Leichtwasserreaktoren der Generation II

Erfolgreich und gleichzeitig risikoreich

Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor; Leichtwasserreaktoren der Generation II
Schematischer Aufbau eines Kernkraftwerkes mit Druckwasserreaktor; Von San Jose, Niabot (SVG version) - Eigenes Werk, basierend auf: Nuclear power plant pwr diagram de.png, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7133797

Leichtwasserreaktoren der Generation II

Erfolgreich und gleichzeitig risikoreich

Leicht­was­ser­re­ak­to­ren der Gene­ra­ti­on II mit Sie­de­was­ser oder Was­ser unter Druck setz­ten sich in Kern­kraft­wer­ken des 20. Jahr­hun­derts durch. Gra­phit-mode­rier­te Reak­to­ren wie in Tscher­no­byl blie­ben die Aus­nah­me. Aber auch Leicht­was­ser­re­ak­to­ren beinhal­ten grund­le­gen­de Risi­ken. Sie resul­tie­ren aus mili­tä­ri­schen Inter­es­sen an Reak­tor­funk­tio­nen. Die vom Erfin­der des Druck­was­ser­re­ak­tors Alvin Wein­berg inten­siv geäu­ßer­ten Beden­ken bezüg­lich des­sen Sicher­heit wur­den von Poli­tik und Indus­trie igno­riert.  Dies trifft auch für den schnel­len Brü­ter zu, der aber zugleich auf Basis neu­er Kon­zep­te für Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on IV eine Brü­cke in die Zukunft der Kern­ener­gie bil­den kann. 

Man soll­te immer etwas Leicht­sinn haben, wenn man etwas Gro­ßes voll­brin­gen will.“  Oscar Wilde

Aber Oscar Wil­de wuss­te noch nichts von der Kern­spal­tung.  Der Autor 

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Ener­gie der Atomkerne
  2. Ener­gie­po­ten­zia­le der Kernspaltung
  3. Rezep­tur der gesteu­er­ten Kern­spal­tung oder „Der Mann mit der Axt”
  4. Tech­no­lo­gie­su­che zur Ener­gie­ge­win­nung mit Kern­spal­tung in der Gene­ra­ti­on I
  5. Leicht­was­ser­re­ak­to­ren der Gene­ra­ti­on II
  6. Har­ris­burg — Tscher­no­byl — Fukushima
  7. Neue Sicher­heits­kon­zep­te und die Gene­ra­ti­on III
  8. Kern­kraft­wer­ke neu gedacht und die Gene­ra­ti­on IV
  9. Die Ener­gie der Son­ne durch Kern­fu­si­on und auf­kom­men­de Technologien

Leichtsinn bei der Reaktorentwicklung

Als Erfin­der des Druck­was­ser­re­ak­tors wur­de Alvin Wein­berg nie müde, auf die Risi­ken die­ser Reak­to­ren zu ver­wei­sen. Um Alter­na­ti­ven anzu­bie­ten, forsch­te er mit sei­nem Team schon früh­zei­tig an Flüs­sig­s­alz­re­ak­to­ren.  Aber er konn­te sich kein Gehör ver­schaf­fen und ver­lor schließ­lich als Mah­ner sei­nen Job. 

Das Inter­es­se der Geld­ge­ber in den USA rich­te­te sich auf Reak­tor­ty­pen, die einer­seits Plu­to­ni­um für Kern­waf­fen erzeu­gen konn­ten und ande­rer­seits in U‑Booten ein­setz­bar waren. Die japa­ni­sche und euro­päi­sche Reak­tor­for­schung war von For­schungs­an­sät­zen in den USA abhän­gig. Chi­ne­si­sche Ent­wick­lun­gen zu Flüs­sig­s­alz­re­ak­to­ren stie­ßen auf erheb­li­che Mate­ri­al­pro­ble­me. Die Tra­gik bestand dar­in, dass die­ses Pro­blem von For­scher­grup­pen in den USA längst gelöst war. Aber die Ergeb­nis­se wur­den durch die Bevor­zu­gung des Druck­was­ser­re­ak­tors nicht ver­folgt. West­li­che und chi­ne­si­sche For­scher stan­den zu die­ser Zeit lei­der nicht im Austausch.

