Schnittstelle zum Prosumenten

Schnittstelle zum Prosumenten

Inhaltsverzeichnis

  1. Vor­wort — Dampf­ma­schi­ne im Cyber War
  2. Zusam­men­fas­sung — Inno­va­ti­ons­im­pul­se statt Detailregulierung
  3. Emp­feh­lun­gen zur EEG- und EnWG-Novel­le — Auto­no­mie hin­ter dem Netzanschluss
  4. Trei­ber der Energiewende
  5. Stan­dards sind Bin­de­glied zwi­schen Inno­va­ti­on und Sicher­heit — Gestal­tungs­ebe­nen wirt­schaft­li­cher Entwicklung
  6. Eigen­ver­sor­gung und Energiegemeinschaften
  7. Emp­feh­lun­gen für die Schnitt­stel­le zum Prosumenten
  8. C/sells-Posi­ti­on zum Stu­fen­mo­dell des BMWI zur Wei­ter­ent­wick­lung von Stan­dards für die Digi­ta­li­sie­rung der Energiewende
  9. Tech­ni­sche Detail­re­gu­lie­rung im EEG unter Blick­win­kel der Abgren­zung von Rechts­sys­tem, nor­ma­ti­ver Basis und Innovation
  10. Lab Hybrid — Digi­ta­ler Netz­an­schluss und auto­no­mes Ener­gie­ma­nage­ment — Blau­pau­se für Novel­lie­rung EnWG und EEG

Schnittstelle zum Prosumenten als Gegenvorschlag zu Optionen der Bundesnetzagentur

Die Richt­li­nie der euro­päi­schen Uni­on zu Erneu­er­ba­ren Ener­gien vom Dezem­ber 2018 zielt auf die Stär­kung der Eigen­nut­zung oder gemein­schaft­li­chen Nut­zung selbst gewon­ne­ner Ener­gie ab. Dabei wird ein hohes Maß an Par­ti­zi­pa­ti­on — also Betei­li­gung — an der Ener­gie­wen­de auch auf loka­ler Ebe­ne angestrebt.

Die­sem The­ma wid­me­te das Pro­jekt C/sells einen Schwer­punkt sei­ner Akti­vi­tä­ten. Dabei soll die auto­no­me Gestal­tung zur Strom­erzeu­gung, Spei­che­rung, Sek­tor­kopp­lung, Ener­gie­nut­zung und loka­lem Ener­gie­ma­nage­ment in Gebäu­den und Quar­tie­ren gestärkt wer­den. Gleich­zei­tig gilt es, die Sys­tem­dienlich­keit im Netz­ver­bund an den gemein­sa­men Anschluss­stel­len zu gewähr­leis­ten. Die Begrif­fe Zel­len und Pro­sument wur­den dabei zu Syn­ony­men für die­ses Handeln.

Hier­bei sollten 

  • die Inno­va­tions- und Gestal­tungs­kraft der Gesell­schaft entfaltet, 
  • die not­wen­di­ge nor­ma­ti­ve Basis durch gemein­sa­me tech­ni­sche Stan­dards und Regeln vorangetrieben 
  • sowie Emp­feh­lun­gen für eine wett­be­werbs­för­dern­de Ener­gie­po­li­tik abge­ge­ben werden.

Auf Basis der euro­päi­schen Richt­li­ni­en und der Pro­jekt­er­fah­run­gen befür­wor­tet das Pro­jekt C/sells grund­sätz­lich das Anlie­gen der Bun­des­netz­agen­tur, Emp­feh­lun­gen für den zukünf­ti­gen Betrieb ins­be­son­de­re von klei­ne­ren Solar­an­la­gen unter 30 Kilo­watt auf den Dächern pri­va­ter Gebäu­de auch ohne EEG-För­de­rung abzu­ge­ben. Ziel soll­te es sein, die Rah­men­be­din­gun­gen so zu gestal­ten, dass Eigen­ver­brauchs­lö­sun­gen und Ener­gie­ge­mein­schaf­ten beför­dert wer­den. Betei­li­gung gilt als grund­le­gen­der Erfolgs­fak­tor, den sto­cken­den Pho­to­vol­ta­ik-Aus­bau wie­der anzu­re­gen. Gleich­zei­tig gilt es, den Wei­ter­be­trieb von Altanla­gen sicher­zu­stel­len, deren För­der­zeit­raum abge­lau­fen ist.

