Inhaltsverzeichnis
- Vorwort — Dampfmaschine im Cyber War
- Zusammenfassung — Innovationsimpulse statt Detailregulierung
- Empfehlungen zur EEG- und EnWG-Novelle — Autonomie hinter dem Netzanschluss
- Treiber der Energiewende
- Standards sind Bindeglied zwischen Innovation und Sicherheit — Gestaltungsebenen wirtschaftlicher Entwicklung
- Eigenversorgung und Energiegemeinschaften
- Empfehlungen für die Schnittstelle zum Prosumenten
- C/sells-Position zum Stufenmodell des BMWI zur Weiterentwicklung von Standards für die Digitalisierung der Energiewende
- Technische Detailregulierung im EEG unter Blickwinkel der Abgrenzung von Rechtssystem, normativer Basis und Innovation
- Lab Hybrid — Digitaler Netzanschluss und autonomes Energiemanagement — Blaupause für Novellierung EnWG und EEG
Technische Detailregulierung im EEG unter Blickwinkel der Abgrenzung von Rechtssystem, normativer Basis und Innovation
BSW fordert zu EEG: keine Ausschreibung bis 750 kW — Eigenverbrauch ohne EEG-Umlage bis 30 kW & Streichung unmittelbarer räumlicher Zusammenhang & keine Personenidentität bei Eigenverbrauch für Energiegemeinschaften — keine Messsystempflicht unter 7 kW
Technische Detailregulierung im EEG als Hindernis für Innovation und Partizipation
EEG-Reform
Wirtschaftsminister Altmaier fordert eine parteiübergreifende Charta der Energiewende, die Kreativität und Innovationen zur Beschleunigung des Transformationsprozesses entfalten soll. Dafür sind Hemmnisse zu beseitigen und Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Ein Energiehaus der Energiewende soll der Welt Erfolgsbeispiele aufzeigen.
Gleichzeitig liegt dem Bundestag ein Gesetzentwurf vor, der das Konzept der technischen Detailregulierung im EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) fortsetzt. Dabei wird gesamtsystemischen, dezentralen Lösungswegen in segmentierten zellulären Strukturen zur Selbstgestaltung bei Bürgern, Unternehmen, in Kommunen und Regionen weiterhin den Weg versperrt.
Nachfolgende Kritikpunkte begründen diese Schlussfolgerung.
Ausschreibungen bei Neuanlagen, Wertersatz bei Altanlagen und Mieterstrom
Erweiterung der Ausschreibungen
Im EEG werden neue Ausschreibungssegmente eingeführt – vorerst mit einer Senkung von 750 auf 500 Kilowatt — deren Anwendung bei zeitlicher Staffelung schlussendlich bis zu Anlagen mit einer Leistung von 100 Kilowatt erfolgen soll. Derartige Anlagen kommen beispielsweise schon auf privaten Bauerhöfen in Betracht. Es stellt sich die Frage, warum das Engagement einer privaten Vielfalt von Investoren durch die Erweiterung bürokratischer Verfahren zusätzlich eingeschränkt werden soll, wenn die Ausbauziele aktuell schon nicht erreicht werden.
Weiterbetrieb von Anlagen nach Auslaufen der Förderung durch das EEG
Zum Weiterbetrieb von aus der Förderung laufenden Altanlagen wird die sogenannte Netzbetreiber-Option vorgeschlagen, die das sogenannte „wilde Einspeisen“ durch einen Wertersatz verhindern soll. Der Wertersatz bei Kleinanlagen unter 30 Kilowatt in Verbindung mit der geforderten zusätzlichen Messtechnik sowie laufenden Betriebskosten macht den Weiterbetrieb unwirtschaftlich. Insofern ist der Abbau von PV-Anlagen und damit der Verlust an PV-Erzeugung nach dem Förderzeitraum zu vermuten.
Mieterstrom / Eigenverbrauch / Energiegemeinschaften
Die Rahmenbedingungen für Mieterstrom sollen verbessert werden. Mieterstrom ist aber nur eine Komponente von möglichen Eigenverbrauchslösungen. In der EU-Richtlinie zu Erneuerbaren Energien wird stattdessen zwischen Eigenverbrauch, gemeinschaftlichen Eigenverbrauch in Gebäuden und Quartieren oder anderen privaten Arealen sowie Energiegemeinschaften im öffentlichen Raum unterschieden. Trotz Forderungen, die EU-Richtlinie entsprechend umzusetzen, lässt der Gesetzesentwurf zum EEG diese Vielfalt der Möglichkeiten zur Partizipation an der Energiewende außer Acht.
