KONULTATIONSPAPIER DER C/SELLS-FACHÖFFENTLICHKEIT
Kurzfassung
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Folgende zentrale energiewirtschaftliche Positionen und Empfehlungen haben wir aus der C/sells Projektarbeit herausgearbeitet und in Abb.1–1 „auf einen Blick“ zusammengestellt:
Abbildung 1‑1 : Energiewirtschaftliche Positionen von C/sells auf einen Blick
C/sells ist ein Demonstrationsprojekt im Rahmen des SINTEG[1]-Programmes. Das Förderprogramm SINTEG des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) will skalierbare Musterlösungen für eine sichere, wirtschaftliche, umweltverträgliche und akzeptierte Energieversorgung bei hohen Anteilen fluktuierender Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie entwickeln und demonstrieren. Im Mittelpunkt stehen technische, wirtschaftliche und juristische Aspekte sowie die Integration und Partizipation der Bürgerinnen und Bürger. In diesem Kontext bedeutet Partizipation für uns, Möglichkeiten zur autonomen Eigengestaltung von Energiesystemen zu maximieren. Damit werden auch die Forderungen des sogenannten EU-Winterpaketes[2] zu Erneuerbaren Energien (EE) zur Stärkung von Eigenversorgern, von gemeinschaftlich handelnden Eigenversorgern sowie von EE-Gemeinschaften verwirklicht.
Nach den erfolgreichen Ministerdialogen in den C/sells-Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen findet im Abschlussjahr der C/sells-Ministerdialog auf Grund der Corona-Epidemie im Rahmen des C/sells-Abschluss-Symposiums in Stuttgart statt.
Das Ziel der C/sells Ministerdialoge ist es zum einen, die Schlüsselergebnisse des C/sells-Projektes unseren Auftraggebern, den politischen Entscheidungsträgern, zu präsentieren und zu erläutern. Zum anderen sollen konkrete Empfehlungen oder Forderungen ausgesprochen und gemeinsame Aktionen vereinbart werden. Die Zielgruppe der Ministerdialoge sind die Minister und politischen Kräfte der C/sells Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sowie des Bundes. Zu diesem Zweck haben wir unsere Erkenntnisse und Empfehlungen, wie in nebenstehender Abbildung dargestellt, in sechs Themenbereichen zusammengefasst.
Abbildung 1‑2 : Themenbereiche der energiewirtschaftlichen Positionen des Projektes C/sells
Erstens
Zellen als Räume autonomer[3] und partizipativer Gestaltung der Energiewende schaffen: Zellulär verbundene, vielfältige und partizipative Energieinfrastrukturen sind nach unseren Erkenntnissen ein geeigneter Ansatz, um wesentliche Ziele der Energiewende zu erreichen: erstens die angestrebte, nahezu vollständige Marktdurchdringung von EE[4] beherrschen zu können, zweitens die Versorgungssicherheit zu verbessern und drittens die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger sowie der Industrie zu ermöglichen. Die mehr als 300 engagierten Expertinnen und Experten der C/sells-Community haben ein interdisziplinäres Netzwerk für fachkompetente und systemische Innovation geschaffen, das zuvor undenkbare Innovationen ermöglicht.
Wir empfehlen in Anlehnung an die EU-Direktive[5] zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, ein legislatives Umfeld zu schaffen, das die Beteiligung der Verbraucher am Energiemarkt, die Schaffung von Energiegemeinschaften und die Gestaltung von Autonomiezellen vereinfacht.
Zweitens
Flexibilität und Digitalisierung als Enabler der Energiewende fördern, regeln und erproben: Flexibles Verhalten in Kombination mit verschiedenen Handlungsmöglichkeiten und Digitalisierung gehört zu den grundlegenden Enablern der Energiewende, ohne die – nach dem absehbaren Abbau der Überkapazitäten – die Dekarbonisierungsziele nicht erreicht werden können. Die entwickelten Umsetzungen der C/sells-Flex-Plattformen comax, ReFlex und ALF stellen in Kombination mit dem Umsetzungskonzept des Digitalen Netzanschlusses erprobte Lösungsbausteine für eine massenhafte Flexibilitätsnutzung dar.