Eine Her­aus­for­de­rung dabei ist es, den Wei­ter­be­trieb von Altanla­gen mit einer ent­spre­chen­den attrak­ti­ven Ein­spei­sung in das exter­ne Netz ohne Eigen­ver­brauch zu gewähr­leis­ten. Ande­rer­seits soll­ten Eigen­ver­brauchs­lö­sun­gen und Ener­gie­ge­mein­schaf­ten ent­spre­chend der Anfor­de­run­gen der EU-Richt­li­nie von über­mä­ßi­gen Kos­ten und Umla­gen sowie von Büro­kra­tie befreit wer­den. Gera­de im Bereich der Anla­gen unter 30 Kilo­watt wer­den Pro­sumen­ten-Lösun­gen schnell unat­trak­tiv, wenn sie mit der Direkt­ver­mark­tung von Groß­an­la­gen sowie mit Unter­neh­men als Ener­gie­lie­fe­ran­ten gleich­ge­setzt werden.

Somit schlägt C/sells Eck­punk­te für die Schnitt­stel­le zum Pro­sumen­ten als Alter­na­ti­ve zu den vor­lie­gen­den Optio­nen der Bun­des­netz­agen­tur vor.

 

Erfahrungen im AutonomieLab Leimen 

Für Anbie­ter von Solar­an­la­gen ist eine funk­tio­nie­ren­de Insel­netz­fä­hig­keit vor dem Hin­ter­grund der Opti­mie­rung des Eigen­ver­brau­ches von erzeug­tem Solar­strom interessant.

Betei­li­gung umfasst die Gestal­tung von Ener­gie­ge­win­nung, Spei­che­rung und Eigen­ver­brauch bei Pro­sumen­ten. Damit ent­ste­hen auto­no­me und gleich­zei­tig über eine defi­nier­te Schnitt­stel­le zum Pro­sumen­ten ver­bun­de­ne Ener­gie­zel­len. Dies bie­tet gleich­zei­tig im Not­fall die Mög­lich­keit für den zeit­wei­sen aut­ar­ken Betrieb.

Damit kön­nen sowohl Hand­lungs­mög­lich­kei­ten im eige­nen Hoheits­be­reich, zum Aus­tausch in Ener­gie­ge­mein­schaf­ten als auch zur Erhö­hung der Ver­sor­gungs­si­cher­heit erschlos­sen wer­den. Auto­no­mie schließt den eige­nen Nut­zen sowie die Soli­da­ri­tät in der Gemein­schaft ein. Dar­über hin­aus gewähr­leis­tet Aut­ar­kie die Min­dest­funk­tio­nen des Gebäu­des im Fal­le des Blackouts.

Im Rah­men der Demons­tra­ti­on Lab Noir wur­de die zeit­wei­se Aut­ar­kie bei exter­nem Span­nungs­aus­fall durch eine PV-Anla­ge, einen Spei­cher, einen steu­er­ba­ren Netz­an­schluss sowie ein Ener­gie­ma­nage­ment­sys­tem im Gebäu­de ermög­licht. Ziel war es, beim Netz­aus­fall mög­lichst lan­ge die Ver­sor­gung im Gebäu­de zu gewährleisten.

Beim wei­te­ren Aus­bau des Auto­no­mieLabs Lei­men galt es, auf Basis eines digi­ta­len Netz­an­schlus­ses sowohl das Leis­tungs­ma­nage­ment am Netz­an­schluss mit einem Signal zur Leis­tungs­be­gren­zung und das auto­no­me Ener­gie­ma­nage­ment in den ein­zel­nen Gebäu­den zu ermög­li­chen. Die Wech­sel­wir­kung von Auto­no­mie und Sys­tem­dienlich­keit war zu betrachten.

