Zielscheibe der Energiewende-Kritiker

Chancen der Energiepolitik

Öffentlicher Brief zu Mythen und Chancen einer nachhaltigen Energiepolitik

Sehr geehrter Herr Energiewende-Kritiker,

mit die­sem öffent­li­chen Brief soll ein Bei­trag zur auf­ge­wor­fe­nen Dis­kus­si­on um Mythen der Ener­gie­po­li­tik im Rah­men der Ener­gie­wen­de geleis­tet wer­den. Um den offe­nen Blick auf den hier abge­ge­be­nen kon­tro­ver­sen Bei­trag zu ermög­li­chen, möch­te ich zuerst beto­nen, dass zwar eini­ge im Rah­men ihrer Kolum­ne abge­ge­be­nen Aus­sa­gen in Fra­ge gestellt, aber gleich­zei­tig wich­ti­ge Denk­an­stö­ße für einen erwei­ter­ten Blick auf Ener­gie­po­li­tik auf­ge­nom­men werden.

Zu Beginn gebe ich das Bekennt­nis ab, im Leben auch Opfer ver­schie­de­ner Mythen gewe­sen zu sein. Dazu gehört als Ost­deut­scher der frü­he­re Glau­be an die Gesell­schafts­ord­nung, in der wir auf­wuch­sen. Doch wir muss­ten erken­nen, dass Zen­tra­lis­mus zu man­geln­der Ent­wick­lungs­fä­hig­keit, Starr­heit und letzt­end­lich zum Sys­tem­zu­sam­men­bruch führt. Ich wer­de dar­auf im Zusam­men­hang mit der Dis­kus­si­on um die Vor­tei­le eines dezen­tra­len Ener­gie­sys­tems zurück­kom­men. Zu den Mythen gehör­te auch der Glau­be an die Kern­ener­gie als bil­li­ge, sau­be­re und über­all ver­füg­ba­re Ener­gie­form. Die­ser Glau­be war der eigent­li­che Beweg­grund, war­um ich den Traum­be­ruf des Phy­si­kers wähl­te. Die Diplom­ar­beit ver­tei­dig­te ich im Juni 1986, zwei Mona­te nach der Kata­stro­phe von Tscher­no­byl, womit ein Umdenk­pro­zess begann. Letzt­end­lich ist es auch ein Mythos, dass die Mensch­heit zu den Ster­nen flie­gen muss. Aber wir neh­men uns die­ser Her­aus­for­de­rung an, weil uns das Unbe­kann­te reizt, die Suche nach dem Neu­en uns zum Men­schen macht und weil dies mög­li­cher­wei­se unser lang­fris­ti­ges Über­le­ben sichert. Hier stellt sich die Fra­ge, ob Mythen grund­sätz­lich mit einem behaup­te­ten Wahr­heits­ge­halt ver­bun­den sind, der bekämpft wer­den muss. Teil­wei­se hin­ter­las­sen ihre Arti­kel unter der Über­schrift „Mythen der Ener­gie­po­li­tik“ die­sen Ein­druck. Wir wis­sen nicht, ob der Weg zu den Ster­nen für die Mensch­heit erfolg­reich ist. Aber ich den­ke, einig kann man sich in der Sicht sein, dass ohne den Weg zu den Ster­nen, die zeit­li­che Dau­er der Exis­tenz der Mensch­heit begrenz­ter ist, als wenn wir uns im Welt­raum diver­si­fi­zie­ren, neue Res­sour­cen fin­den und neue Ent­wick­lungs­an­rei­ze erfah­ren. Außer­dem kön­nen Mythen anre­gend sein, um zu träu­men, neue Wege zu suchen und neue Erfah­run­gen zu machen. Wenn aber der Mythos zum Dog­ma wird, lau­ert die Gefahr der Erstar­rung. Bewe­gungs­lo­sig­keit behin­dert dann Ent­wick­lung und die­se Gefahr birgt sicher­lich auch Ener­gie­po­li­tik. Eine gute Lösung bedeu­tet nie, dass es zukünf­tig nicht neue Lösun­gen gibt. Es gilt Offen­heit zu bewah­ren. Bei allen nach­fol­gen­den Kri­tik­punk­ten bezüg­lich ihrer nega­ti­ven Beur­tei­lun­gen zur Solar- und Wind­ener­gie sowie dezen­tra­ler Ansät­ze beför­de­re ich gern ihre For­de­rung nach Offen­heit für zukünf­ti­ge tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lun­gen, um neue Chan­cen zukünf­ti­gen Gene­ra­tio­nen nicht zu ver­bau­en und den Weg zu den Ster­nen zu bereiten.

Im Rah­men die­ser Sicht­wei­se wer­de ich mich nach­fol­gend mit eini­gen ihrer Aus­füh­run­gen aus­ein­an­der­set­zen, um dann aber auch Brü­cken für eine offe­ne­re Sicht­wei­se auf Ener­gie­sys­te­me der Zukunft zu bauen.

Dezen­tra­le Archi­tek­tur des Energiesystems

Nach­fol­gen­de Aus­füh­run­gen haben das Ziel, kri­ti­schen Sich­ten auf dezen­tra­le Ansät­ze für das Ener­gie­sys­tem der Zukunft alter­na­ti­ve Über­le­gun­gen gegen­über­zu­stel­len. Ihre Aus­füh­run­gen ver­brei­ten sie im Namen des Deut­schen Arbeit­ge­ber Ver­ban­des e.V., der sicher­lich nicht die Sicht der Mehr­heit deut­scher Arbeit­ge­ber­ver­bän­de sowie des Dach­ver­ban­des wider­spie­gelt. Bezüg­lich einer der­ar­ti­gen Ver­ei­ni­gung ist aber mit hoher Sicher­heit, davon aus­zu­ge­hen, dass die Erwei­te­rung wirt­schaft­li­cher Chan­cen im Inter­es­se einer sol­chen Orga­ni­sa­ti­on ist und inso­fern sich die Abwä­gung zwi­schen zen­tra­len und dezen­tra­len Ansät­zen der Wirt­schaft­lich­keit als Ziel­rich­tung wid­men sollte.

