Standards sind Bindeglied zwischen Innovation und Sicherheit

„Ein Standard ist die schönste und edelste Form, eine Blaupause zu entwickeln“ Markus Gräbig

Standards sind Bindeglied zwischen Innovation und Sicherheit
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Inhaltsverzeichnis

  1. Vor­wort — Dampf­ma­schi­ne im Cyber War
  2. Zusam­men­fas­sung — Inno­va­ti­ons­im­pul­se statt Detailregulierung
  3. Emp­feh­lun­gen zur EEG- und EnWG-Novel­le — Auto­no­mie hin­ter dem Netzanschluss
  4. Trei­ber der Energiewende
  5. Stan­dards sind Bin­de­glied zwi­schen Inno­va­ti­on und Sicher­heit — Gestal­tungs­ebe­nen wirt­schaft­li­cher Entwicklung
  6. Eigen­ver­sor­gung und Energiegemeinschaften
  7. Emp­feh­lun­gen für die Schnitt­stel­le zum Prosumenten
  8. C/sells-Posi­ti­on zum Stu­fen­mo­dell des BMWI zur Wei­ter­ent­wick­lung von Stan­dards für die Digi­ta­li­sie­rung der Energiewende
  9. Tech­ni­sche Detail­re­gu­lie­rung im EEG unter Blick­win­kel der Abgren­zung von Rechts­sys­tem, nor­ma­ti­ver Basis und Innovation
  10. Lab Hybrid — Digi­ta­ler Netz­an­schluss und auto­no­mes Ener­gie­ma­nage­ment — Blau­pau­se für Novel­lie­rung EnWG und EEG

Gestaltungsebenen wirtschaftlicher Entwicklung

Ein Stan­dard ist die schöns­te und edels­te Form, eine Blau­pau­se zu ent­wi­ckeln“ Mar­kus Gräbig

Stan­dards ent­ste­hen nicht durch staat­li­che Detail­re­gu­lie­rung, son­dern durch inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit in der Wirtschaft

Stan­dards sind Bin­de­glied zwi­schen Inno­va­ti­on und Sicherheit

Regelkreise

Auf die Kom­ple­xi­tät der mensch­li­chen Gesell­schaft wur­de im letz­ten Kapi­tel hin­ge­wie­sen. Aber die Kom­ple­xi­tät wächst auf­grund der zuneh­men­den Anzahl der Gesell­schafts­mit­glie­der und der sozia­len, digi­ta­len Ver­net­zung sowie durch neue Orga­ni­sa­ti­ons­for­men wei­ter. Zur Sta­bi­li­täts­si­che­rung in die­sem kom­ple­xen Umfeld wer­den gemein­sa­me Regeln benö­tigt. Indi­vi­du­el­le Frei­heit sowie Nut­zen der Gemein­schaft sind dabei immer wie­der mit­ein­an­der abzu­wä­gen. Bei voll­stän­di­ger, indi­vi­du­el­ler Frei­heit ohne Regeln droht die Gesell­schaft in Anar­chie abzu­glei­ten. Bei einem Über­maß an Regeln ver­liert die Gesell­schaft ihre Fle­xi­bi­li­tät und kann in einen erstarr­ten Zustand gera­ten. Dies legt letzt­end­lich den Keim des zukünf­ti­gen Misserfolges.

Letzt­end­lich lässt sich die Gesell­schaft als ein Sys­tem betrach­ten, in dem Regel­krei­se auf ver­schie­de­nen Hand­lungs­ebe­nen ihre Funk­tio­nen und Ent­wick­lung sicher­stel­len. Inso­fern sind die Regel­krei­se, ihr Zusam­men­wir­ken und ihre Gren­zen zu betrachten.

Fol­gen­des Modell mit drei Ebe­nen zusam­men­wir­ken­der Regel­krei­se und ver­schie­de­nen Zeit­ho­ri­zon­ten soll in den wei­te­ren Betrach­tun­gen ver­wen­det werden.

