­ge Schief­la­ge zuguns­ten fos­si­ler Ener­gien und der Kernenergie.

War­um fällt es uns eigent­lich so schwer, unse­ren Blick als Hoch­tech­no­lo­gie­land auf die Chan­cen neu­er Tech­no­lo­gien zu richten?

Sicher­lich sind erneu­er­ba­re Ener­gie­tech­no­lo­gien nicht auto­ma­tisch in jeder Hin­sicht nach­hal­tig. Bei­spiels­wei­se wer­den für Solar­an­la­gen und Bat­te­rien wert­vol­le und sel­te­ne Roh­stof­fe ein­ge­setzt. Nach­dem För­de­rung und Wachs­tum der Solar­tech­nik bald auf zwan­zig Jah­re Erfolgs­ge­schich­te zurück­bli­cken kann, ist das Recy­cling alter Anla­gen immer noch eine Her­aus­for­de­rung. Der Anblick klas­si­scher Solar­mo­du­le auf den Dächern und die Wind­an­la­gen in den Land­schaf­ten erfreu­en eben­so nicht das Herz jedes Archi­tek­ten und Land­schafts­ge­stal­ters. Unab­hän­gig von der Tat­sa­che, wie ver­letzt Land­schaf­ten in den Koh­le- und Erd­öl­ge­bie­ten sind oder wie gro­ße kon­ven­tio­nel­le Kraft­werks­blö­cke in der Land­schaft wir­ken, steht die Fra­ge, ob wir wei­ter nur Kri­tik an neu­en Tech­no­lo­gien üben wol­len oder Anstren­gun­gen unter­neh­men, um bes­se­re Lösun­gen zu fin­den. Elon Musk – der Grün­der von Tes­la und Sol­ar­Ci­ty – hat sich die­ser Her­aus­for­de­rung ange­nom­men und Dach­zie­gel geschaf­fen, die wie die natür­li­che Dach­be­de­ckung aus­se­hen, aber als Solar­an­la­ge wir­ken. Zukünf­tig wer­den auch Häu­ser­wän­de und Fens­ter Solar­ener­gie umwandeln.

Es ist auch rich­tig, dass wir inzwi­schen wie­der­um auf bestimm­te Lösun­gen fokus­siert sind. Wir beschäf­ti­gen uns inten­siv mit Wind­ener­gie, Solar­ener­gie, Bio­en­er­gie, Geo­ther­mie und Was­ser­en­er­gie sowie for­schen auch an der hei­ßen Kern­fu­si­on. Unse­re Umwelt bie­tet aber wei­te­re Ener­gie­quel­len, die wir aktu­ell über­se­hen und denen sich nur weni­ge Men­schen wid­men. Phy­si­ker ken­nen hier viel­fäl­ti­ge Ansät­ze, auf die hier nicht ein­ge­gan­gen wer­den soll. Wich­tig ist nur, dass wir uns den Blick auf neue Chan­cen erhal­ten und neue Tech­no­lo­gien nicht zu schnell in das Reich der Mythen ein­ord­nen, weil die Ver­tre­ter eta­blier­ter Tech­no­lo­gien um ihre Pfrün­de bangen.

Gemein­sa­me Anstren­gun­gen für die Zukunft und ein offe­ner Blick nüt­zen der Gesell­schaft in ihrer Viel­falt und ins­be­son­de­re den Unter­neh­men beim Ergrei­fen neu­er Wert­schöp­fungs­chan­cen und der Schaf­fung neu­er Arbeits­plät­ze mehr, als das Ver­tei­di­gen alter Stel­lun­gen. Im letz­te­ren Fall mag man natio­nal even­tu­ell sieg­reich sein, aber inter­na­tio­nal den Anschluss ver­lie­ren, womit die Mar­ke „Made in Ger­ma­ny“ gefähr­det wäre.

Also machen wir uns doch zu den Ster­nen auf, um noch ein­mal das Ein­gangs­the­ma auf­zu­neh­men. Auch dazu benö­ti­gen wir neue Ener­gie­quel­len, denn mit Koh­le oder irgend­ei­ner ande­ren Art von che­mi­scher Ener­gie wer­den wir die Raum­schif­fe sicher­lich nicht antrei­ben. Selbst Kern­ener­gie wird uns nicht hel­fen, die nächs­ten Ster­ne in über­schau­ba­rer Zeit zu erreichen.

 

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Literatur

Online Ver­wal­tungs­le­xi­kon (2016) Effek­ti­vi­tät, Effi­zi­enz. http://www.olev.de/e/effekt.htm (Abge­ru­fen: 15.11.2016)

Pro­g­nos (2016). Dezen­tra­li­tät und zel­lu­la­re Opti­mie­rung – Aus­wir­kun­gen auf den Netz­aus­bau­be­darf. Stu­die im Auf­trag der N‑ERGIE Akti­en­ge­sell­schaft. Pro­g­nos, Ener­gie Cam­pus Nürn­berg, Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg. Ber­lin und Nürn­berg. 07.10.2016

Sei­te „Nach­hal­tig­keit“ (2017). In: Wiki­pe­dia, Die freie Enzy­klo­pä­die. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nachhaltigkeit&oldid=129064313 (Abge­ru­fen: 08.05.2017)

Wolk, Con­stan­ze (2016). Hin­ter­grund: Hin­k­ley Point C. Ener­gie­wen­de-Maga­zin. Schön­au. Aus­ga­be 20.06.2016. https://www.ews-schoenau.de/energiewende-magazin/zur-sache/hintergruende-zu-hinkley-point‑c/ (Abge­ru­fen: 09.05.2017)

Kem­fert, Clau­dia. (2013): Kampf um Strom — Mythen, Macht und Mono­po­le. Rowohlt Ver­lag GmbH. 01/2013, 7. Auf­la­ge. ISBN-13: 978–3867742573

Lovins, Amo­ry B. (1978): Sanf­te Ener­gie. Das Pro­gramm für die ener­gie- und indus­trie­po­li­ti­sche Umrüs­tung unse­rer Gesell­schaft. Rowohlt Ver­lag GmbH. 10/1978. ISBN-13: 978–3498038199

Über Andreas Kießling 105 Artikel
Andreas Kießling hat in Dresden Physik studiert und lebt im Raum Heidelberg. Er beteiligt sich als Freiberufler und Autor an der Gestaltung nachhaltiger Lebensräume und zugehöriger Energiekreisläufe. Dies betrifft Themen zu erneuerbaren und dezentral organisierten Energien. Veröffentlichungen als auch die Aktivitäten zur Beratung, zum Projektmanagement und zur Lehre dienen der Gestaltung von Energietechnologie, Energiepolitik und Energieökonomie mit regionalen und lokalen Chancen der Raumentwicklung in einer globalisierten Welt.

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