Somit ver­blie­ben nur drei Ent­wick­lungs­li­ni­en rund um den Leicht­was­ser­re­ak­tor. Dies betrifft den Sie­de­was­ser­re­ak­tor, den Druck­was­ser­re­ak­tor sowie den Schnel­len Brü­ter. Der Erfolg war dem Druck­was­ser­re­ak­tor beschie­den. Alvin Wein­berg ver­such­te die Ent­schei­der davon zu über­zeu­gen, dass damit Kata­stro­phen in den nächs­ten Jahr­zehn­ten unver­meid­bar sind. Aber sei­ne War­nun­gen ver­hall­ten. Es kam, wie es kom­men muss­te. 

Der ers­te Zwi­schen­fall ereig­ne­te sich im Jahr 1979 in Three Mile Island in den USA in der Nähe von Har­ris­burg. Der Scha­den war noch auf das Reak­tor­ge­bäu­de begrenzt. Dann folg­te 1986 die Kata­stro­phe in Tscher­no­byl, in der ehe­ma­li­gen Sowjet­uni­on auf dem Gebiet der heu­ti­gen Ukrai­ne. Jetzt war ganz Euro­pa von den Aus­wir­kun­gen betrof­fen, da das Dach des Reak­tor­ge­bäu­des bei der Explo­si­on weg­ge­sprengt wur­de. Schließ­lich ent­zo­gen sich 2011 in Fuku­shi­ma sechs Reak­to­ren nach einem star­ken Erd­be­ben und einem Tsu­na­mi der Kon­trol­le. Das Ver­sa­gen der Küh­lung ver­ur­sach­te in vier von sechs Reak­to­ren die Kern­schmel­ze und damit Reak­tor­ex­plo­sio­nen. 

Wir wer­den die­se Ereig­nis­se ver­tie­fen. Da aber ins­be­son­de­re Sie­de­was­ser- und Druck­was­ser­re­ak­to­ren von den bis­he­ri­gen Kata­stro­phen in Kern­kraft­wer­ken betrof­fen waren, betrach­ten wir die­se Typen etwas genauer.

Reaktoren der Generation II

Die Suche nach den optimalen Zutaten

Zu Beginn der Reak­tor­ent­wick­lung war die Eigen­schaft von Was­ser zur Abbrem­sung schnel­ler Neu­tro­nen noch nicht bekannt. Des­halb ver­folg­ten ers­te Reak­tor­kon­zep­te den Ein­satz von Gra­phit als Mode­ra­tor und erst spä­ter die Nut­zung von Was­ser. Die­se führ­te zu ver­schie­de­nen Reak­tor­re­zep­ten mit fol­gen­der Zutatenliste:

  1. Brenn­stof­fe: fes­ter Brenn­stoff mit ange­rei­cher­tem Uran-235; aber auch natür­li­che Uran-238/235-Gemi­sche
  2. Neu­tro­nen­quel­le zur Initi­ie­rung der Ket­ten­re­ak­ti­on: Neu­tro­nen­strah­ler wie zum Bei­spiel Americium-241
  3. Neu­tro­nen­ab­sor­ber zum Ein­fan­gen von Neu­tro­nen zwecks Regu­lie­rung oder Unter­bin­dung der Ket­ten­re­ak­ti­on: Bor­säu­re als Zusatz im Was­ser sowie Bor­car­bid oder Cad­mi­um in Steuerstäben
  4. Mode­ra­to­ren zur Ver­rin­ge­rung der Neu­tro­nen­ge­schwin­dig­keit von schnel­len zu ther­mi­schen Neu­tro­nen: Gra­phit oder Wasser
  5. Wär­me­trans­port und Küh­lung: Kreis­lauf mit Was­ser oder Kohlendioxid
  6. Sicher­heits­kon­zep­te und Abfall­be­hand­lung: Not­strom­ag­gre­ga­te zur Auf­recht­erhal­tung der Kühl­kreis­läu­fe sowie Abkling­be­cken für aus­ge­brann­te Brenn­stä­be und Zwischenlager

Bezüg­lich des Brenn­stof­fes gab es ein Pro­blem. In der Natur kommt Uran vor­ran­gig als Uran-238 vor. Zur Spal­tung ist das Uran-235-Iso­top bes­ser geeig­net, da es eine höhe­re Wahr­schein­lich­keit zum Ein­fang von ther­mi­schen, also lang­sa­men Neu­tro­nen bie­tet. Es wer­den somit weni­ger ther­mi­sche Neu­tro­nen benö­tigt, um mit hoher Wahr­schein­lich­keit den Kern eines Uran-Atoms zu spal­ten. Bei der Nut­zung von Uran-238 sinkt die Wahr­schein­lich­keit zum Ein­fang eines Neu­trons. 