Rechts­sys­tem

Das Rechts­sys­tem ent­steht durch poli­ti­sche Wil­lens­bil­dungs­pro­zes­se in ver­schie­de­nen Struk­tu­ren loka­ler, regio­na­ler, natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Hoheit. Dabei sind Gesetz­ge­bungs­pro­zes­se von der Ent­ste­hung, der Umset­zung bis zur Prü­fung ihres Wir­kens von lan­gen, über Jahr­zehn­te rei­chen­den Zeit­kon­stan­ten geprägt.

Nor­ma­ti­ve Basis

Die Kon­kre­ti­sie­rung des gesell­schaft­li­chen Zusam­men­wir­kens erfolgt durch die gemein­sa­me nor­ma­ti­ve Basis als unter­stüt­zen­der Regel­kreis. Die Auf­ga­be besteht dar­in, sowohl die Umset­zung poli­ti­scher Rich­tungs­vor­ga­ben und gesetz­li­cher Anlie­gen als auch die not­wen­di­ge Effek­ti­vi­tät und Effi­zi­enz des sozia­len und wirt­schaft­li­chen Zusam­men­wir­kens zu sichern. Die Zeit­kon­stan­ten sind hier­bei kür­zer. Sie lie­gen aber im Bereich tech­ni­scher Stan­dards immer noch in der Grö­ßen­ord­nung von 5 bis 10 Jahren.

Inno­va­ti­on

Inno­va­tio­nen zur Erneue­rung gesell­schaft­li­cher, inklu­si­ve wirt­schaft­li­cher Lösun­gen, sichern die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Gesell­schaft. Sie basie­ren auf der Viel­falt und Krea­ti­vi­tät mensch­li­chen Den­kens. Inno­va­ti­ons­fä­hig­keit bedarf eines hohen Frei­heits­gra­des mit mög­lichst mini­ma­len Ein­schrän­kun­gen. Im inter­na­tio­na­len Wett­be­werb sind Rege­lungs­pro­zes­se zur Beför­de­rung von Inno­va­tio­nen auf eine hohe Geschwin­dig­keit im Rah­men des über­la­gern­den Rechts­sys­tems und der jeweils ver­ab­re­de­ten nor­ma­ti­ven Basis auszurichten.

Abgrenzung von Rechtssystem und normativer Basis 

Die Anwen­dung der drei Regel­krei­se ver­deut­licht aber auch die Schwie­rig­keit ihrer Abgren­zung. Unter­schie­de im kul­tu­rel­len und natio­na­len Kon­text füh­ren sicher­lich zu unter­schied­li­chen Ant­wor­ten. Auf euro­päi­scher Ebe­ne wird die­se Fra­ge­stel­lung im Kon­text eines funk­tio­nie­ren­den euro­päi­schen Bin­nen­mark­tes sowie bezüg­lich der The­men Digi­ta­li­sie­rung und künst­li­cher Intel­li­genz behandelt.

Eine nor­ma­ti­ve Basis benö­tigt nicht zwin­gend eine zuge­hö­ri­ge Grund­la­ge im Rechts­sys­tem. Die gemein­sa­me Rege­lung der Ras­ter­grö­ße von Küchen­ge­rä­ten macht Sinn, um auf einem gemein­sa­men Markt unter­schied­li­cher Küchen­mö­bel­her­stel­ler wirt­schaft­lich unter­schied­li­che Gerä­te­kom­bi­na­tio­nen her­stel­len zu kön­nen. Der Bedarf an einer Rechts­grund­la­ge ist im Bei­spiel nicht zu erken­nen. Aber recht­li­che Regeln für die Instal­la­ti­on eines Strom­an­schlus­ses am Wohn­ge­bäu­de erschei­nen sinn­voll, um den gesund­heit­li­chen Schutz im Rechts­sys­tem zu ver­an­kern. Zur Umset­zung wird eine tech­ni­sche, nor­ma­ti­ve Basis benö­tigt. Die gegen­über der Gestal­tung des Rechts­sys­tems höhe­re tech­ni­sche Ent­wick­lungs­ge­schwin­dig­keit macht es sinn­voll, die Gestal­tung der nor­ma­ti­ven Basis in einer geson­der­ten Ebe­ne zu ent­kop­peln. Die Zusam­men­füh­rung von Rechts­sys­tem und nor­ma­ti­ver Basis auf einer Gestal­tungs­ebe­ne kann auf­grund der län­ger­fris­ti­gen Zeit­kon­stan­te im Rechts­sys­tem zum Ver­lust poten­ti­el­ler tech­ni­scher Ent­wick­lungs­ge­schwin­dig­keit führen.