C/sells denkt Netz und Markt gemeinsam. Wir empfehlen, ein Regelwerk für die Erschließung und die Koordination der vielfältigen, verstreuten und oft kleinteiligen Flexibilität zu erstellen. Dieses vermag über Plattformlösungen die Nutzung von Flexibilität auf der Verbraucher- wie der Erzeugerseite anzureizen, im Sinne einer schnellen Verrechtlichung der Ausgestaltung des §14a EnWG. Auch sollte das neue Regelwerk den Marktzugang für kleine Anlagen vereinfachen sowie den Marktakteuren neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Zu diesen neuen Handlungsmöglichkeiten gehören z. B. der Energieaustausch in der Nachbarschaft, autonom handelnde Eigenversorger und EE-Gemeinschaften, aber auch die Nutzung für das Netzengpassmanagement. Ebenso ist für eine systemisch sinnvolle, überlagerungsfreie Integration von dezentraler Flexibilität eine Anpassung der Abgaben‑, Umlagen- und Entgeltsystematik (z.B. durch netznutzungsabhängige Entgelte und eine Reform der EEG-Umlagensystematik) erforderlich. Weder den Netzbetreibern noch den Netznutzern sollen Zusatzkosten für einen netzdienlichen Flexibilitätseinsatz entstehen, und zudem sollten Anreize für netzdienliches Verhalten geschaffen werden.
Wir empfehlen, eine über die bisherigen Arbeiten in C/sells hinausgehende, flächendeckende Flexibilitätspotenzial- und Machbarkeitsanalyse für die Umsetzung der in C/sells entwickelten Flexibilitätsmechanismen sowie darauf aufbauend eine weiterführende Roadmap zu beauftragen. Die Analyse sollte auch die technische Machbarkeit der Flexibilitätsanbindung untersuchen. Zudem sollte sie den regionalen Breitbandausbau in Anbetracht der zu erwartenden oder bereits angebotenen Flexibilitätspotenziale und ‑nachfrage priorisieren.
Drittens
Energiewende als Industrie- und Gesellschaftspolitik betrachten: In der C/sells-Praxisarbeit haben wir erfahren, dass die Energiewende weit mehr ist als die Lösung technischer Fragestellungen. Energiewende ist ein grundlegender industrie- und gesellschaftspolitischer Wandel mit innovativen und transdisziplinären Kollaborationslösungen im technischen, ökonomischen, aber ebenso im gesellschaftlichen Bereich.
Wir empfehlen, den Zellularitätsansatz nebst seiner Schlüsseltechnologien, wie z.B. Smart Meter, mithilfe von zusätzlichen Multi-Channel Kommunikationskampagnen zu unterstützen. Ziel ist es, das Bewusstsein für die Digitalisierung der Energiewende sowie den volkswirtschaftlichen und persönlichen Nutzen zu steigern und das Vertrauen der Bevölkerung in Datenschutz und Datensicherheit des intelligenten Messsystems zu vergrößern.
Wir empfehlen, längerfristige Experimentierräume in Eigenverantwortung einzuführen für Flexibilitätsmechanismen vom Übertragungsnetzbetreiber bis zur Kundenanlage sowie für das systemische Zusammenwirken aller relevanten Komponenten inklusive Regulierungsrahmen und partizipationsfähigen Marktmechanismen. Sie dienen weiterhin zur Erprobung von entsprechendem Innovationstempo flexibel anpassbarer Sicherheitsprinzipen, der Resilienz durch verbundene, dezentrale Intelligenz in Zellen (Microgrids) sowie des legislativen Rahmens.
Wir empfehlen, das System zur Förderung von Innovationsprojekten so umzugestalten, dass es ein Projektvorbereitungsbudget für Großanträge gibt und dass das Förderprozedere insgesamt einfacher wird. Dies würde einen erheblichen Vorteil gegenüber dem aktuellen Förderregime darstellen. Es sollte anstreben, mit Langfristigkeit Qualität zu sichern, Planungssicherheit zu gewährleisten und adaptiv auf neue Fragestellungen oder mit zusätzlichen Partnern reagieren zu können.