Was­ser dient als Mode­ra­tor und stellt die ther­mi­schen Neu­tro­nen bereit. Was­ser ist aber nicht gleich Was­ser. Die che­mi­sche For­mel lau­tet H2O. Zwei Was­ser­stoff­ato­me ver­bin­den sich mit einem Sau­er­stoff­atom zu einem Was­ser­mo­le­kül. Das in der Natur vor­kom­men­de Was­ser ist vor­ran­gig leich­tes Was­ser. Es besteht aus Was­ser­stoff­ato­men mit nur einem Pro­ton im Atom­kern. Schwe­res Was­ser wie­der­um besteht aus Was­ser­stoff­ato­men mit einem Pro­ton und einem Neu­tron im Kern. Die­se Was­ser­stoff­ato­me sind unter dem Begriff Deu­te­ri­um bekannt. Der Haupt­vor­teil schwe­ren Was­sers besteht dar­in, dass es eine höhe­re Wahr­schein­lich­keit zur Erzeu­gung ther­mi­scher Neu­tro­nen besitzt als nor­ma­les Was­ser. Damit kann der Nach­teil von Uran-238, die ther­mi­schen Neu­tro­nen für die Kern­spal­tung schlech­ter zu nut­zen durch die höhe­re Wahr­schein­lich­keit des schwe­ren Was­sers, ther­mi­sche Neu­tro­nen bereit­zu­stel­len, aus­ge­gli­chen werden.

Ins­be­son­de­re die Anstren­gun­gen Deutsch­lands im zwei­ten Welt­krieg zur Her­stel­lung der Atom­bom­be schei­ter­ten dar­an, dass für den Ein­satz von Uran-238 nicht das not­wen­di­ge schwe­re Was­ser in aus­rei­chen­der Men­ge gewon­nen wer­den konn­te. Durch Fort­schrit­te bei der Ent­wick­lung von Zen­tri­fu­gen zur Erhö­hung des Anteils von Uran-235 im Brenn­stoff konn­te aber auf schwe­res Was­ser zuguns­ten der Leicht­was­ser­re­ak­to­ren ver­zich­tet werden.

Somit funk­tio­nier­ten ers­te Reak­tor­ty­pen wie in Tscher­no­byl mit Uran-235 und Gra­phit als Mode­ra­tor sowie mit Was­ser in geson­der­ten Röh­ren zur Auf­nah­me der Wär­me­en­er­gie und zur Küh­lung. Eine ande­re Ent­wick­lungs­li­nie zur Gene­ra­ti­on II ver­folg­te den Weg der Schwer­was­ser­re­ak­to­ren mit weni­ger Auf­wand zur Anrei­che­rung von Uran-235. Letzt­end­lich setz­ten sich aber die Leicht­was­ser­re­ak­to­ren wie in Fuku­shi­ma mit ange­rei­cher­tem Uran-235 durch.

Graphit-moderierte Reaktoren

Was­ser-mode­rier­te Reak­to­ren schlie­ßen das Brand­ri­si­ko von Gra­phit-mode­rier­ten Reak­to­ren aus. Somit gehö­ren Reak­to­ren mit Gra­phit heu­te zu den Exo­ten. Sie wur­den haupt­säch­lich in den 1950-er und 1960-er Jah­ren ent­wi­ckelt, aber ihre Zahl nahm seit­dem stark ab.

Der bekann­tes­te Ver­tre­ter die­ser Klas­se ist der in Tscher­no­byl ein­ge­setz­te RBMK-Reak­tor. In Russ­land betrei­ben nur noch die Kern­kraft­wer­ke Lenin­grad und Kursk die­sen Typ. Alle ande­ren RBMK-Reak­to­ren wur­den ent­we­der still­ge­legt oder moder­ni­siert. Auch die wei­te­ren RMBK-Reak­to­ren in Tscher­no­byl in der heu­ti­gen Ukrai­ne wur­den in den Jah­ren 1991 bis 2000 still­ge­legt sowie der Wei­ter­bau neu­er Kraft­werks­blö­cke ein­ge­stellt. Zusätz­lich gibt es eini­ge Reak­to­ren ande­rer Bau­art, die Gra­phit als Mode­ra­tor ver­wen­den, ins­be­son­de­re in Groß­bri­tan­ni­en. Dies betrifft den Magnox-Reak­tor, der Gra­phit als Mode­ra­tor und Koh­len­di­oxid als Kühl­mit­tel ver­wen­det. 