Aber auch bei der Tren­nung in zwei Ebe­nen las­sen sich zwei Hand­lungs­an­sät­ze abgren­zen, die die Ebe­nen in unter­schied­li­chem Maße verschränken.

Der ers­te Ansatz ver­folgt die aus­schließ­li­che Fest­le­gung von Ziel­rich­tun­gen und Anfor­de­run­gen im Rechts­sys­tem. Dies steht in Ver­bin­dung mit der Spe­zi­fi­ka­ti­on von Maß­nah­men durch Fach­ex­per­ten in ent­spre­chen­den Ver­bän­den und Orga­ni­sa­tio­nen sowie mit der zuge­hö­ri­gen Prü­fung der Kon­for­mi­tät zu den Anfor­de­run­gen. Dar­aus folgt im Rechts­sys­tem die Ver­mu­tungs­wir­kung der kor­rek­ten Umset­zung zuge­hö­ri­ger Anfor­de­run­gen durch die Wirt­schaft im Rah­men der nor­ma­ti­ven Basis.

Der zwei­te Ansatz ver­folgt zusätz­lich zur Fest­le­gung von Anfor­de­run­gen die Über­nah­me der Koor­di­na­ti­ons­ho­heit durch das Rechts­sys­tem bei der Gestal­tung der nor­ma­ti­ven Basis. Dabei erfolgt die geziel­te Ein­be­zie­hung ande­rer Inter­es­sen­trä­ger. Die Gestal­tung der nor­ma­ti­ven Basis wird dann in der Regel mit einem Zer­ti­fi­zie­rungs­pro­zess der Lösun­gen im Rechts­sys­tem verbunden.

Europäische Empfehlung zum Ansatz 1 

Die EU beab­sich­tigt, dass Rechts­sys­tem bezüg­lich der neu­en Her­aus­for­de­run­gen zur Digi­ta­li­sie­rung und zur künst­li­chen Intel­li­genz anzu­pas­sen, was eben­so das intel­li­gen­te Ener­gie­sys­tem betrifft. Zur Aus­ge­stal­tung wird die Bedeu­tung der Nor­mung sowie dazu der euro­pä­isch har­mo­ni­sier­ten Nor­men her­vor­ge­ho­ben. Die­sem The­ma wird sich auch der ab 2021 neu gewähl­te CEN­ELEC-Prä­si­dent Wolf­gang Nied­zi­el­la wid­men. Der gemein­sa­me Dia­log der euro­päi­schen Nor­mung mit der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on soll wie­der auf­ge­nom­men werden.

Inter­es­sant ist in die­sem Zusam­men­hang die Mit­tei­lung der Kom­mis­si­on an das euro­päi­sche Par­la­ment, den Rat und den euro­päi­schen Wirt­schafts- und Sozi­al­aus­schuss (11/2018) zum The­ma „Har­mo­ni­sier­te Nor­men: Ver­bes­ser­te Trans­pa­renz und Rechts­si­cher­heit für einen unein­ge­schränkt funk­tio­nie­ren­den Binnenmarkt“.

Ins­be­son­de­re wird der Nor­mung eine wich­ti­ge Rol­le zur Besei­ti­gung tech­ni­scher Han­dels­hemm­nis­se zugeordnet.