Unbe­strit­ten sind die Her­aus­for­de­run­gen bei der Gestal­tung des Ener­gie­sys­tems sehr viel­fäl­tig und kom­plex, was die Suche nach einem gemein­sa­men Vor­ge­hen in der Ener­gie­po­li­tik schwie­rig gestal­tet. Oft ver­feh­len die Dis­kus­sio­nen um Erneu­er­ba­re Ener­gien und die Dezen­tra­li­sie­rung des Ener­gie­sys­tems aber die wirk­li­che Stär­ke der Erneu­er­ba­ren. Bei genau­er Betrach­tung geht es oft nur um den Erhalt ver­gan­ge­ner Wert­schöp­fungs­pro­zes­se und es wer­den die Mög­lich­kei­ten neu­er und viel­fäl­tig erwei­ter­ter Wert­schöp­fung im Umfeld qua­si unbe­grenzt und über­all vor­han­de­ner Res­sour­cen über­se­hen. Der Sys­temum­bau bie­tet bei offe­ner Sicht­wei­se auf das gesell­schaft­li­che Gesamt­sys­tem höchs­te Chan­cen für neu­es öko­no­mi­sches Wachs­tum mit zusätz­li­chen Mög­lich­kei­ten für Unter­neh­men, Men­schen, Kom­mu­nen und Regio­nen sowie für die Stär­kung Deutsch­lands im inter­na­tio­na­len Kon­text. Die­se Chan­cen bewei­sen, dass Wachs­tum und Scho­nung des natür­li­chen Kapi­tals der Erde kein Gegen­satz sind.

Dabei gilt es natür­lich, das euro­päi­sche Ver­bund­sys­tem zu sichern, da es mit sei­nen aus­glei­chen­den Effek­ten dazu bei­trägt, die Ver­sor­gungs­si­cher­heit in Euro­pa auf einem sehr hohen Stand zu hal­ten. Aber ein Gesamt­sys­tem als Ver­bund viel­fäl­ti­ger dezen­tra­ler Sys­te­me schafft einer­seits Mög­lich­kei­ten der Selbst­ge­stal­tung in Kom­mu­nen und Regio­nen und erhöht Akzep­tanz durch sub­si­diä­res Han­deln, aber wird ander­seits dem auch von der EU-Kom­mis­si­on aus­ge­ge­be­nen Anspruch zur Ent­wick­lung eines wett­be­werb­li­che­ren Ener­gie­sys­tems gerecht.

Sub­si­dia­ri­tät und Ver­bun­den­heit füh­ren zum Vor­schlag eines Ener­gie­sys­tems mit regio­na­len Erzeugungs‑, Spei­che­rung- und Aus­gleich­me­cha­nis­men im Ver­bund von Strom, Gas (inklu­si­ve neu­er Was­ser­stoff­in­fra­struk­tu­ren), Wär­me und Mobi­li­täts­kon­zep­ten sowie der Abstim­mung zwi­schen regio­na­len Inter­es­sen, gesamt­staat­li­chen Anfor­de­run­gen und euro­päi­schen Ansprü­chen in umfas­sen­den Ver­bund­net­zen. Ein gemein­sa­mes Ener­gie­sys­tem in Euro­pa wird nur dann wei­ter­hin erfolg­reich sein, wenn es gelingt, die Viel­falt der wirt­schaft­li­chen Chan­cen zu ent­wi­ckeln, loka­les und regio­na­les Han­deln zuzu­las­sen sowie dabei den Rah­men zu schaf­fen, dass glo­ba­les Den­ken für alle Akteu­re inter­es­sant bleibt und zur Ver­bun­den­heit führt.

Die Trans­for­ma­ti­on des Ener­gie­sys­tems erfolgt auf die­ser Basis auch in bedeu­ten­den Maße von unten nach oben, wobei hier im för­de­ra­len Sys­tem Deutsch­lands die Land­krei­se und die Bun­des­län­der eine ent­schei­den­de Rol­le spie­len. Ein nur aus zen­tra­ler Sicht fest­ge­leg­tes, star­res Sys­tem führt zu kei­ner Akzep­tanz und ver­hin­dert Par­ti­zi­pa­ti­on brei­ter Inter­es­sen­grup­pen zu Guns­ten weni­ger Akteu­re. Die Chan­ce für neue Arbeits­plät­ze in Euro­pa sowie für neue Wert­schöp­fung in den Regio­nen besteht in der Vielfalt.

Es ist also im Kern die Fra­ge­stel­lung zu beant­wor­ten ist, wo die Ener­gie­wen­de statt­fin­det. Mit dem brei­ten Enga­ge­ment für die Ener­gie­wen­de und der damit ver­bun­de­nen hohen Zustim­mungs­ra­te bei der Bevöl­ke­rung hat Deutsch­land die ein­ma­li­ge Gele­gen­heit, welt­weit Impuls­ge­ber für den not­wen­di­gen Umbau des Ener­gie­sys­tems zu sein. Mit den wirt­schaft­li­chen Mög­lich­kei­ten einer hohen Betei­li­gung erhöht sich auch die Diver­si­fi­zie­rung der Ener­gie­an­ge­bo­te als Mit­tel der Ver­sor­gungs­si­cher­heit gegen­über zen­tra­len, angreif­ba­ren Systemen.