Die Bau­wei­se des Reak­tors vom Typ RBMK-1000, der auf­grund der Kata­stro­phe im Jahr 1986 trau­ri­ge Berühmt­heit erlang­te, wird anhand nach­fol­gen­der Dar­stel­lung erläutert.

Die Uran-Brenn­stä­be befin­den sich in Druck­röh­ren aus Zir­kon, die wie­der­um von Gra­phit-Blö­cken als Mode­ra­tor umge­ben sind. Die Gra­phit-Blö­cke ent­hal­ten Boh­run­gen für die bor­hal­ti­gen Steu­er­stä­be zur Neu­tro­nen­ab­sorp­ti­on. Der Gra­phit-Mode­ra­tor wird bei einer Tem­pe­ra­tur von unge­fähr 500 – 700 Grad Cel­si­us ein­ge­setzt. Um eine Ent­zün­dung des Gra­phits zu ver­mei­den, befin­det sich die­ser in einem gas­dich­ten Behäl­ter mit einer Schutz­at­mo­sphä­re aus Heli­um und Stick­stoff (Quel­le: LEIFIphysik.de). 

Durch die Druck­röh­ren zir­ku­liert Leicht­was­ser, das außer­halb der Röh­ren in einem Kreis­lauf bei nor­ma­lem Luft­druck fließt. Zir­ku­la­ti­ons­pum­pen erhal­ten den Was­ser­fluss auf­recht. Bei die­sem Druck sie­det Was­ser schon bei 100 Grad Cel­si­us. Damit gehört der RBMK-1000 zur Klas­se der Sie­de­was­ser­re­ak­to­ren. In Dampf­trom­meln wer­den das ver­blei­ben­de Was­ser und der Dampf getrennt. Der Dampf treibt die Tur­bi­nen an, die wie­der­um die Gene­ra­to­ren zur Strom­erzeu­gung in Bewe­gung setzen.

Auf die Risi­ken die­ses Reak­tor­typs wird spä­ter im Zusam­men­hang mit der Kata­stro­phe von Tscher­no­byl eingegangen.

Reaktortyp RBMK1000 Tschernobyl
Sche­ma­ti­scher Auf­bau des Reak­tors RBMK-1000 in Tscher­no­byl; Rech­te: CCO by LEIFIphysik.de

Wassermoderierte Siedewasser- und Druckwasserreaktoren

Leicht­was­ser­re­ak­to­ren, in denen Was­ser eine Mehr­fach­funk­ti­on über­nimmt, setz­ten sich durch. Sie ver­dräng­ten das im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes brand­ge­fähr­li­che Gra­phit aus den Kern­re­ak­to­ren. Letzt­end­lich ver­blieb nur noch die Ent­schei­dung zwi­schen Leicht­was­ser­re­ak­to­ren mit bei Nor­mal­druck sie­den­dem Was­ser sowie einem Reak­tor­druck­be­häl­ter, bei dem Was­ser bis zu 300 Grad Cel­si­us erhitzt wer­den kann, ohne zu sieden.

Die Rezept­zu­ta­ten der Ener­gie­ge­win­nung in Leicht­was­ser­re­ak­to­ren mit Sie­de­was­ser- und Druck­was­ser­re­ak­to­ren sind gleich. Sie lau­ten: 

  1. Brenn­stoff: ange­rei­cher­tes Uran-235
  2. Neu­tro­nen­quel­le: belie­bi­ger Neutronenstrahler
  3. Neu­tro­nen­ab­sor­ber: Bor­säu­re als Zusatz im Was­ser sowie Bor­car­bid oder Cad­mi­um in Steuerstäben
  4. Mode­ra­to­ren: Leichtwasser
  5. Wär­me­trans­port und Küh­lung: Wasserkreislauf
  6. Sicher­heits­kon­zep­te und Abfall­be­hand­lung: Not­strom­ag­gre­ga­te zur Auf­recht­erhal­tung der Kühl­kreis­läu­fe sowie Abkling­be­cken für aus­ge­brann­te Brennstäbe

Der Unter­schied besteht vor­ran­gig im Sicher­heits­kon­zept. Beim Sie­de­was­ser­re­ak­tor fließt Was­ser im Kreis­lauf unter Wär­me­auf­nah­me im Reak­tor zum Dampf­erzeu­ger, wei­ter zum Antrieb der Tur­bi­nen und nach Abküh­lung zurück zum Reak­tor. Damit besteht eine direk­te Ver­bin­dung zwi­schen den Sicher­heits­be­rei­chen im Reak­tor­ge­bäu­de zu tech­ni­schen Ein­rich­tun­gen zur Strom­erzeu­gung mit Tur­bi­nen und Gene­ra­to­ren ent­spre­chend nach­fol­gen­der Abbildung.