Nor­men tra­gen dazu bei, dass kom­ple­men­tä­re Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen inter­ope­ra­bel sind, sie erleich­tern die Ein­füh­rung inno­va­ti­ver Pro­duk­te und schaf­fen letzt­lich das Ver­trau­en der euro­päi­schen Ver­brau­cher in die Qua­li­tät der in der Uni­on ange­bo­te­nen Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen” (Stan­dards sind Bin­de­glied zwi­schen Inno­va­ti­on und Sicher­heit). [EU Mit­tei­lung 11/2018]

Her­vor­ge­ho­ben wird die Schlüs­sel­rol­le der Nor­mung bei der Beför­de­rung des Inno­va­ti­ons­tem­pos bezüg­lich neu­er tech­no­lo­gi­scher Ent­wick­lun­gen, der Digi­ta­li­sie­rung und wei­te­rer wirt­schaft­li­cher Trends sowie der Zukunfts­fä­hig­keit des Bin­nen­mark­tes. Dies betrifft bei­spiels­wei­se die The­men Inter­net der Din­ge, Big Data, fort­ge­schrit­te­ne Fer­ti­gung, Robo­tik, 3D-Druck, Block­chain-Tech­no­lo­gien und künst­li­che Intel­li­genz. Dabei wird auch der Ersatz wider­spre­chen­der natio­na­ler durch euro­päi­sche Nor­men zum Erhalt der glo­ba­len Wett­be­werbs­fä­hig­keit befürwortet.

Das euro­päi­sche Nor­mungs­sys­tem basiert auf einer öffent­lich-pri­va­ten Part­ner­schaft, die die Gestal­tung des Rechts­sys­tems und der nor­ma­ti­ven Basis deut­lich trennt. Gleich­zei­tig kön­nen im Rechts­sys­tem Anfor­de­run­gen an die Nor­mung defi­niert wer­den. Auf Basis von Ersu­chen der Kom­mis­si­on als Rechts­trä­ger wer­den dann für ent­spre­chen­de Anfor­de­run­gen über pri­va­te Orga­ni­sa­tio­nen Lösun­gen durch die im Kon­sens­pro­zess erfol­gen­de Nor­mung spe­zi­fi­ziert. Nach­fol­gend erfolgt die Prü­fung der Anwend­bar­keit der Ergeb­nis­se durch den Rechtsträger.

Europäisches Vorgehen am Beispiel Künstliche Intelligenz 

In den nach­fol­gen­den bei­den Abschnit­ten wer­den mög­li­che Vor­ge­hens­wei­sen ent­spre­chend den genann­ten zwei Ansät­zen zur Regel­set­zung beschrie­ben. Hier­bei wird als Bei­spiel das euro­päi­sche Vor­ge­hen in Bezug auf die The­men Digi­ta­li­sie­rung und künst­li­che Intel­li­genz bewertet.

Die Digi­ta­li­sie­rung ver­än­dert zuneh­mend das Wirt­schafts- und Sozi­al­le­ben. Es stellt sich die Fra­ge, ob wir auf die­sen rapi­den und kom­ple­xen gesell­schaft­li­chen Wan­del ethisch gut vor­be­rei­tet sind.

Neue rote Lini­en wer­den defi­niert, wie zum Beispiel:

  • das Ent­ste­hen einer selbst­op­ti­mier­ten, nicht mehr kon­trol­lier­ba­ren künst­li­chen Superintelligenz,
  • die Schaf­fung eines erle­bens- und lei­dens­fä­hi­gen künst­li­chen Bewusstseins,
  • das Ent­ste­hen auto­no­mer, mora­li­scher Agen­ten, die unab­hän­gig vom Men­schen ethi­sche Über­le­gun­gen anstel­len und danach auto­nom handeln.

Im natio­na­len Umfeld sind die­se kom­ple­xen The­men nicht mehr umfäng­lich zu gestalten.

Grund­la­ge der wei­te­ren Fest­le­gung der Rah­men­be­din­gun­gen zur künst­li­chen Intel­li­genz in Euro­pa, ins­be­son­de­re der ethi­schen Regeln, ist eine umfas­sen­de inter­dis­zi­pli­nä­re Dis­kus­si­on mit Exper­ten von Sozio­lo­gie, IKT und Phi­lo­so­phie. Eine Bewer­tung soll an die­ser Stel­le nicht erfol­gen. Statt­des­sen wird der Fokus in den nächs­ten Abschnit­ten auf die Gefah­ren einer zu engen Ver­bin­dung der Gestal­tung von Rechts­sys­tem und nor­ma­ti­ver Basis gerichtet.

