Politikwandel initiieren

Statt Regulierung Chancen eröffnen und unabhängige Gestaltung ermöglichen

Politikwandel initiieren
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Für nachhaltiges Wachstum Politikwandel initiieren

Statt Regulierung Chancen eröffnen und unabhängige Gestaltung ermöglichen

Ers­te Auf­ga­be zur erfolg­rei­chen Gestal­tung des Wan­dels ist es, Begeis­te­rung aus­zu­lö­sen und Bewusst­sein für Chan­cen zu bil­den, um Aktio­nen aus­zu­lö­sen, anstatt in Furcht vor der Zukunft zu erstar­ren. Arnold Schwar­zen­eg­ger spricht auf dem Aus­tri­an World Sum­mit lei­den­schaft­lich davon, wie Men­schen zum Han­deln moti­viert wer­den. Wir müs­sen dazu einen Poli­tik­wan­del initiieren.

 

Bei allen Pro­jek­ten zu Tech­no­lo­gien, neu­en Märk­ten und Digi­ta­li­sie­rung des zukünf­ti­gen Ener­gie­sys­tems bleibt am Schluss die grund­le­gen­de Erkennt­nis, dass Par­ti­zi­pa­ti­on der Schlüs­sel zum Erfolg der Ener­gie­wen­de ist; ver­bun­den mit der Auf­ga­be, die Bewusst­seins­bil­dung zu Mög­lich­kei­ten der Betei­li­gung vor­an­zu­trei­ben. Erneu­er­ba­re Ener­gien brin­gen Wert­schöp­fungs­chan­cen in Kom­mu­nen und länd­li­chen Regio­nen, auto­no­me Gestal­tungs­chan­cen für die Men­schen im Wohn- und Arbeits­um­feld. Hier­aus fol­gen aber auch neue Ansät­ze zum Design nach­hal­ti­ger Gebäu­de und Lebens­räu­me sowie für das Zusam­men­wir­ken von Men­schen in der Gemein­schaft. In einer zuneh­mend kom­ple­xe­ren Welt wird Glo­ba­li­sie­rung durch loka­les Han­deln und Fle­xi­bi­li­tät ergänzt und Wider­stands­fä­hig­keit bei Gefähr­dungs­si­tua­tio­nen erhöht.

Han­deln zum loka­len und regio­na­len Nut­zen im glo­ba­len Ver­bund schafft eine Art zel­lu­lä­res Ener­gie­sys­tem mit viel­fäl­ti­gen For­men der Par­ti­zi­pa­ti­on. Dies umfasst die Eigen­ver­sor­gung in Gebäu­den, Quar­tie­ren sowie auf indus­tri­el­len oder länd­li­chen Area­len im Ver­bund aller Ener­gie­trä­ger sowie Erneu­er­ba­re Ener­gie­ge­mein­schaf­ten. Dar­aus fol­gen auch neue Chan­cen für die Stadt­wer­ke als loka­le Ener­gie­dienst­leis­ter und Infrastrukturbetreiber.

 

Schaut man sich zu die­ser Ziel­stel­lung das gesell­schaft­li­che Umfeld an, ist fest­zu­stel­len, dass der Regu­lie­rungs­rah­men zu wenig Krea­ti­vi­tät erlaubt. Es wird ein Rah­men mit mehr Offen­heit und Fle­xi­bi­li­tät benö­tigt, der es ermög­licht, neue Lösun­gen auszuprobieren.

 

Poli­tik erscheint beim Groß­teil der Par­tei­en­land­schaft zum Ziel einer nach­hal­ti­gen Lebens­wei­se und eines erneu­er­ba­ren Ener­gie­sys­tems einig. Dabei wird aber der Kern der Ver­än­de­rungs­pro­zes­se ver­kannt. Es geht nicht vor­ran­gig dar­um, Pro­zes­se zur Bereit­stel­lung, zum Trans­port und zur Ver­tei­lung von Roh­stof­fen und Ener­gie bei bis­he­ri­gen Akteu­ren anzu­pas­sen. Statt­des­sen gilt es, den gesamt­sys­te­mi­schen Wan­del zu ver­ste­hen, der völ­lig neue For­men der Gestal­tung von Ener­gie- und Roh­stoff­flüs­sen durch Akteu­re in allen Lebens­um­fel­dern schafft.

