Beteiligung an der Energiewende, Creative Commons CC0 https://pixabay.com/de

Beteiligung — Grundlage für Erfolg der Energiewende

Wäh­rend das bis­he­ri­ge Ener­gie­sys­tem mit fos­si­len und nuklea­ren Ener­gie­res­sour­cen auf einer zen­tra­len Logik basiert, eröff­nen die erneu­er­ba­ren Ener­gien viel­fäl­ti­ge Chan­cen zur Betei­li­gung (Par­ti­zi­pa­ti­on) ver­schie­de­ner gesell­schaft­li­cher Kräf­te, ins­be­son­de­re für die Bür­ger, mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­men, Kom­mu­nen und Regio­nen. Die­ser Fakt führt zu vie­len For­men dezen­tra­ler Erzeu­gung von elek­tri­scher Ener­gie bis in die Gebäude.

Dies eröff­net wie­der­um neue Mög­lich­kei­ten der Gestal­tung von Gebäu­den und Land­schaf­ten, die als ener­ge­tisch akti­ve Sys­te­me eigen­stän­dig Ener­gie gewin­nen, spei­chern und nut­zen, Ener­gie­flüs­se opti­mie­ren aber auch Ener­gie aus­tau­schen kön­nen. Eine bis­her vor­ran­gig sta­ti­sche Betrach­tung im gestal­te­ri­schen Pro­zess gewinnt zuneh­mend eine dyna­mi­sche Kom­po­nen­te. Die Gestal­tung von Ener­gie­land­schaf­ten erfor­dert des­halb eine neue Metho­dik, um die Gestal­tung von inter­agie­ren­den Räu­men (Gebäu­de, Sied­lungs­ge­bie­te) als ver­bun­de­ne Pro­sumen­ten im Ener­gie­sys­tem zu ermöglichen.

Damit ent­steht ein deut­lich kom­ple­xe­res Sys­tem in sei­ner höhe­ren Viel­falt, Ver­bun­den­heit und Orga­ni­siert­heit als das bis­her ein­fach struk­tu­rier­te Ener­gie­sys­tem. Mit hoher Kom­ple­xi­tät eines Sys­tems, das nicht mehr ein­deu­tig in den Ergeb­nis­sen bere­chen­bar ist, son­dern eher ein selbst­or­ga­ni­sie­ren­des, dyna­mi­sches Sys­tem im meta­sta­bi­len Zustand dar­stellt, tut sich Tech­nik aber heu­te noch schwer.

Tech­nik zielt auf bere­chen­ba­re, rela­tiv ein­fa­che Sys­te­me ab. Kom­ple­xi­tät als Grund­la­ge sich ent­wi­ckeln­der dyna­mi­scher Sys­tems basiert aber auf Viel­falt und damit auf Dif­fe­ren­zie­rung, die bezüg­lich ihrer Ent­wick­lung nicht mehr voll­stän­dig kon­trol­lier­bar ist.

Die bis­he­ri­ge Ein­fach­heit ent­spricht der klas­si­schen phy­si­ka­li­schen Her­an­ge­hens­wei­se. Im phy­si­ka­li­schen Reduk­tio­nis­mus gibt es kei­ne Wir­kun­gen, außer den phy­si­ka­lisch erfass­ba­ren. Phy­sik führt die Zer­le­gung in Ein­zel­be­stand­tei­le, um dann aus einem reduk­tio­nis­ti­schem Bild der Welt­for­mel alles Gesche­hen zusam­men­set­zen zu kön­nen (deter­mi­nier­te Welt). Heu­ti­ge Über­le­gun­gen, basie­rend auf den Erkennt­nis­sen der Quan­ten­phy­sik zur Ver­schrän­kung, füh­ren zu einer Phy­sik der Emer­genz, in der aus dem Zusam­men­wir­ken von Bestand­tei­len neue Eigen­schaf­ten ent­ste­hen, die aus den Geset­zen der ein­zel­nen Bau­tei­le nicht ableit­bar sind. Hier­aus folgt die Selbstorganisation.