Zuneh­mend erken­nen die Kom­mu­nen die Chan­cen regio­na­ler Wert­schöp­fung und trei­ben die Pla­nung und den Umbau regio­na­ler Ener­gie­sys­te­me vor­an. Die Kom­mu­nen und Krei­se erlan­gen damit zuneh­mend auto­no­me Gestal­tungs­frei­heit im Pla­nungs­han­deln zurück. Dezen­tra­le Ener­gien akti­vie­ren neu­es Kapi­tal und beför­dern neu­es öko­no­mi­sches Wir­ken. Die­ses neue Wir­ken gestal­tet wie­der­um auf neue Wei­se das Zusam­men­le­ben in den Städ­ten und Regio­nen der Zukunft.

Quel­len des Energiesystems

Die unter dem Label des Deut­schen Arbeit­ge­ber Ver­ban­des her­aus­ge­ge­be­nen Arti­kel beschäf­ti­gen sich damit, soge­nann­te Mythen zur Ener­gie­po­li­tik zu offen­ba­ren. Dabei macht sich der Ein­druck breit, dass die Not­wen­dig­keit des Aus­baus Erneu­er­ba­rer Ener­gien bestrit­ten wird und am bis­he­ri­gen Ener­gie­sys­tem mit fos­si­len Ener­gie­trä­gern und Kern­ener­gie fest­ge­hal­ten wer­den soll. Beim Ver­such die dor­ti­gen Aus­füh­run­gen nach­zu­voll­zie­hen, fehlt mir das Ver­ständ­nis für die damit ver­bun­de­ne Ziel­stel­lung aus dem Blick­win­kel eines Arbeit­ge­ber­ver­ban­des. Mei­nen ursprüng­li­chen Beruf als Kern­phy­si­ker – spe­zia­li­siert in Kern­tech­nik und Kern­en­erge­tik — sowie als ehe­ma­li­ger Ent­wick­ler kern­phy­si­ka­li­scher Mess­tech­nik erwähn­te ich schon. Auf Basis die­ser Her­kunft kann ver­si­chert wer­den, dass der Bau und Betrieb von Kern­kraft­wer­ken sicher­lich weni­ger Arbeits­plät­ze bereit­stellt als Bau, War­tung und Ener­gie­dienst­leis­tun­gen rund um erneu­er­ba­re Ener­gie­an­la­gen mit glei­chem Ener­gie­out­put, die noch dazu in einem dezen­tra­len Sys­tem viel­fäl­tig errich­tet wer­den. Inzwi­schen stell­te das World Eco­no­mic Forum fest, dass der soge­nann­te „Umkipp­punkt“ bei Erneu­er­ba­ren Ener­gien bezüg­lich deren Wirt­schaft­lich­keit erreicht ist und der wei­te­re Aus­bau welt­weit als loh­nen­des Invest­ment erfolgt. Auch im Bereich der fos­si­len Ener­gie­wirt­schaft ist dies den Ver­ant­wort­li­chen bereits heu­te klar. Inso­fern haben soeben die gro­ßen Ener­gie­un­ter­neh­men der USA gemein­sam Prä­si­dent Trump auf­ge­ru­fen, nicht aus dem Pari­ser Kli­ma­ab­kom­men aus­zu­stei­gen, da sie selbst an den zukünf­ti­gen Chan­cen des neu­en Ener­gie­sys­tems betei­ligt sein wol­len. In Deutsch­land schaf­fen Unter­neh­men im Umfeld Erneu­er­ba­rer Ener­gien längst mehr Arbeits­plät­ze als die hoch auto­ma­ti­sier­ten Koh­le­för­der­stät­ten und Kohlekraftwerke.

Aus dem Blick­win­kel der Wirt­schaft­lich­keit und der Chan­cen neu­er Geschäfts­mo­del­le sowie der Mög­lich­kei­ten zur Schaf­fung neu­er Arbeits­plät­ze ist es also schwer nach­voll­zieh­bar, war­um ein Arbeit­ge­ber­ver­band das The­ma einer nach­hal­ti­ge­ren Ener­gie­wirt­schaft so gering­schätzt. Zu beach­ten ist schon, dass der Begriff Nach­hal­tig­keit teil­wei­se infla­tio­när ein­ge­setzt wird. Im Kern bezeich­net die­ses Wort das Hand­lungs­prin­zip zur Res­sour­cen-Nut­zung, bei dem die Bewah­rung der wesent­li­chen Eigen­schaf­ten, der Sta­bi­li­tät und der natür­li­chen Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit des jewei­li­gen Sys­tems im Vor­der­grund steht [Sei­te „Nach­hal­tig­keit“ (2017). In: Wiki­pe­dia]. Die Defi­ni­ti­on deu­tet dar­auf hin, dass Nach­hal­tig­keit eher Dyna­mik als Sta­tik beschreibt. Die Ent­wick­lung der Lebens­räu­me und damit der dar­in ein­ge­bet­te­ten Ener­gie­sys­te­me ist ein dyna­mi­scher Pro­zess der Ver­än­de­rung, der die Sys­tem­wand­lung beinhal­tet. Der Erhalt des Lebens erfor­dert aber auch eine gewis­se Sta­bi­li­tät des Sys­tems und sei­ner wesent­li­chen Eigen­schaf­ten. Zur Ent­wick­lung des Lebens wer­den die Sys­tem­res­sour­cen der jewei­li­gen Lebens­räu­me benö­tigt. Um die not­wen­di­ge Sta­bi­li­tät des Sys­tems zu sichern, ist zwin­gend des­sen Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit zu gewähr­leis­ten, die sich auf Grund­la­ge inter­ner Pro­zess­ge­schwin­dig­kei­ten aber auch auf Basis des Aus­tau­sches mit der exter­nen Sys­tem­um­ge­bung durch Zuflüs­se und Abflüs­se ergibt. Die­ses fra­gi­le Gleich­ge­wicht eines meta­sta­bi­len Sys­tems wur­de durch die über­mä­ßi­ge Nut­zung unse­rer fos­si­len Res­sour­cen sowie der natür­li­chen Ange­bo­te unse­rer Lebens­räu­me gestört. In die­sem kom­ple­xen Umfeld bewegt sich der Kern der Nach­hal­tig­keits­dis­kus­sio­nen. Die Fra­ge besteht dar­in, wie weit kann das Poten­ti­al der Ver­gan­gen­heit aus­ge­schöpft wer­den, um die Zukunft unter Erhalt der wesent­li­chen Sys­tem­ei­gen­schaf­ten und unter Aus­nut­zung der Sys­tem­re­ge­ne­ra­ti­on zu gestalten.