Fol­gen­de Quel­len ver­tie­fen die The­ma­tik inhaltlich:

  • EU-Richt­li­ni­en für ver­trau­ens­wür­di­ge KI 2019 [EU Report. (04/2019), mit Expertenkonsultation]
  • EU-Weiß­buch Künst­li­che Intel­li­genz 2020 [EU Weiß­buch. (02/2019), ohne Expertenkonsultation]
  • Stel­lung­nah­me zum EU-Weiß­buch auf der Web­sei­te zur Natio­na­len KI-Stra­te­gie der Bun­des­re­gie­rung 2020 [BR COM (2020) 65 final]

Ein Kri­tik­punkt soll an die­ser Stel­le nicht ver­schwie­gen wer­den. Sowohl das Weiß­buch der EU als auch die Stel­lung­nah­me der Bun­des­re­gie­rung wur­den ohne Exper­ten­kon­sul­ta­ti­on erstellt. Die Doku­men­te ent­stan­den in den Struk­tu­ren des Rechts­sys­tems unter Ein­be­zie­hung fest­ge­leg­ter Inter­es­sen­ver­tre­ter. Aber gera­de die Dis­kus­si­on im poli­ti­schen Rah­men des Rechts­sys­tems benö­tigt einen brei­ten Willensbildungsprozess.

Begrenzung der Komplexität durch Autonomie von Handlungsebenen 

Ein durch Poli­tik voll­stän­dig koor­di­nier­ter Pro­zess zur Regel­set­zung bezüg­lich Leit­li­ni­en, Rechts­rah­men, nor­ma­ti­ver Basis für die Tech­nik sowie Inno­va­tio­nen kann die­sen Her­aus­for­de­run­gen nicht gerecht wer­den. Die resul­tie­ren­de Über­bü­ro­kra­ti­sie­rung mini­miert Fle­xi­bi­li­tät und Hand­lungs­fä­hig­keit der Gesellschaft.

Dage­gen hat sich ein Vor­ge­hen auf ver­schie­de­nen Hand­lungs­ebe­nen mit defi­nier­ten Schnitt­stel­len in der Pra­xis bewährt. Die Zuord­nung der Ebe­nen erfolgt am obi­gen Beispiel.

Auf der Ebe­ne des Rechts­sys­tems ent­ste­hen gesell­schaft­li­che Leit­li­ni­en im poli­ti­schen Dis­kus­si­ons­pro­zess unter Ein­be­zie­hung von Exper­ten. Dazu gehö­ren die euro­päi­schen Richt­li­ni­en für ver­trau­ens­wür­di­ge, künst­li­che Intel­li­genz [EU Report. (04/2019)].

Die defi­nier­ten Zie­le sol­len im glo­ba­len Wett­be­werb effek­tiv bezüg­lich Ziel­er­rei­chung und effek­tiv bezüg­lich ein­ge­setz­ter Mit­tel erreicht wer­den. Die Navi­ga­ti­on auf die­sem Wege über­neh­men Regel­krei­se mit unter­schied­li­chen Zeit­ho­ri­zon­ten. Dies betrifft im Rechts­sys­tem sowohl die Regel­set­zung als auch die Schaf­fung eines beför­dern­den Rah­mens, wozu das EU-Weiß­buch Künst­li­che Intel­li­genz einleitet.

Einer­seits wird bei der Aus­ge­stal­tung des Rechts­rah­mens zu ent­schei­den sein, wel­che recht­li­chen Anfor­de­run­gen, basie­rend auf poli­ti­schen Leit­li­ni­en, auf­er­legt wer­den sollen.

Ander­seits kann ein beför­dern­der Rah­men durch Erleich­te­run­gen zur Ein­rich­tung von Exzel­lenz- und Test­zen­tren ent­ste­hen. Dazu gehört auch die Begrün­dung einer neu­en öffent­lich-pri­va­ten Part­ner­schaft. Als Teil die­ser Part­ner­schaft wird im Weiß­buch eben­so die Bedeu­tung von Nor­men und Stan­dards sowie zuge­hö­ri­ger Orga­ni­sa­tio­nen her­vor­ge­ho­ben. Dies schafft die Schnitt­stel­le zum Regel­kreis der nor­ma­ti­ven Basis.