Von Vor­teil ist die gerin­ge­re Kom­ple­xi­tät des Sie­de­was­ser­re­ak­tors (SWR) gegen­über dem Druck­was­ser­re­ak­tor (DWR). Der SWR benö­tigt somit weni­ger War­tung bei einem ein­fa­che­ren Betrieb. Wei­ter­hin kann die­ser Reak­tor­typ den Brenn­stoff effi­zi­en­ter nut­zen als der DWR, um die glei­che Men­ge Ener­gie zu erzeu­gen. Sowohl der Bau als auch der Betrieb sind kos­ten­güns­ti­ger. 

Kernkraftwerk mit Siedewasserreaktor
Sche­ma­ti­scher Auf­bau eines Kern­kraft­wer­kes mit Sie­de­was­ser­re­ak­tor; copy­right by Ado­be Stocks No. 32942380

Zusätz­lich zum höhe­ren Risi­ko radio­ak­ti­ver Ver­seu­chung der tech­ni­schen Berei­che mit Tur­bi­nen und Gene­ra­to­ren außer­halb des Reak­tor­ge­bäu­des besitzt der SWR gegen­über dem DWR wei­te­re Nach­tei­le. Ins­be­son­de­re ver­wen­det der Sie­de­was­ser­re­ak­tor unter Nor­mal­druck bei 100 Grad Cel­si­us kochen­des Was­ser als Kühl­mit­tel und Mode­ra­tor. Dies führt zu einer erhöh­ten Anfäl­lig­keit für Dampf­ex­plo­sio­nen und Kor­ro­si­on. Wei­ter­hin stel­len die­se Reak­to­ren auf­grund der gerin­ge­ren Drü­cke weni­ger Leis­tung als DWRs bereit. Außer­dem ver­ur­sacht die Dampf­bla­sen­bil­dung von kochen­dem Was­ser mög­li­che insta­bi­le Bedin­gun­gen im Reaktorkern.

Druckwasserreaktor

Ein Druck­was­ser­re­ak­tor bie­tet zwei ent­schei­den­de Vor­tei­le. Das Was­ser als Mode­ra­tor und Wär­me­trans­port­mit­tel wird einem Druck von unge­fähr 150 bis 170 Atmo­sphä­ren aus­ge­setzt. So sie­det es bis zu einer Betriebs­tem­pe­ra­tur von 280 bis 300 Grad Cel­si­us nicht. Im Nor­mal­be­trieb bil­den sich damit kei­ne Bla­sen. Zusätz­lich trennt ein Wär­me­tau­scher und Dampf­erzeu­ger den Pri­mär­kühl­kreis­lauf des Reak­tors vom Sekun­där­kühl­kreis­lauf im Tur­bi­nen- und Genera­tor­ge­bäu­de. 

Der Druck­was­ser­re­ak­tor besitzt somit eine höhe­re Betriebs­si­cher­heit als der SWR. Gleich­zei­tig erreicht der DWR auf­grund des höhe­ren Dru­ckes und der höhe­ren Tem­pe­ra­tu­ren im Reak­tor­kern mehr Leistung.

Druck­was­ser­re­ak­to­ren sind aber tech­nisch kom­ple­xer, was zu höhe­ren War­tungs- und Betriebs­kos­ten führt. Auch die Bau­kos­ten sind höher. Sie errei­chen zwar mehr Leis­tung, nut­zen aber den Brenn­stoff weni­ger effi­zi­ent als SWRs. 

Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor
Sche­ma­ti­scher Auf­bau eines Kern­kraft­wer­kes mit Druck­was­ser­re­ak­tor; Von San Jose, Nia­bot (SVG ver­si­on) — Eige­nes Werk, basie­rend auf: Nuclear power plant pwr dia­gram de.png, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7133797

Schneller Brüter

Zum Schluss gehen wir noch kurz auf den Reak­tor­typ unter der erklä­rungs­be­dürf­ti­gen Bezeich­nung „Schnel­ler Brü­ter“ ein. Er basiert auf der Nut­zung schnel­ler Neu­tro­nen und benö­tigt somit kei­nen Mode­ra­tor. Bis zum Ende des 20. Jahr­hun­derts arbei­te­ten Län­der wie die USA, Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich, Russ­land, Indi­en, Japan und Deutsch­land an der Ent­wick­lung schnel­ler Brutreaktoren.