Der Begriff Nach­hal­tig­keit ist aber eben­so bei der Beur­tei­lung des Ein­sat­zes nuklea­rer Ener­gie­quel­len zu ver­wen­den. Zwar ist spalt­ba­res Mate­ri­al lang­fris­tig vor­han­den. Es fin­det bei sta­bi­lem Betrieb eines Kern­kraft­wer­kes auch kein Aus­stoß kli­ma­schäd­li­cher Gase statt. Das inak­zep­ta­ble Rest­ri­si­ko für eine radio­ak­ti­ve Kata­stro­phe und die Pro­ble­me zur Beherr­schung einer sta­bi­len Lage­rung von radio­ak­ti­ven Rest­stof­fen über Jahr­hun­dert­tau­sen­de wider­spre­chen aber den Nach­hal­tig­keits­prin­zi­pi­en zum Erhalt wesent­li­cher Eigen­schaf­ten und der natür­li­chen Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit des Sys­tems Erde. Hier stellt sich die Fra­ge, wie weit das zukünf­ti­ge Sys­tem belas­tet wird und damit vor­ab aus­ge­schöpft wer­den kann, um wich­ti­ge Sys­tem­ei­gen­schaf­ten auch in der Zukunft vorzufinden.

Inso­fern ist die Nut­zung fos­si­ler Ener­gie­trä­ger nicht per se in die Kate­go­rie nicht nach­hal­ti­ger Pro­zes­se ein­zu­ord­nen. Mensch­li­che Ener­gie­ge­win­nung basier­te lan­ge auf der Anwen­dung eige­ner Mus­kel­kraft oder der von Tie­ren, um Bewe­gungs­en­er­gie zu erhal­ten. Die Mus­kel­kraft beruht wie­der­um auf der in Pflan­zen und Tie­ren gespei­cher­ten che­mi­schen Ener­gie, die mit der Nah­rung auf­ge­nom­men wird. Die Ener­gie­ge­win­nung aus der Nah­rungs­ket­te ist dann solan­ge nach­hal­tig, wie nicht mehr Leben genom­men wird als neu ent­ste­hen kann.

Eben­so war die Gewin­nung von Wär­me für den mensch­li­chen Bedarf beim Hei­zen und Kochen unter Nut­zung orga­ni­scher, pflanz­li­cher Roh­stof­fe, bei­spiels­wei­se durch die Nut­zung von Holz, solan­ge nach­hal­tig, wie weni­ger Holz ver­braucht wur­de als zur glei­chen Zeit nach­wach­sen konn­te. Gleich­zei­tig bewirk­te die aus­ge­gli­che­ne Nut­zung zwi­schen Abbau und neu­em Wachs­tum, dass der Koh­len­di­oxid-Anteil in der Luft kon­stant blieb. Bei einer gerin­gen Bevöl­ke­rungs­zahl auf der Erde konn­te dies gewähr­leis­tet wer­den. Unter den Bedin­gun­gen des mas­si­ven Bevöl­ke­rungs­wachs­tums zeigt das heu­ti­ge Schwin­den von Wald­flä­chen in Ost­asi­en und in Süd­ame­ri­ka nun, dass die­se Form der Umwand­lung von Ener­gie­ar­ten nicht mehr nach­hal­tig ist. Heu­te nut­zen wir die Res­sour­cen schnel­ler als sie nach­wach­sen kön­nen und geben mehr Koh­len­di­oxid in die Atmo­sphä­re ab als neu gebun­den wird. Die Eigen­schaf­ten des Sys­tems Erde ändern sich damit mas­siv. Über­le­bens­fä­hi­ge Gesell­schaf­ten der Ver­gan­gen­heit bewahr­ten die Res­sour­cen ihrer Umwelt. Bei Raub­bau an den Res­sour­cen im Sin­ne nicht nach­hal­ti­ger Ver­wen­dung ver­schwand Schritt für Schritt die Lebens­grund­la­ge der ent­spre­chen­den Gesell­schaft und so ende­te die jewei­li­ge erfolg­rei­che Entwicklung.

Doch auch schon vor der Peri­ode der Indus­tria­li­sie­rung mit inten­si­ver Nut­zung fos­si­ler Ener­gie­trä­ger nutz­te die Mensch­heit Erneu­er­ba­re Ener­gien. Schif­fe fuh­ren mit Wind­kraft. Seit 2000 vor Chris­tus wird Was­ser­en­er­gie zum Antrieb mecha­ni­scher Ein­rich­tun­gen genutzt. In der Mehl­müh­le arbei­te­te der Mül­ler mit Wind­kraft. Schon 1500 vor Chris­tus haben die Ägyp­ter begon­nen, Son­nen­en­er­gie zu nut­zen. Zur Zeit des Pha­ra­os Ech­na­ton wur­den mit Son­nen­en­er­gie die Tore eines Tem­pels mor­gens geöff­net und abends geschlos­sen, indem Son­nen­kol­lek­to­ren Was­ser erwärm­ten und die mecha­ni­sche Ener­gie aus der Aus­deh­nung von Was­ser gewon­nen wur­de. Vor der ers­ten indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on bis in die Anfän­ge des 19. Jahr­hun­derts wur­de die zur Pro­duk­ti­on benö­tig­te Ener­gie vor­ran­gig durch Wind- und Was­ser­kraft gewon­nen. Schon 1790 erbrach­ten in Euro­pa eine hal­be Mil­li­on Klein­was­ser­rä­der eine Leis­tung von unge­fähr 1,65 Giga­watt Leistung.