Nor­men ent­ste­hen im inter­na­tio­na­len Rah­men – bei Bedarf auch euro­pä­isch — im Kon­sens­pro­zess inter­es­sier­ter Exper­ten belie­bi­ger Orga­ni­sa­tio­nen. Breit aner­kann­te Nor­men sind die erfolg­rei­chen Nor­men. Eine Koor­di­na­ti­on nor­ma­ti­ver Pro­zes­se durch den Rechts­trä­ger im Rah­men geson­der­ter Gre­mi­en umfasst zwar im Ergeb­nis even­tu­ell einen Mehr­heits­stand­punkt, der aber durch das Wir­ken eines ver­eng­ten Krei­ses entsteht.

Schluss­end­lich kann die Kon­for­mi­tät der Inno­va­tio­nen zum Rechts­rah­men und zur ange­for­der­ten nor­ma­ti­ven Basis durch pri­va­te Orga­ni­sa­tio­nen geprüft werden.

Die Kom­ple­xi­tät des The­mas sowie der abzu­gren­zen­den Hand­lungs­ebe­nen erfor­dert eine euro­päi­sche Gover­nan­ce-Struk­tur statt zer­split­ter­ter natio­na­ler Sonderwege.

Nationale Antworten in Deutschland 

Die Stel­lung­nah­me der Bun­des­re­gie­rung zum EU-Weiß­buch auf Basis der Natio­na­len KI-Stra­te­gie fol­gert: „Schließ­lich kön­nen Nor­mung und Stan­dar­di­sie­rung zur Beschleu­ni­gung von Ent­wick­lungs­pro­zes­sen, zur Rechts­si­cher­heit für Unter­neh­men und zur wei­te­ren Ver­trau­ens­bil­dung der Men­schen in die Tech­no­lo­gie bei­tra­gen.“ [BR COM (2020) 65 final]

Hier­bei unter­stützt die Bun­des­re­gie­rung die Anwen­dung exis­tie­ren­der Ver­fah­ren zur Kon­for­mi­täts­prü­fung durch pri­va­te Orga­ni­sa­tio­nen und for­dert kei­ne staat­li­che Zertifizierung.

Gleich­zei­tig gab die Bun­des­re­gie­rung ein Rechts­gut­ach­ten in Auf­trag. Das Gut­ach­ten führt aus: „Die Kom­mis­si­on darf die Prü­fung der har­mo­ni­sier­ten Norm nicht zum Anlass neh­men, den Nor­mungs­pro­zess prak­tisch zu dupli­zie­ren oder gar eige­ne tech­ni­sche Regeln an die Stel­le der von den Nor­mungs­or­ga­ni­sa­tio­nen kon­sen­tier­ten Inhal­te zu set­zen.“ [Rede­ker. (08/2020)]

Hier wird auf die Bedeu­tung der inter­na­tio­na­len Nor­mungs­pro­zes­se im Kon­sens­ver­fah­ren hin­ge­wie­sen, in die sich auch die natio­na­len Nor­mungs­or­ga­ni­sa­tio­nen einordnen.

Inso­fern besteht grund­sätz­li­che Zustim­mung, denn sowohl die EU als auch die Bun­des­re­gie­rung ver­wei­sen auf pri­va­te Orga­ni­sa­tio­nen der inter­na­tio­na­len Nor­mung zur Schaf­fung der nor­ma­ti­ven Basis für neue gesell­schaft­li­che Schwerpunktthemen.

Gleich­zei­tig betreibt Deutsch­land natio­na­le Sonderwege.

Der zehn­jäh­ri­ge Pro­zess zur Gestal­tung des intel­li­gen­ten Mess­sys­tems ver­schränkt zwei Regel­krei­se unter Koor­di­na­ti­on des Rechts­sys­tems zu stark. Auf­ga­be der Poli­tik ist die Bestim­mung von Anfor­de­run­gen zur Gewähr­leis­tung des Daten­schut­zes. Inso­fern erfolgt deren Fest­le­gung über ein vom Rechts­sys­tem defi­nier­tes Schutzprofil.