Die­se sehr abs­trak­te wis­sen­schaft­li­che Betrach­tung führt aber zur prak­ti­schen Fra­ge, ob wir in Bezug auf die Akzept­anz­un­ter­su­chun­gen bezüg­lich der not­wen­di­gen Maß­nah­men für die Ener­gie­wen­de einen sehr wich­ti­gen Aspekt nicht betrachten.

Die Akzep­tanz­fra­ge bei Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen ist in der Regel eine Betrach­tung von Ver­fah­ren zur Abwä­gung von Inter­es­sen betrof­fe­ner Par­tei­en in einem Sys­tem, wobei Vor­ha­ben im Sys­tem oft durch Betei­lig­te eines über­ge­ord­ne­ten Sys­tems orga­ni­siert wer­den (z.B. Stutt­gart 21 ent­stand aus euro­päi­schen und natio­na­len Aspek­ten und war nicht weit­ge­hend aus den Not­wen­dig­kei­ten Stutt­garts organisiert).

Im über­ge­ord­ne­ten Sys­tem wer­den Vor­ha­ben beschlos­sen, die im ein­ge­bet­te­ten klei­ne­ren Sys­tem kaum loka­le Nut­zen­aspek­te besit­zen, son­dern der brei­te Nut­zen erst im über­ge­ord­ne­ten Sys­tem sicht­bar wird [Korn­wachs, K. (01/2011)]. Der Nut­zen ist im ein­ge­bet­te­ten Sys­tem nicht unbe­dingt offen­sicht­lich. Dies gilt zum Bei­spiel auch für die Dis­kus­si­on zum Aus­bau der Übertragungsnetze.

Wenn dann Vor­ha­ben vom über­ge­ord­ne­ten Sys­tem vor­ran­gig mit Macht­an­wen­dung durch­ge­setzt wer­den, sind Akzep­tanz­pro­ble­me vorprogrammiert.

Unter die­ser ein­sei­ti­gen Inter­es­sen­la­ge eines über­ge­ord­ne­ten Sys­tems wird das The­ma Betei­li­gung nur unter dem Aspekt der Mög­lich­keit zur Teil­ha­be an der Geneh­mi­gungs­dis­kus­si­on geführt. Man möch­te nur Vor­be­hal­te Betrof­fe­ner abbau­en und den Nut­zen für die All­ge­mein­heit hervorheben.

Wenn Betei­li­gung aber wei­ter gefasst wird und Selbst­ge­stal­tung im eige­nen Sys­tem bedeu­tet, ist Akzep­tanz für Not­wen­dig­kei­ten einer Ver­än­de­rung bei Inter­es­sen­trä­gern im Sys­tem offen­sicht­lich leich­ter zu erreichen.

Lei­der ist heu­te noch nicht zu sehen, dass Mecha­nis­men zur Akzep­tanz­er­hö­hung durch Betei­li­gung in Form der brei­ten wirt­schaft­li­chen Mit- und Selbst­ge­stal­tung eine gro­ße Rol­le spie­len. Hier besteht Handlungsbedarf.

Die­ser Aspekt der Betei­li­gung (Par­ti­zi­pa­ti­on) wur­de ins­be­son­de­re her­vor­ge­ho­ben, als beim For­schungs­mi­nis­te­ri­um des Bun­des der sozio­öko­no­mi­sche For­schungs­be­darf bei der Trans­for­ma­ti­on des Ener­gie­sys­tems im Rah­men der For­schun­gen zur Ener­gie­wen­de bestimmt wurde.

In den heu­ti­gen Pro­zes­sen der Akzept­anz­un­ter­su­chung fin­det also vor­ran­gig die Gegen­über­stel­lung der Wert­vor­stel­lun­gen der Prot­ago­nis­ten und Betrof­fe­nen statt.