Partizipation in von C/sells geforderten Umfang kann nur durch die Ausdehnung des Eigenverbrauch-Begriffes erreicht werden. Vorgeschlagen wird eine Eigenverbrauchs-Regelung ohne EEG-Umlage für Anlagen bis 30 Kilowatt, die Streichung der Formulierung zum Eigenverbrauch in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang sowie die Aufhebung der Personenidentität bei Eigenverbrauch. Damit sind sowohl gemeinschaftlicher Eigenverbrauch als auch die Schaffung von Energiegemeinschaften zu befördern.
Anlagenbezogene technische Detailvorschriften mit intelligenten Messsystem
Netzanschlussbezug für Teilsysteme (Zellen) im Sektorenverbund statt Kleinanlagenbezug
Betreiber von Anlagen mit installierten Leistungen über bestimmten Grenzen und Betreiber von KWK-Anlagen müssen ihre Anlagen mit technischen Einrichtungen ausstatten, mit denen der Netzbetreiber jederzeit die Ist-Einspeisung abrufen kann und die Einspeiseleistung bei Netzüberlastung stufenlos ferngesteuert regeln kann. Dies betrifft auch Altanlagen.
Hierbei wird weiterhin grundsätzlich nur von Einzelanlagen oder Anlagen gleicher Art (z.B. mehrere PV-Anlagen als System) gesprochen. Dies bedeutet, dass im Gebäudebereich für PV-Anlagen, KWK-Anlagen sowie Batteriespeicher separate Mess- und Steuereinrichtungen eingebaut werden müssen und somit zur Vervielfältigung der Kosten führen. Dies betrifft auch Anlagen ab einem Kilowatt Leistung und damit kleinste Balkonanlagen. Nicht betrachtet wird die Möglichkeit, im Rahmen eines digitalen Netzanschlusses nur eine Messeinrichtung für die Überschusseinspeisung und den restlichen Energiebezug sowie eine zugehörige Einrichtung zur Leistungssteuerung am gemeinsamen Netzanschluss zu fordern. Das Zusammenführen unterschiedlicher Anlagen zu einer gemeinsamen Leistungssteuerung kann durch ein Energiemanagementsystem in der jeweiligen Zelle erfolgen.
Deshalb wird empfohlen, die Pflicht zur Ausstattung mit Messsystemen für Anlagen unter 7 Kilowatt im allgemeinen Falle zu streichen. Bei Hausanschlüssen mit bis zu 30 Kilowatt Leistung, die mit einem digitalen Netzanschluss sowie einem lokalen Energiemanagementsystem ausgestattet sind, um nur Überschüsse einzuspeisen und Reststrom zu beziehen, sollte nur ein Messsystem mit bidirektionaler Leistungsmessung gefordert werden.
Das Argument der Cybersicherheit in Verbindung mit der Forderung nach Messsystemen an allen Kleinstanlagen ist nicht stichhaltig. Ein Hausanschluss mit digitalem Netzanschluss – SMGW und Steuerbox – in Verbindung mit einem aggregierenden Energiemanagementsystem versteckt quasi alle Einzelanlagen hinter einem sicheren Kommunikationsknoten.
Fokus der Reform des EEG auf das intelligente Messsystem
Anlagenbetreiber, die keine EEG-Zulage mehr erhalten oder darauf verzichten, setzen Lösungen zur Eigenverbrauchsoptimierung in Verbindung mit der Vermarktung von Überschüssen um. Der EEG-Gesetzesentwurf fordert für diese Akteure den Einbau von Einrichtungen zur Messung der Momentaneinspeisung sowie der stufenlosen Steuerung. Die technische Umsetzung wird aber nicht dem Markt überlassen, sondern ausschließlich auf das intelligente Messsystem fokussiert. Dessen Nutzung für Steuerungsfunktionen ist aber von einem technischen Detailregulierungsprozess in der BMWi/BSI-Task Force Smart Metering / Smart Grid / Smart Mobility betroffen. Somit besteht die Gefahr, dass die Anforderung zur ausschließlichen Nutzung bis 2025 den weiteren PV-Ausbau zusätzlich ausbremst. Von diesen Pflichten kann bei Anlagen unter 100 kW nur abgewichen werden, wenn der gesamte erzeugte Strom eingespeist wird. Diese technische Detailregulierung im EEG stellt sich wiederum als Bremse zur Partizipation an den Chancen der Energiewende dar.
Standardprofile für Einspeisung und Bezug
Standardlastprofile und Standard-Prosumentenprofile
Der Entwurf zum EEG führt aus: „Die Anwendung standardisierter Lastprofile an einem Netzanschlusspunkt ist nicht zulässig, wenn hinter dem Netzanschlusspunkt sowohl Verbrauch als auch Erzeugung stattfinden, dabei der erzeugte Strom nicht vollständig in das Netz eingespeist wird und die zugehörige Messstelle mit einem intelligenten Messsystem nach dem Messstellenbetriebsgesetz ausgestattet ist“.