Im nächs­ten Schritt erfolg­te auch die Spe­zi­fi­ka­ti­on der tech­ni­schen Umset­zung als nor­ma­ti­ve Basis im Rechts­sys­tem, anstatt auf die zwei­te Ebe­ne der Gestal­tung, die Nor­mungs­or­ga­ni­sa­tio­nen, zurück­zu­grei­fen. Das Dupli­zie­ren des Nor­mungs­pro­zes­ses wird mit dem Stu­fen­mo­dell [BMWi/BSI – Stu­fen­mo­dell (08/2020)] fort­ge­setzt. Der natio­na­le Son­der­weg der zu engen Ver­zah­nung der bei­den Hand­lungs­ebe­nen Rechts­sys­tem und nor­ma­ti­ve Basis birgt Gefah­ren für die inter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit natio­na­ler Unternehmen.

Die Ein­bin­dung von Inter­es­sen­trä­gern unter der Koor­di­na­ti­ons­rol­le des Rechts­trä­gers beschreibt den oben aus­ge­führ­ten zwei­ten Ansatz, der Rechts­sys­tem und nor­ma­ti­ve Basis unter Koor­di­na­ti­on des Rechts­trä­gers und damit die Zeit­kon­stan­ten der Hand­lungs­mög­lich­kei­ten eng koppelt.

Das Rechts­sys­tem erhebt somit selbst einen nor­ma­ti­ven Anspruch.

Schlussfolgerungen

Das Rechts­sys­tem besitzt die Auf­ga­be, die Rah­men­be­din­gun­gen für Zie­le und Wege zu gestal­ten und zu über­wa­chen. Die­ser durch Poli­tik gestal­te­te Regel­kreis soll­te sich auf die recht­li­chen Anfor­de­run­gen mit lang­fris­tig wirk­sa­men Steue­rungs­funk­tio­nen zurück­zie­hen. Die­se Anfor­de­run­gen bezie­hen sich dabei auf den Ein­schluss von zen­tra­len Ziel­stel­lun­gen wie Daten­schutz, Sicher­heit, Ethik, Betei­li­gung, Erhalt der Demokratie.

Es folgt die tech­ni­sche Aus­ge­stal­tung von Maß­nah­men ent­spre­chend den Anfor­de­run­gen des Rechts­sys­tems. Dies soll­te der Gestal­tungs­kraft der Gesell­schaft durch Schaf­fung einer nor­ma­ti­ven Basis im Kon­sens­pro­zess trans­dis­zi­pli­nä­rer Exper­ten­ver­bän­de über­las­sen wer­den. Die Koor­di­na­ti­ons­rol­le zur Stan­dar­di­sie­rung liegt nicht beim Rechts­sys­tem. Die unter­schied­li­chen Zeit­kon­stan­ten zuge­hö­ri­ger Gestal­tungs­pro­zes­se kön­nen die Anwen­dung tech­ni­scher Mög­lich­kei­ten im inter­na­tio­na­len Wett­be­werb behindern.

Stan­dards sind Bin­de­glied zwi­schen Inno­va­ti­on und Sicher­heit gesell­schaft­li­cher Pro­zes­se. Ein­schrän­kun­gen bei Inno­va­tio­nen ori­en­tie­ren sich zuerst an gesell­schaft­li­chen Ziel­stel­lun­gen und Wil­lens­bil­dungs­pro­zes­sen. Fol­gen­de tech­ni­sche Ein­schrän­kun­gen ent­ste­hen aus einer not­wen­di­gen, nor­ma­ti­ven Basis, die sich wie­der­um auf die Anfor­de­run­gen der Rechts­grund­la­gen bezie­hen kann oder muss. Um Inno­va­tio­nen im inter­na­tio­na­len Kon­text nicht zu behin­dern, ist der Ein­satz des Rechts­sys­tem zur Gewähr­leis­tung der gesell­schaft­li­chen Ziel­stel­lun­gen sorg­fäl­tig zu prü­fen. Die nor­ma­ti­ve Basis folgt aus einer brei­ten Zusam­men­ar­beit von Exper­ten in pri­va­ten Struk­tu­ren von Ver­bän­den, Orga­ni­sa­tio­nen und Unter­neh­men. Sie soll­te nicht im Rah­men einer Koor­di­na­ti­ons­rol­le des Rechts­sys­tem mit zuge­ord­ne­ten Behör­den unter Ein­be­zie­hung einer begrenz­ten Anzahl von Inter­es­sen­trä­gern ein­ge­schränkt werden.