Indus­tria­li­sie­rung und der steil stei­gen­de Bedarf an Ener­gie beför­der­ten auf Basis der damals leicht erschließ­ba­ren Quel­len Koh­le und Öl sowie der Ein­füh­rung der Nut­zung des Wech­sel­stroms zuerst das zen­tra­le Ener­gie­sys­tem. Die­se Ver­än­de­rung wäh­rend der ers­ten und zwei­ten indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on beschleu­nig­te die mensch­li­che Ent­wick­lung, redu­zier­te aber gleich­zei­tig die Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit der Ener­gie­wirt­schaft. Die Kohle‑, Gas- und Erd­öl­nut­zung mach­te über ein Jahr­hun­dert alle Über­le­gun­gen bezüg­lich neu­er Ener­gie­trä­ger über­flüs­sig. Der Ener­gie­hun­ger der Mensch­heit ab Mit­te des 20. Jahr­hun­derts kos­te­te das fos­si­le Ange­bot extrem aus. Zusätz­lich erober­te die Kern­ener­gie ab den 1950-er Jah­ren die Welt. Das Nach­den­ken über ande­re Wege erschien bis in die 1970-er Jah­re überflüssig.

Heu­te ver­än­dern die­se Wege aber ent­schei­dend die Sys­tem­ei­gen­schaf­ten der Erde, wobei noch dazu die­ses Ener­gie­sys­tem nicht für alle Men­schen bereit­steht. Zwi­schen eins und zwei Mil­li­ar­den Men­schen besit­zen kei­nen Zugriff auf Strom. Erneu­er­ba­re Ener­gien und Dezen­tra­li­tät setz­ten auch hier an, benö­tig­ten dabei aber eine län­ge­re Unter­stüt­zungs­pha­se. Aber gera­de nun, da sich Wirt­schaft­lich­keit ent­fal­tet und der Sys­tem­wan­del welt­weit bevor­steht, grei­fen die Aus­füh­run­gen zu Mythen der Ener­gie­po­li­tik unter dem Ban­ner eines Arbeit­ge­ber­ver­ban­des die Inter­es­sen der gest­ri­gen Ener­gie­wirt­schaft auf und ver­ges­sen die Chan­cen des Systemwandels.

Effek­ti­vi­tät und Effizienz

Rich­tig ist, dass die deut­sche Ener­gie­po­li­tik zu lan­ge von der Kon­zen­tra­ti­on auf den Umbau des Strom­sys­tems geprägt war. Wär­me macht rund 50 Pro­zent am End­ener­gie­ver­brauch aus. Wei­te­re 28 Pro­zent des gesam­ten End­ener­gie­be­dar­fes wer­den im Ver­kehrs­sek­tor ein­ge­setzt. Zusätz­lich ent­ste­hen auf­grund der hohen Schwan­kungs­brei­te des Ange­bo­tes an Erneu­er­ba­rer Ener­gie mit den Quel­len Wind und Son­ne hohe Bedar­fe an Spei­cher­ka­pa­zi­tä­ten. Um unter die­sen Bedin­gun­gen den Umbau zum erneu­er­ba­ren Ener­gie­sys­tem in weni­gen Jahr­zehn­ten zu voll­zie­hen, erge­ben sich die resul­tie­ren­den gesell­schaft­li­chen Zie­le zur Erhö­hung der Energieeffizienz.

Die Erfah­run­gen der Ver­gan­gen­heit zei­gen uns, dass Wachs­tum immer mit der Stei­ge­rung des Ener­gie­ver­brau­ches ver­bun­den war. Heu­te zei­gen sich ers­te Indi­zi­en, dass Wachs­tum auch mit weni­ger Res­sour­cen­ein­satz erzielt wer­den kann. Trotz­dem las­sen sich auf­grund der beschleu­nig­ten Ent­wick­lung neu­er Tech­no­lo­gien nur sehr schwer Zukunfts­pro­gno­sen abge­ben. Neue Tech­no­lo­gien wie Nano- und Bio­tech­no­lo­gien, neue Mate­ria­li­en, 3D-Druck, usw. gene­rie­ren Wachs­tum ohne Stei­ge­rung des Ener­gie­ver­brau­ches. Nicht aus­zu­schlie­ßen sind Tech­no­lo­gien mit deut­lich höhe­ren Ener­gie­ein­satz. Aber gera­de im Hin­blick auf die Unsi­cher­heit der Pro­gnos­ti­zie­rung des zukünf­ti­gen Ener­gie­be­dar­fes soll­te im Umfeld eines noch nicht voll­stän­dig nach­hal­ti­gen Ener­gie­sys­tems der Ener­gie­ef­fi­zi­enz­stei­ge­rung hohe Auf­merk­sam­keit gewid­met wer­den. Aus Sicht eines Arbeit­ge­ber­ver­ban­des ist dabei in Betracht zu zie­hen, das Fort­schrit­te bei ener­gie­ef­fi­zi­en­ten Tech­no­lo­gien neue Chan­cen für Unter­neh­men generieren.

Mit die­ser Dar­stel­lung ist zu erken­nen, dass die Ver­bin­dung von Erneu­er­ba­ren Ener­gien zur Gestal­tung nach­hal­ti­ger Ener­gie­kreis­läu­fe und Ener­gie­ef­fi­zi­enz nicht immer zwin­gend ist, da even­tu­ell ein höhe­rer Durch­satz von Ener­gie in Kreis­läu­fen auf nach­hal­ti­ge Wei­se erzielt wer­den kann und damit Effi­zi­enz kei­ne Rol­le spielt. Unter Betrach­tung der glo­ba­len Her­aus­for­de­rung, den Weg der fos­si­len Ener­gie­ge­win­nung in die­sem Jahr­hun­dert zu ver­las­sen, den wach­sen­den Ener­gie­hun­ger einer sich ver­grö­ßern­den Mensch­heit im Pro­zess der Urba­ni­sie­rung und Moder­ni­sie­rung zu befrie­di­gen und gleich­zei­tig die Kon­ver­si­on des Ener­gie­sys­tems zu Erneu­er­ba­ren Ener­gien erfolg­reich zu gestal­ten, wird aber schnell klar, dass die deut­li­che Erhö­hung der Ener­gie­ef­fi­zi­enz ein unver­zicht­ba­res Begleit­mit­tel im glo­ba­len Maß­stab der Sys­tem­ent­wick­lung bleibt.