Viertens
Mit Vielfalt und Standards in die Fläche gehen: C/sells zeigt die Lösungsmöglichkeiten für die Umsetzung der Energiewende in der Fläche und die dafür notwendigen technischen Voraussetzungen für eine massenhafte Implementierung auf. Dies betrifft vor allem den Gebäudebereich, wo zukünftig immer mehr Energie erzeugt, gespeichert und genutzt wird.
Nach dem Motto „Vielfalt braucht Standards“ empfehlen wir die Einführung eines verpflichtenden Labels für Smart Buildings mit einer standardisierten und sicheren Smart-Grids-Schnittstelle (z. B. „C/sells-Smart-Grids-Ready“) für Neubauten und eine Investitionsförderung für Eigentümer zur Ertüchtigung der elektrischen Infrastruktur der Bestandsgebäude. Die Standards sollen den Anschluss aller Gebäude mit flexiblen Anlagen und Geräten über intelligente Regel- und Messsysteme nach dem Plug-and-Play-Verfahren ermöglichen und Interoperabilität sicherstellen. C/sells schlägt vor, dass die Politik nur die Anforderungen an die sichere, standardisierte Kommunikation und an die zugehörige Architektur vorgibt, und zwar durch den im Rahmen der vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) moderierten Task Force Smart Grid / Smart Metering / Smart Mobility. Die Industrie ist dabei aufgerufen, die Umsetzung für die Smart-Grids-Readiness am digitalen Netzanschluss des Gebäudes in Verbindung mit der intelligenten Messeinrichtung im Rahmen von Standardisierungsprozessen selbst zu bestimmen. Das Smart Meter Gateway stellt hierbei einen sicheren, zertifizierten und regulierten Kommunikationskanal dar. Diese Gerätetechnik sollte marktgetrieben entwickelt werden. Entsprechende Sicherheitsstandards sind natürlich einzuhalten; sie bedürfen aber durch den zertifizierten Netzanschlusspunkt keiner zusätzlichen BSI-Zertifizierung. Ein Konzept für ein entsprechendes C/sells-Smart-Grids-Ready-Label haben wir im Rahmen des C/sells-Projektes erstellt. Für die Erarbeitung einer detaillierten Spezifikation stehen wir zur Verfügung.
Wir empfehlen, die flächendeckende und verbindliche Standardisierung von Schnittstellen und Prozessen als Voraussetzung für den grundlegenden industrie- und gesellschaftspolitischen Wandel voranzutreiben. Die damit einhergehende Investitionssicherheit ermöglicht der vielfältigen, vornehmlich mittelständischen Industrie in den C/sells-Ländern einen Wettbewerbsvorteil und im geeinten Branchencluster eine starke Innovationskraft, wie die C/sells-Demozellen bereits nach vier Jahren Arbeit erahnen lassen.
Wir empfehlen, einen digitalen Netzanschluss zu flexiblen Gebäudezellen sowie flexiblen Anlagen zu definieren. Dieser Anschluss soll Leistungsgrenzen am Netzanschluss durch den Netzbetreiber regeln und über Vorgaben an ein autonomes Energiemanagement weitergeben, welches die Geräte und Anlagen in den Gebäuden orchestriert. Der digitale Netzanschluss nutzt den sicheren Kommunikationsweg des Gateways und wird damit zur sicheren Regelungskomponente des SmartGrids an der Kundenanlage, unter Einhaltung der Anforderungen des Gesetzgebers. Dazu notwendige Technologien sowie Interoperabilität und Sicherheit sollten durch die Industrie, Verbände und Standardisierungsgremien vorangetrieben werden.
[1] “Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende”
[2] https://www.clearingstelle-eeg-kwkg.de/sites/default/files/Richtlinie%20EU%202018.2001_0.pdf
[3] wir plädieren für Autonomie und explizit nicht Autarkie
[4] EE….Erneuerbare Energien
[5] RICHTLINIE (EU) 2018/2001 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11.12.2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Die Umsetzungsfrist läuft bis Juni 2021.
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