Somit wird ins­be­son­de­re für das Ener­gie­sys­tem — das zel­lu­lär sowohl lokal, natio­nal sowie euro­pä­isch und im inter­na­tio­na­len Kon­text zu gestal­ten ist — die Neu­aus­rich­tung des Ver­hält­nis­ses von Rechts­sys­tem, nor­ma­ti­ver Basis und Beför­de­rung von Inno­va­tio­nen empfohlen.

Im nächs­ten Kapi­tel wer­den ent­spre­chen­de Empfehlungen

  • zur Umset­zung der EU-Richt­li­nie zu Erneu­er­ba­ren Energien,
  • bezüg­lich der Vor­schlä­ge der Bun­des­netz­agen­tur zur Netz­in­te­gra­ti­on von Prosumenten,
  • zur wei­te­ren Aus­ge­stal­tung des intel­li­gen­ten Mess­sys­tems und der Nut­zung der zuge­hö­ri­gen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tung (Smart Meter Gate­way – SMGW)
  • sowie zur natio­na­len Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes

gege­ben.

Quellen

BMWi/BSI – Stu­fen­mo­dell (08/2020): Her­aus­ge­ber BMWi / BSI. Stu­fen­mo­dell zur Wei­ter­ent­wick­lung der Stan­dards für die Digi­ta­li­sie­rung der Ener­gie­wen­de. Dis­kus­si­ons­ent­wurf. Ber­lin, 08/2020.

BR COM (2020) 65 final: Bun­des­re­gie­rung. Stel­lung­na­me der Bun­des­re­gie­rung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zum Weiß­buch zur künst­li­chen Intel­li­genz – ein euro­päi­sches Kon­zept für Exzel­lenz und Vertrauen.
COM (2020) 65 final. Berlin.

EU Mit­tei­lung. (11/2018): Mit­tei­lung der Kom­mis­si­on an das euro­päi­sche Par­la­ment, den Rat und den euro­päi­schen Wirt­schafts- und Sozi­al­aus­schuss (11/2018) zum The­ma „Har­mo­ni­sier­te Nor­men: Ver­bes­ser­te Trans­pa­renz und Rechts­si­cher­heit für einen unein­ge­schränkt funk­tio­nie­ren­den Bin­nen­markt“. Brüs­sel, den 22.11.2018

EU Report. (04/2019): Ethics guid­li­nes for trust­wor­t­hy AI, Brüs­sel, 18.04.2019. ergänzt am 26.06.2019.

EU Weiß­buch. (02/2019): Weiß­buch zur künst­li­chen Intel­li­genz – ein euro­päi­sches Kon­zept für Exzel­lenz und Ver­trau­en, Brüs­sel, 19. Febru­ar 2019.

Rede­ker. (08/2020): Rechts­an­wäl­tin Kath­rin Din­ge­mann und Rechts­an­walt Dr. Mat­thi­as Kott­mann. Rechts­gut­ach­ten zum euro­päi­schen Sys­tem der har­mo­ni­sier­ten Nor­men. Erstellt im Auf­trag des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft und Ener­gie (BMWi). Ber­lin, August 2020.

Lei­men, den 27. Okto­ber 2020

Andre­as Kieß­ling, ener­gy design

Über Andreas Kießling 111 Artikel
Andreas Kießling hat in Dresden Physik studiert und lebt im Raum Heidelberg. Er beteiligt sich als Freiberufler und Autor an der Gestaltung nachhaltiger Lebensräume und zugehöriger Energiekreisläufe. Dies betrifft Themen zu erneuerbaren und dezentral organisierten Energien. Veröffentlichungen als auch die Aktivitäten zur Beratung, zum Projektmanagement und zur Lehre dienen der Gestaltung von Energietechnologie, Energiepolitik und Energieökonomie mit regionalen und lokalen Chancen der Raumentwicklung in einer globalisierten Welt.

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