Bei loka­ler oder regio­na­ler Betrach­tung geschlos­se­ner Ener­gie­kreis­läu­fe, die teil­wei­se schon in naher Zukunft auf 100 Pro­zent Erneu­er­ba­ren Ener­gien basie­ren kön­nen, erge­ben sich aber auch ande­re Aspek­te. Gebäu­de, Gebäu­de­kom­ple­xe oder Städ­te ent­wi­ckeln sich zu loka­len Lebens­räu­men mit Über­schüs­sen an Erneu­er­ba­ren Ener­gien zu bestimm­ten Zei­ten, die über Ener­gie­an­ge­bo­te in Bezie­hung zu ihrer Umwelt tre­ten kön­nen. Die­se Bezie­hun­gen eröff­nen neue Geschäfts­mög­lich­kei­ten für Unter­neh­men. Inso­fern ist mög­lich­wei­se zusätz­lich zur Beur­tei­lung von Effi­zi­enz die Bewer­tung der Effek­ti­vi­tät für die gesam­te Volks­wirt­schaft noch viel wichtiger.

Effek­ti­vi­tät ist die Wirk­sam­keit im Sin­ne der Errei­chung ange­streb­ter Zie­le als Ver­hält­nis von Wir­kun­gen (Out­co­me) bezo­gen auf die Zie­le, wobei die Leis­tun­gen (Out­put) eines Sys­tems die Wir­kung bestim­men. Effek­ti­vi­tät bestimmt die Genau­ig­keit und Voll­stän­dig­keit, mit der Benut­zer ein Ziel errei­chen. Der Grad der Effek­ti­vi­tät beant­wor­tet die Fra­ge, ob die rich­ti­gen Din­ge bezo­gen auf das Ziel getan wer­den [Online Ver­wal­tungs­le­xi­kon (2016)]. Die gesell­schaft­li­chen Zie­le beim Umbau des Ener­gie­sys­tems sind Umwelt­ver­träg­lich­keit, Wirt­schaft­lich­keit, Ver­sor­gungs­si­cher­heit und brei­te Par­ti­zi­pa­ti­on an der Wert­schöp­fung. Die Effek­ti­vi­tät der Ener­gie­ver­tei­lung bewer­tet damit das Ver­hält­nis der quan­ti­ta­ti­ven Ver­än­de­run­gen die­ser vier Para­me­ter (Wir­kun­gen) bezo­gen auf die Ziel­stel­lun­gen. Dezen­tra­le Ener­gien bie­ten die Chan­ce, Wert­schöp­fungs­po­ten­tia­le für Kom­mu­nen, Regio­nen, Bür­ger und neue Unter­neh­men und damit gesamt­ge­sell­schaft­li­che Wohl­fahrts­po­ten­tia­le zu heben [Pro­g­nos (2016)]. Das Heben die­ser Poten­tia­le durch Par­ti­zi­pa­ti­on am dezen­tra­len Ener­gie­sys­tem gegen­über der zen­tra­len Erzeu­gung mit einem ver­bun­de­nen Sys­tem aus Sub­sys­te­men (Ener­gie­zel­len) mit indi­vi­du­el­ler Ver­ant­wort­lich­keit und auto­no­men Ent­schei­dun­gen ist damit ein Bewer­tungs­kri­te­ri­um für Effektivität.

Der Bewer­tung der gesell­schaft­li­chen Wir­kung folgt nun mit der Effi­zi­enz die Bewer­tung der Leis­tung. Effi­zi­enz ist das Ver­hält­nis von Leis­tun­gen (Out­put) zu Aufwänden/Ressourcen und/oder ande­ren Nachteilen/Opfern (Input) mit dem Benut­zer ein bestimm­tes Ziel errei­chen. Es geht also um Mit­tel und Wege zur Errei­chung der Wir­kun­gen. Der Grad der Effi­zi­enz im Unter­schied zur Effek­ti­vi­tät beant­wor­tet die Fra­ge, ob die Din­ge rich­tig getan wer­den. Dabei gilt, Effi­zi­enz ist wich­tig, aber die fal­schen Din­ge effi­zi­ent zu tun bleibt Ver­schwen­dung. Pri­mär sind die Zie­le und Zwe­cke sowie der Grad der Errei­chung (Effek­ti­vi­tät) und in der Fol­ge die Mit­tel und Wege sowie ihr Ein­satz (Effi­zi­enz) zu bewer­ten [Online Ver­wal­tungs­le­xi­kon (2016)].

Auf Basis der effek­ti­ven Gestal­tung des Ener­gie­sys­tems — dezen­tra­ler Ansatz mit Regeln zur Ver­bun­den­heit — sind effi­zi­en­te Sys­te­me zu gestal­ten, um Ener­gie­kos­ten zu sen­ken und Nach­hal­tig­keits­zie­le zu errei­chen. Die poli­ti­schen Effi­zi­enz­zie­le zum Ener­gie­ein­satz kön­nen nur in kom­bi­nier­ter Betrach­tung aller End­ener­gien erreicht wer­den. Der Ver­brauch an End­ener­gie bezüg­lich Elek­tri­zi­tät und Wär­me fin­det bis zu 50 % in den Gebäu­den statt. Die Erschlie­ßung von Effi­zi­enz­po­ten­tia­len in den Berei­chen Elek­tri­zi­tät, Wär­me und Kühlung/Belüftung erfor­dert ein inte­grier­tes und auto­ma­ti­sier­tes Ener­gie­ma­nage­ment. Dafür wer­den viel­fäl­ti­ge Diens­te im Umfeld von Ver­brauchs- und Erzeu­gungs­pro­gno­sen, Betriebs­fahr­plä­ne sowie auch Wet­ter­vor­her­sa­gen benö­tigt, was wie­der­um Chan­cen für unter­neh­me­ri­sches Han­deln bietet.