 

Des­halb ist die Ener­gie­wen­de zuerst eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Chan­ce, bei der Poli­tik nicht die Auf­ga­be hat, die noch rela­tiv unbe­kann­te Zukunft schon heu­te im Detail zu regu­lie­ren. Im Gegen­teil besteht die poli­ti­sche Auf­ga­be dar­in, Frei­räu­me zu schaf­fen, die alle Men­schen und Unter­neh­men nut­zen können.

 

Die For­schung zu Akzep­tanz und Betei­li­gung in geför­der­ten Pro­jek­ten zur Unter­su­chung des zukünf­ti­gen Ener­gie­sys­tems offen­bar­te aber auch die Schwie­rig­kei­ten. Im Mit­tel­punkt der Betrach­tun­gen stan­den zuerst tech­ni­sche und wirt­schaft­li­che Lösun­gen im aktu­el­len Rah­men. Die Not­wen­dig­keit eines gesamt­sys­te­mi­schen Wan­dels konn­te der Poli­tik noch nicht genü­gend ver­deut­licht wer­den. Man bewegt sich auf Glatt­eis, wenn man der Poli­tik den Spie­gel vor­hält. Aber bei rela­tiv kur­zen Wahl­zy­klen und einer sich schnell ver­än­dern­den Welt scheint Poli­tik eher geneigt, sich tak­ti­schen Auf­ga­ben mit kur­zem Zeit­ho­ri­zont und ein­fa­chen Ant­wor­ten auf beschränk­te Pro­blem­krei­se zuzu­wen­den. In die­sem Umfeld sind stra­te­gi­sche, über meh­re­re Wahl­pe­ri­oden rei­chen­de Auf­ga­ben im poli­ti­schen Kon­sens ver­schie­de­ner Kräf­te schwer zu meis­tern. Lang­fris­ti­ges, visio­nä­res Han­deln wird vom Wäh­ler nicht unbe­dingt belohnt.

Letzt­end­lich set­zen der­ar­ti­ge, in die Zukunft rei­chen­de Auf­ga­ben die not­wen­di­ge Bewusst­seins­bil­dung in der gesam­ten Gesell­schaft vor­aus, die dann fol­ge­rich­tig in poli­ti­sches Han­deln mün­det. Dabei benö­tigt Bun­des­po­li­tik Ansprech­part­ner gesell­schaft­li­cher Grup­pen, um not­wen­di­ges Han­deln ablei­ten zu kön­nen. Es kann aber die Ten­denz beob­ach­tet wer­den, dass ent­spre­chen­de Kon­tak­te auf­grund wirt­schaft­li­cher Stär­ke eher mit eta­blier­ten Unter­neh­men bis­he­ri­ger Struk­tu­ren bestehen. Deren Sicht beför­dert nicht unbe­dingt grund­sätz­li­che Ver­än­de­rungs­pro­zes­se, die statt zen­tra­ler Lösun­gen den Weg zu dezen­tra­len Kon­zep­ten und auto­no­men Han­deln auf ver­schie­de­nen gesell­schaft­li­chen Ebe­nen vorschlagen.

Der gesamt­ge­sell­schaft­li­che Wan­del zum nach­hal­ti­gen Wachs­tum auf Basis eines erneu­er­ba­ren Ener­gie­sys­tems benö­tigt eine stär­ke­re Ver­zah­nung der Bür­ger­ge­sell­schaft mit der Bun­des­po­li­tik. Schaut man sich Geset­zes­än­de­run­gen der letz­ten Jah­re an, wird aber der Trend zu Eigen­ver­sor­gung, zu gemein­sa­men Lösun­gen in Gebäu­den und Quar­tie­ren, zu Bür­ger­en­er­gie­ge­mein­schaf­ten sowie zu Genos­sen­schaf­ten für Erneu­er­ba­re Ener­gie zuneh­mend begrenzt oder durch Büro­kra­ti­sie­rung behin­dert. Wenn die Bür­ger­ge­sell­schaft mobi­li­siert wird, scheint dies zuneh­mend als Wider­stand gegen­über Erneu­er­ba­rer Ener­gie zu erfolgen.