Die Tech­no­lo­gie des Schnel­len Brü­ters basiert einer­seits auf Pro­zes­sen zur Umwand­lung von Uran-238 oder von Tho­ri­um-232 in spalt­ba­res Mate­ri­al, also Uran 235 oder Plu­to­ni­um-239.  Der Reak­tor erbrü­tet somit sei­nen Brenn­stoff selbst. Ander­seits nutzt er phy­si­ka­li­sche Mög­lich­kei­ten, die für die Ket­ten­re­ak­ti­on not­wen­di­ge Wahr­schein­lich­keit zur Kern­spal­tung auch ohne Abbrem­sung schnel­ler Neu­tro­nen zu errei­chen. Die Fähig­keit zur Nut­zung schnel­ler Neu­tro­nen und zum Brü­ten von Brenn­stoff gaben dem Reak­tor sei­nen Namen. Der Reak­tor lie­fert sowohl elek­tri­sche Ener­gie als auch den dafür benö­tig­ten Roh­stoff. Natür­lich bekun­de­te auch das Mili­tär auf­grund der Fähig­keit, Plu­to­ni­um für Atom­bom­ben zu pro­du­zie­ren, hohes Inter­es­se an die­sem Reaktorkonzept.

Obwohl der Schnel­le Brü­ter eine höhe­re Effi­zi­enz bei der Ener­gie­er­zeu­gung erreicht als her­kömm­li­che Atom­re­ak­to­ren, ist er deut­lich kom­ple­xer und teu­rer in der Her­stel­lung sowie risi­ko­rei­cher im Betrieb. Dies führ­te zu poli­ti­schen, wirt­schaft­li­chen und sicher­heits­be­zo­ge­nen Beden­ken gegen­über schnel­len Brü­tern. Pro­jek­te zur Ent­wick­lung und Imple­men­tie­rung die­ser Tech­no­lo­gie ende­ten somit in der Regel erfolglos.

Ledig­lich noch Russ­land, Chi­na, Indi­en und Japan unter­neh­men wei­te­re Anstren­gun­gen bezüg­lich die­ser Reak­to­ren. Russ­land nahm den BN-800 im Kern­kraft­werk Beloyarsk in Betrieb und arbei­tet der­zeit an der Ent­wick­lung des BN-1200. Chi­na ent­wi­ckel­te den CEFR, einen expe­ri­men­tel­len Schnel­len Brü­ter, und arbei­tet am Natri­um-gekühl­ten Reak­tor CFR-600 der Gene­ra­ti­on IV. Auch Indi­en unter­nimmt mit dem SNF‑2 Anstren­gun­gen zum Schnel­len Brü­ter, der aber mit Tho­ri­um arbei­ten soll, um spalt­ba­res Mate­ri­al zu pro­du­zie­ren. Auf die Klas­se der Tho­ri­um-Reak­to­ren gehen wir im Kapi­tel zu Reak­to­ren der Gene­ra­ti­on IV ein. Eben­so plant Japan nach der Abschal­tung der Mon­ju-Pro­to­ty­pen die Ent­wick­lung an schnel­len Brü­tern wie­der auf­zu­neh­men. 

Quellen

[LEIFIphysik.de] Sche­ma­ti­scher Auf­bau des Reak­tors RBMK-1000 in Tscher­no­byl. Rech­te: CCO by LEIFIphysik.de. abge­ru­fen in: LEIFI­phy­sik, URL: http://www.leifiphysik.de.

 

Leicht­was­ser­re­ak­to­ren der Gene­ra­ti­on II” — Lei­men / Hei­del­berg — 07. März 2023

Andre­as Kieß­ling, ener­gy design

Über Andreas Kießling 110 Artikel
Andreas Kießling hat in Dresden Physik studiert und lebt im Raum Heidelberg. Er beteiligt sich als Freiberufler und Autor an der Gestaltung nachhaltiger Lebensräume und zugehöriger Energiekreisläufe. Dies betrifft Themen zu erneuerbaren und dezentral organisierten Energien. Veröffentlichungen als auch die Aktivitäten zur Beratung, zum Projektmanagement und zur Lehre dienen der Gestaltung von Energietechnologie, Energiepolitik und Energieökonomie mit regionalen und lokalen Chancen der Raumentwicklung in einer globalisierten Welt.

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