Zukunfts­blick

Mit Recht kann eine teil­wei­se über­zo­ge­ne Tech­no­lo­gie­kri­tik in Deutsch­land kri­ti­siert wer­den. Damit ist hier aber nicht die Kri­tik an der Nut­zung der Kern­ener­gie gemeint. So ver­lo­ckend die­se Tech­no­lo­gie in den 50-er Jah­ren erschien und mich per­sön­lich auch zum Stu­di­um der Kern­phy­sik beweg­te, so not­wen­dig ist heu­te der Ver­zicht auf deren Nut­zung. Von Anhän­gern die­ser Ener­gie­quel­le wird oft behaup­tet, dass Kern­ener­gie in gerin­ge­rem Maße als Erneu­er­ba­re Ener­gie finan­zi­ell zum Wachs­tum geför­dert wer­den muss­te. Stu­di­en mit ande­ren Ergeb­nis­sen wer­den hand­werk­li­che Feh­ler unter­stellt. Dabei wird in der Regel voll­stän­dig unter­schla­gen, dass hohe Posi­tio­nen zukünf­ti­ger Kos­ten sowie der Risi­ken von der Gesell­schaft getra­gen wer­den, ohne in Ver­gleichs­rech­nun­gen ein­zu­ge­hen. Kern­kraft­werks­be­trei­ber sind in Euro­pa mit maxi­mal 1 Mil­li­ar­de Euro gegen den Super-Gau ver­si­chert, den wir in Tscher­no­byl und Fuku­shi­ma erleb­ten. Die gesell­schaft­li­chen Kos­ten nach einem der­ar­ti­gen Unfall in Euro­pa wer­den in der Grö­ßen­ord­nung von über 100 Mil­li­ar­den Euro geschätzt. Die End­la­ge­rung der Uran-Brenn­ele­men­te mit einer Lager­zeit, die die Zeit­dau­er der Ent­wick­lung der mensch­li­chen Zivi­li­sa­ti­on über­schrei­tet, ist immer noch unge­klärt. Die Kos­ten der End­la­ge­rung trägt die Gesell­schaft. Die geschätz­ten Kos­ten zum Rück­bau von über­al­ter­ten Kern­kraft­werks­blö­cken wer­den regel­mä­ßig nach oben kor­ri­giert und betra­gen inzwi­schen meh­re­re Mil­li­ar­den Euro pro Block. Ers­te Erfah­run­gen gibt es in Deutsch­land mit dem Rück­bau des Kraft­wer­kes in Greifs­wald. Auch in Frank­reich, wo sich meh­re­re über­al­ter­te Kraft­werks­blö­cke befin­den, macht man sich zuneh­mend Sor­gen bezüg­lich der exor­bi­tan­ten Kos­ten zukünf­tig not­wen­di­ger Rück­bau­ten. Wei­ter­hin wer­den zuneh­mend im Bereich der Kern­ener­gie neue Kraft­werks­bau­ten mit höhe­ren För­de­run­gen aus­ge­stat­tet. Unrühm­li­ches Bei­spiel ist der Bau des Kern­kraft­wer­kes Hin­k­ley Point in Eng­land, des­sen Kos­ten aus dem Ruder lau­fen. Dabei wer­den dem Kraft­werks­be­trei­ber mas­si­ve staat­li­che För­de­run­gen zuge­si­chert, z. B. Kre­dit­ga­ran­tien in Höhe von mehr als 20 Mil­li­ar­den Euro zur Absi­che­rung der Bau­kos­ten. Wei­ter­hin wird ein mit elf Cent pro Kilo­watt­stun­de (kWh) ver­gleichs­wei­se hoher Abnah­me­preis für den in Hin­k­ley Point C pro­du­zier­ten Atom­strom garan­tiert — dies über 35 Jah­re, plus Infla­ti­ons­aus­gleich. Kon­ser­va­tiv hoch­ge­rech­net mit einer Infla­ti­ons­ra­te von zwei Pro­zent macht das eine Ver­gü­tung von 22 Cent pro kWh im letz­ten För­der­jahr. Eine gro­ße Pho­to­vol­ta­ik-Anla­ge erhält in Deutsch­land über das Erneu­er­ba­re-Ener­gien-Gesetz im Jah­re 2016 eine Ver­gü­tung von rund acht Cent pro kWh – 20 Jah­re lang, ohne Infla­ti­ons­aus­gleich [Wolk, Con­stan­ze (2016)]. Von der auch seit Jahr­zehn­ten anhal­ten­den För­de­rung der Arbeits­plät­ze beim Abbau der Stein­koh­le im Ruhr­ge­biet soll hier gar nicht gespro­chen wer­den. Die­se Kos­ten erschei­nen aber im Gegen­satz zur EEG-Umla­ge auf kei­ner Strom­rech­nung. Die Dis­kus­si­on um die För­de­rung der erneu­er­ba­ren Ener­gien besitzt also eine völ­li­ge Schief­la­ge zuguns­ten fos­si­ler Ener­gien und der Kernenergie.

War­um fällt es uns eigent­lich so schwer, unse­ren Blick als Hoch­tech­no­lo­gie­land auf die Chan­cen neu­er Tech­no­lo­gien zu richten?