Zum Bei­spiel gelang es dem „Anti-Wind­ener­gie-Ver­ein“ unter der sinn­ver­fäl­schen­den Bezeich­nung „Ver­nunft­kraft“ seit dem Jah­re 2013 „erfolg­reich“ am Ein­bruch des Wind­ener­gie-Aus­baus in Deutsch­land mit­zu­wir­ken. Als ers­ter Vor­sit­zen­der die­ser Orga­ni­sa­ti­on wirkt Dr. Niko­lai Zieg­ler, der gleich­zei­tig als Beam­ter und Refe­rent im Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um arbei­tet. Dr. Zieg­ler war sich nicht zu scha­de, im Jah­re 2020 als Vor­sit­zen­der von “Ver­nunft­kraft” und gleich­zei­tig Ange­stell­ter im Minis­te­ri­um an das BMWi zur Novel­lie­rung des Erneu­er­ba­re-Ener­gien-Geset­zes zu schrei­ben. Dabei schluss­fol­gert er, dass die Nut­zung Erneu­er­ba­rer Ener­gie nicht im öffent­li­chen Inter­es­se liegt; womit erfolg­rei­cher Lob­by­is­mus der alten Welt vor­ge­führt wird.

https://www.rbb-online.de/kontraste/archiv/kontraste-vom-15–07-2021/ausgebremst-windkraft-in-der-krise.html

 

Gleich­zei­tig wird im Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um über Jah­re eine Stu­die genutzt, die einen Wert zum Infra­schall von Wind­an­la­gen ver­brei­tet, der durch einen Rechen­feh­ler bis zu 10.000-fach über­höht ist. Die vom Minis­te­ri­um zu die­ser Stu­die beauf­trag­te Bun­des­an­stalt für Geo­wis­sen­schaf­ten und Roh­stof­fe kor­ri­gier­te den Feh­ler erst, nach­dem sie ein Jahr lang kon­ti­nu­ier­lich von einem Wis­sen­schaft­ler auf den Feh­ler auf­merk­sam gemacht wur­de. Der zustän­di­ge Minis­ter Alt­mai­er ent­schul­dig­te sich für den Feh­ler, sieht aber die Ver­brei­tung der Feh­ler­mel­dung bei der „inter­es­sier­ten Öffent­lick­eit“. Somit benut­zen wei­ter­hin alle Wind­kraft­geg­ner die feh­ler­haf­te Studie.

Inzwi­schen umfasst der Ver­ein „Ver­nunft­kraft“ ein Netz­werk hun­der­ter Ver­ei­ne in ganz Deutsch­land, die gegen Wind­ener­gie pro­tes­tie­ren und kla­gen. Der Ver­ein mani­pu­liert Men­schen in ganz Deutsch­land und besitzt gleich­zei­tig bes­te Ver­bin­dun­gen zur Bundespolitik.

Somit stellt sich die Fra­ge, war­um die Befür­wor­ter dezen­tra­ler, erneu­er­ba­rer Lösun­gen, von Auto­no­mie­kon­zep­ten zum Eigen­ver­brauch selbst gewon­ne­ner Ener­gie, zur Bil­dung von Genos­sen­schaf­ten und zur Umset­zung gemein­schaft­li­cher Lösun­gen in Gebäu­den, Stadt­quar­tie­ren und länd­li­chen Area­len kei­ne ana­lo­ge Inter­es­sen­ver­tre­tung orga­ni­se­ren? Men­schen for­dern in ande­ren Berei­chen mehr loka­le Auto­no­mie, regio­na­les Han­deln, regio­na­le Pro­duk­te, Eigen­stän­dig­keit und Fle­xi­bi­li­tät trotz Glo­ba­li­sie­rung. Wie kann es gelin­gen, die­se For­de­run­gen auch bezo­gen auf die Grund­be­dürf­nis­se zu Ener­gie als Grund­la­ge von Leben und Arbeit an die Poli­tik zu transportieren?