In der Folge wird aber kein Bezug auf die mögliche Einführung neuer Standard-Prosumentenprofile genommen, sondern es wird die Übermittlung von Lastgängen auch bei Verbräuchen unter 10.000 kWh gefordert. Die aktuell verfügbaren Lastgangmesseinrichtungen sind für die genannten Energiemengen unwirtschaftlich. Entsprechende neue Lösungen im Rahmen intelligenter Messsysteme unterliegen dem aktuellen Detailregulierungsprozess in der BMWi/BSI-Task Force. Die damit fehlende Planungssicherheit gefährdet ebenso das notwendige Maß an PV-Ausbau.
Notwendigkeit der Neugestaltung des Verhältnisses von Rechtssystem, normativer Basis und Innovation
Gesamtsystemische Gestaltung im Sektorenverbund von Strom, Wärme und Mobilität
In der Begründung des Gesetzentwurfes wurde auf das Ziel fokussiert, bis zum Jahre 2030 65 Prozent des deutschen Strombedarfes durch erneuerbare Energien zu decken. Keine Beachtung findet die Tatsache, dass nur 25 Prozent der eingesetzten Endenergie auf Elektrizität basiert. Der Wärmebedarf und die Mobilität werden dabei nicht adressiert. Auch der zukünftige Bedarf an grünem Wasserstoff wird außer Acht gelassen. Benötigt werden integrierte, gesamtsystemische Lösungen im Verbund von Erzeugung, Speicherung und Nutzung verschiedener Energieformen. Diese Lösungen werden in verschiedenen Gestaltungsstrukturen (Zellen in Form von Gebäuden, Quartieren, Arealen, Kommunen und Regionen) benötigt.
Die damit entstehende Komplexität technologischer Möglichkeiten kann gesetzgeberisch nicht vorgedacht werden. Insofern sollte es die Zielstellung einer Reform des EEG sein, den allgemeinen Rahmen für derartige Lösungen zu schaffen. Die technische Ausgestaltung kann mittels einer durch die Wirtschaft gestalteten normativen Basis sowie mittels Innovationen und Gestaltungskraft der Gesellschaft ohne technische Detailregulierung im EEG erfolgen.
Detailregulierung technologischer Einzelaspekte scheitert an der Komplexität
Unter den genannten Aspekten ist der Gesetzesentwurf weitgehend zu stark von technologischen Einzelaspekten bestimmter Anlagengrößen, bestimmter Einsatzfälle und in Bezug auf die überbetonte und wiederholt adressierte Ausstattung mit bestimmten Mess- und Steuerungssystemen geprägt. Der alternative Weg zur Rahmensetzung im Rechtssystem mit Unterstützung der normativen Basis der Wirtschaft und mit Beförderung von Innovationen kann dem Entwurf nicht entnommen werden.
Die Beförderung von Innovationen sollte insbesondere auf der lokalen Ebene durch die Verringerung von Bürokratie sowie Umlagen und Kosten erfolgen, um hiermit die Anforderungen der EU-Richtlinie zu erneuerbaren Energien umzusetzen.
Die Wirtschaftlichkeit von Eigenverbrauchslösungen erfordert, dass in privaten Gestaltungszellen ausschließlich der Restbezug sowie die Überschusseinspeisung gemessen und abgerechnet wird, aber nicht der selbst erzeugte und eigengenutzte Strom. Hierzu sind Anwendungsregeln für einen digitalen Netzanschluss durch die industrie in den entsprechenden technischen Verbänden zu definieren.
Finanzierung des Steueraufkommens mit Energie?
Die Finanzierung eines Steueraufkommens für Stromsteuer und Mehrwertsteuer auch mit eigengenutztem Strom verhindert die Vielfalt an Partizipationsmöglichkeiten.
Nach dem Grundsatz „Besteure, was du weniger haben willst, und fördere, was du mehr haben willst“ sollten die Kosten zur Eigenstromerzeugung mit Eigenverbrauch gesenkt und nicht durch Beibehaltung der bisherigen Organisation und Einführung neuer Belastungen erhöht werden.
Nicht Beiträge der vielfältigen Akteure der Gesellschaft zur Erhöhung des Anteiles an Erneuerbaren Energien sollten besteuert werden, sondern die Nutzung fossiler Energie und klimaschädliches Verhalten mit entsprechenden Abgaben für freigesetztes Kohlendioxid
Andreas Kießling, energy design, Leimen, 27.11.2020