Sicher­lich sind erneu­er­ba­re Ener­gie­tech­no­lo­gien nicht auto­ma­tisch in jeder Hin­sicht nach­hal­tig. Bei­spiels­wei­se wer­den für Solar­an­la­gen und Bat­te­rien wert­vol­le und sel­te­ne Roh­stof­fe ein­ge­setzt. Nach­dem För­de­rung und Wachs­tum der Solar­tech­nik bald auf zwan­zig Jah­re Erfolgs­ge­schich­te zurück­bli­cken kann, ist das Recy­cling alter Anla­gen immer noch eine Her­aus­for­de­rung. Der Anblick klas­si­scher Solar­mo­du­le auf den Dächern und die Wind­an­la­gen in den Land­schaf­ten erfreu­en eben­so nicht das Herz jedes Archi­tek­ten und Land­schafts­ge­stal­ters. Unab­hän­gig von der Tat­sa­che, wie ver­letzt Land­schaf­ten in den Koh­le- und Erd­öl­ge­bie­ten sind oder wie gro­ße kon­ven­tio­nel­le Kraft­werks­blö­cke in der Land­schaft wir­ken, steht die Fra­ge, ob wir wei­ter nur Kri­tik an neu­en Tech­no­lo­gien üben wol­len oder Anstren­gun­gen unter­neh­men, um bes­se­re Lösun­gen zu fin­den. Elon Musk – der Grün­der von Tes­la und Sol­ar­Ci­ty – hat sich die­ser Her­aus­for­de­rung ange­nom­men und Dach­zie­gel geschaf­fen, die wie die natür­li­che Dach­be­de­ckung aus­se­hen, aber als Solar­an­la­ge wir­ken. Zukünf­tig wer­den auch Häu­ser­wän­de und Fens­ter Solar­ener­gie umwandeln.

Es ist auch rich­tig, dass wir inzwi­schen wie­der­um auf bestimm­te Lösun­gen fokus­siert sind. Wir beschäf­ti­gen uns inten­siv mit Wind­ener­gie, Solar­ener­gie, Bio­en­er­gie, Geo­ther­mie und Was­ser­en­er­gie sowie for­schen auch an der hei­ßen Kern­fu­si­on. Unse­re Umwelt bie­tet aber wei­te­re Ener­gie­quel­len, die wir aktu­ell über­se­hen und denen sich nur weni­ge Men­schen wid­men. Phy­si­ker ken­nen hier viel­fäl­ti­ge Ansät­ze, auf die hier nicht ein­ge­gan­gen wer­den soll. Wich­tig ist nur, dass wir uns den Blick auf neue Chan­cen erhal­ten und neue Tech­no­lo­gien nicht zu schnell in das Reich der Mythen ein­ord­nen, weil die Ver­tre­ter eta­blier­ter Tech­no­lo­gien um ihre Pfrün­de bangen.

Gemein­sa­me Anstren­gun­gen für die Zukunft und ein offe­ner Blick nüt­zen der Gesell­schaft in ihrer Viel­falt und ins­be­son­de­re den Unter­neh­men beim Ergrei­fen neu­er Wert­schöp­fungs­chan­cen und der Schaf­fung neu­er Arbeits­plät­ze mehr, als das Ver­tei­di­gen alter Stel­lun­gen. Im letz­te­ren Fall mag man natio­nal even­tu­ell sieg­reich sein, aber inter­na­tio­nal den Anschluss ver­lie­ren, womit die Mar­ke „Made in Ger­ma­ny“ gefähr­det wäre.

Also machen wir uns doch zu den Ster­nen auf, um noch ein­mal das Ein­gangs­the­ma auf­zu­neh­men. Auch dazu benö­ti­gen wir neue Ener­gie­quel­len, denn mit Koh­le oder irgend­ei­ner ande­ren Art von che­mi­scher Ener­gie wer­den wir die Raum­schif­fe sicher­lich nicht antrei­ben. Selbst Kern­ener­gie wird uns nicht hel­fen, die nächs­ten Ster­ne in über­schau­ba­rer Zeit zu erreichen.

 

Nach­ruf zum nicht beant­wor­te­ten Brief

Literatur

Online Ver­wal­tungs­le­xi­kon (2016) Effek­ti­vi­tät, Effi­zi­enz. http://www.olev.de/e/effekt.htm (Abge­ru­fen: 15.11.2016)

Pro­g­nos (2016). Dezen­tra­li­tät und zel­lu­la­re Opti­mie­rung – Aus­wir­kun­gen auf den Netz­aus­bau­be­darf. Stu­die im Auf­trag der N‑ERGIE Akti­en­ge­sell­schaft. Pro­g­nos, Ener­gie Cam­pus Nürn­berg, Fried­rich-Alex­an­der-Uni­ver­si­tät Erlan­gen-Nürn­berg. Ber­lin und Nürn­berg. 07.10.2016

Sei­te „Nach­hal­tig­keit“ (2017). In: Wiki­pe­dia, Die freie Enzy­klo­pä­die. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nachhaltigkeit&oldid=129064313 (Abge­ru­fen: 08.05.2017)

Wolk, Con­stan­ze (2016). Hin­ter­grund: Hin­k­ley Point C. Ener­gie­wen­de-Maga­zin. Schön­au. Aus­ga­be 20.06.2016. https://www.ews-schoenau.de/energiewende-magazin/zur-sache/hintergruende-zu-hinkley-point‑c/ (Abge­ru­fen: 09.05.2017)

Kem­fert, Clau­dia. (2013): Kampf um Strom — Mythen, Macht und Mono­po­le. Rowohlt Ver­lag GmbH. 01/2013, 7. Auf­la­ge. ISBN-13: 978–3867742573

Lovins, Amo­ry B. (1978): Sanf­te Ener­gie. Das Pro­gramm für die ener­gie- und indus­trie­po­li­ti­sche Umrüs­tung unse­rer Gesell­schaft. Rowohlt Ver­lag GmbH. 10/1978. ISBN-13: 978–3498038199

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