 

Im Pro­gramm „Schau­fens­ter intel­li­gen­te Ener­gie“ fol­gert das Pro­jekt C/sells, dass Par­ti­zi­pa­ti­on, Viel­falt und Zel­lu­la­ri­tät das Ener­gie­sys­tem der Zukunft bestim­men. Ein Nach­teil von Viel­falt mag sein, dass die gemein­sa­me Stim­me im Schwarm der Akteu­re fehlt. Inso­fern wer­den Struk­tu­ren benö­tigt, die vie­le Stim­men zu einer Stim­me bei gemein­sa­men Anfor­de­run­gen bün­deln. Exis­tie­ren­de Ver­ei­ne, wie die Smart Grid Platt­form Baden-Würt­tem­berg, leis­ten eine wich­ti­ge Arbeit bei der Bün­de­lung von For­schung und Ent­wick­lung mit Her­stel­lern, Bera­tern, Unter­neh­men der Ener­gie­wirt­schaft sowie Pro­jekt­ent­wick­lern. Eben­so wir­ken ver­schie­de­ne Orga­ni­sa­tio­nen zu Erneu­er­ba­ren Ener­gien erfolg­reich bei der Ver­brei­tung von Kon­zep­ten und Möglichkeiten.

Der Autor mach­te dabei aber im Rah­men von 15 Jah­ren zuge­hö­ri­ger Pro­jek­te auch die Erfah­rung, dass oft nicht die Spra­che der Men­schen in ihrem unmit­tel­ba­ren Lebens­um­feld gespro­chen wird. Exis­tie­ren­de Ver­ei­ne in loka­len Berei­chen sind in der Regel nicht umfas­send ver­netzt. Inso­fern soll­te der „erfolg­reich“ destruk­tiv wir­ken­den Dach­or­ga­ni­sa­ti­on „Ver­nunft­kraft“ die Gestal­tung eines Netz­wer­kes loka­ler Akti­vi­tä­ten ent­ge­gen­ge­setzt wer­den. Dabei gilt es nicht nur, über Kli­ma­schutz zu reden, son­dern Chan­cen der Umge­stal­tung für wirt­schaft­li­chen Erfolg, zur Unab­hän­gig­keit, zur Gemein­schaft aus­zu­pro­bie­ren, zu unter­stüt­zen, zu ver­brei­ten, den Rah­men aus­zu­tes­ten und die sys­te­mi­sche Umge­stal­tung und Ver­ein­fa­chung des Rah­mens bei der Poli­tik einzufordern.

 

Quel­len zum Arti­kel “Poli­tik­wan­del initiieren”:

https://energieorganismus.de/beteiligung-und-gestaltungsvielfalt/

https://energieorganismus.de/11-prinzipien-einer-erfolgreichen-energiewende/

https://energieorganismus.de/bauhaus‑2–0/

https://energieorganismus.de/staedte-und-landschaften-der-zukunft/.


Andre­as Kieß­ling, ener­gy design, Lei­men / Hei­del­berg — 18. Juli 2021

Andre­as Kieß­ling, ener­gy design, 

Über Andreas Kießling 110 Artikel
Andreas Kießling hat in Dresden Physik studiert und lebt im Raum Heidelberg. Er beteiligt sich als Freiberufler und Autor an der Gestaltung nachhaltiger Lebensräume und zugehöriger Energiekreisläufe. Dies betrifft Themen zu erneuerbaren und dezentral organisierten Energien. Veröffentlichungen als auch die Aktivitäten zur Beratung, zum Projektmanagement und zur Lehre dienen der Gestaltung von Energietechnologie, Energiepolitik und Energieökonomie mit regionalen und lokalen Chancen der Raumentwicklung in einer globalisierten Welt.

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