Ein ande­rer Ansatz wäre die Eta­blie­rung eines Sys­tems, bei dem die Wert­vor­stel­lun­gen aller Betei­lig­ten eigen­ver­ant­wort­lich und gleich­be­rech­tigt gestalt­bar sind, aber eben­so Anrei­ze vor­han­den sind, so dass sich ein Ver­bund sub­si­diä­rer Inter­es­sen orga­nisch ein­ge­bet­tet in über­ge­ord­ne­ten Inter­es­sen ent­wi­ckeln kann und somit ein selbst­or­ga­ni­sier­ter Gesamt­or­ga­nis­mus ent­steht. Dies ist aber weni­ger bere­chen­bar und kon­trol­lier­bar, wobei wir wie­der am Anfang obi­ger Betrach­tun­gen wären.

Wenn dies auf die Trans­for­ma­ti­on des Ener­gie­sys­tems über­tra­gen wird, ergibt sich zwangs­läu­fig die fol­gen­de Fragestellung.

Behal­ten wir das heu­ti­ge Bild des reduk­tio­nis­ti­schen Ener­gie­sys­tems mit zen­tra­ler Erzeu­gung und Steue­rung aus den Über­tra­gungs­net­zen mit kal­ku­lier­ba­rer Ver­ant­wort­lich­keit bei weni­gen Akteu­ren für das Gesamt­sys­tem und kla­ren Regeln zur Ver­tei­lung der Ener­gie bei?

Oder kön­nen wir ein sehr diver­sif­zier­tes, gleich­zei­tig dezen­tral und über­re­gio­nal ver­bun­de­nes Ener­gie­sys­tem mit einer hohen Viel­falt von Akteu­ren ent­wi­ckeln, die in stän­di­ger Inter­ak­ti­on ver­bun­den und mit einem kla­ren Satz von Regeln orga­ni­siert sind, aber gleich­zei­tig hohe Frei­heits­gra­de besit­zen. Ziel eines diver­si­fi­zier­ten Sys­tems ist die gestal­te­ri­sche Betei­li­gung einer Viel­zahl von Akteu­ren zur Eröff­nung von brei­ten, wirt­schaft­lich gleich­be­rech­tig­ten Chan­cen bei Bür­gern, Unter­neh­men, Kom­mu­nen und Regionen.

Der diver­si­fi­zier­te Ansatz in einem der­ar­ti­gen Ener­gie­or­ga­nis­mus führt aber auch zu einem ande­ren Bild der Kon­trol­lier­bar­keit der Ent­wick­lung eines tech­ni­schen Systems.

Der aktu­el­le Stand der Dis­kus­si­on zur Archi­tek­tur des zukünf­ti­gen Ener­gie­sys­tems wird damit zuneh­mend auch zu einer Dis­kus­si­on im Rah­men der Tech­nik­phi­lo­so­phie und gesell­schaft­li­cher, nicht mone­tä­rer Nut­zens­aspek­te. Die­se Dis­kus­si­on ist nicht durch eine rein volks­wirt­schaft­li­che Kos­ten-/Nut­zen-Ana­ly­se zu führen.

Die wis­sen­schaft­li­che Her­aus­for­de­rung für die­sen abs­trak­ten Exkurs in den Nut­zen dezen­tra­ler Ener­gie­sys­te­me wäre also zuneh­mend For­schungs­ar­bei­ten in die Rich­tung zu ent­wi­ckeln, die sich im Rah­men der Tech­nik­ent­wick­lung auf Basis eines kom­ple­xen, sich dyna­misch ent­wi­ckeln­den Sys­tems mit gerin­ge­rer Kon­trol­lier­bar­keit mit den phi­lo­so­phi­schen und kul­tu­rel­len Kon­se­quen­zen beschäf­ti­gen sowie auch in die Par­ti­zi­pa­ti­ons­for­schung eingehen.

Korn­wachs, K. (01/2011): Exper­ti­se. Grund­fra­gen der Tech­ni­k­ak­zep­tanz. Ethi­sche Pro­ble­me und Metho­den­fra­gen. Bericht an den Lehr­stuhl für Tech­nik­phi­lo­so­phie, Berich­te an die Fakul­tät für Mathe­ma­tik, Natur­wis­sen­schaf­ten und Infor­ma­tik, PT-01/2011 BTU Cott­bus und Büro für Kul­tur und Tech­nik, Argen­bühl-Eglofs 2011, ISSN 14362929

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