In die­sem Rah­men wur­den die Aus­wir­kun­gen der von der Bun­des­netz­agen­tur vor­ge­schla­ge­nen drei Optio­nen zur Aus­ge­stal­tung von Pro­sumen­ten-Lösun­gen unter­sucht. Dabei stell­te sich die Netz­be­trei­ber-Opti­on als unat­trak­tiv für Eigen­ver­brauchs­op­ti­mie­run­gen her­aus. Die Nut­zung die­ser Opti­on scheint aus­schließ­lich bei aus­ge­för­der­ten Anla­gen inter­es­sant, wo kei­ne wei­te­ren Inves­ti­tio­nen und kein Eigen­ver­brauch vor­ge­se­hen sind, son­dern aus­schließ­lich Ein­spei­sung in das Netz stattfindet.

Bezüg­lich der Lie­fe­ran­ten- und Markt­op­ti­on kommt nur die Markt­op­ti­on den Anfor­de­run­gen von Eigen­ver­brauch und Ener­gie­ge­mein­schaf­ten nahe. Die Erfah­run­gen aus C/sells sowie die Rück­mel­dun­gen von Exper­ten ver­schie­dens­ter Ver­bän­de zei­gen, dass die aktu­el­len Umla­gen und Kos­ten sowie die Büro­kra­tie und Berichts­auf­wen­dun­gen zur Markt­teil­nah­me den auto­no­men Betrieb für Pro­sumen­ten unat­trak­tiv machen. Ein Wei­ter­be­trieb wäre auch aus Sicht des Auto­no­mieLabs Lei­men unwirtschaftlich.

 

Eckpunkte der Gestaltung von Lösungen für Prosumenten

C/sells schlägt auf auf Grund­la­ge der Pro­jekt­er­geb­nis­se die Wei­ter­ent­wick­lung der Markt­op­ti­on in fol­gen­der Wei­se vor. Dabei wird von der Not­wen­dig­keit aus­ge­gan­gen, die recht­li­chen Anfor­de­run­gen für Pro­sumen­ten-Lösun­gen zur Beför­de­rung von Eigen­ver­brauch und Ener­gie­ge­mein­schaf­ten zu ver­ein­fa­chen. Ergän­zend sind neue tech­ni­sche Regeln für einen digi­ta­len Netz­an­schluss im Rah­men der Schnitt­stel­le zum Pro­sumen­ten zu defi­nie­ren, die auf der Gestal­tung durch Nor­men und tech­ni­schen Anwen­dungs­re­geln beruhen.

Das Ver­hält­nis von Regu­lie­rung sowie der durch die Wirt­schaft gestal­te­ten nor­ma­ti­ven Basis kann in fol­gen­der Wei­se neu gestal­tet werden.

Neue Standard-Prosumentenprofile

Die Bilan­zie­rung von Erzeu­gung und Ver­brauch soll­te nicht anla­gen­be­zo­gen, son­dern agg­re­giert am Netz­an­schluss für ein­ge­speis­te Über­schuss­men­gen und bezo­ge­nen Rest­strom erfol­gen und mit der Mes­sung die­ser, in zwei Rich­tun­gen flie­ßen­den, Ener­gie­men­gen über intel­li­gen­te Mess­sys­te­me ver­bun­den sein.

Grund­la­ge kön­nen neue Stan­dard-Pro­sumen­ten­pro­fi­le für Ener­gie­ein­spei­sung und ‑bezug am Netz­an­schluss sein, die über Pro­gno­se­kom­po­nen­ten eines Infra­struk­tur-Infor­ma­ti­ons­sys­tems bereit­ge­stellt und anhand ver­schie­de­ner Anla­gen­aus­stat­tun­gen im Gebäu­de typi­siert werden.

Kleine Direktvermarktung für Anlagen unter 30 Kilowatt sowie Energiegemeinschaften

Emp­foh­len wird die Ein­füh­rung neu­er Pro­zes­se mit unbü­ro­kra­ti­scher Ver­mark­tung bei Anla­gen klei­ner 30 kW zur Ver­rin­ge­rung der Hür­den für Eigen­ver­brauch und Ener­gie­ge­mein­schaf­ten, wobei hier­zu Tech­no­lo­gien auf Basis von Inno­va­tio­nen und Nor­mung ent­ste­hen sollten.

Digitaler Netzanschluss

Emp­foh­len wird wei­ter­hin die Ein­füh­rung eines digi­ta­len Netz­an­schlus­ses mit Kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­schluss, intel­li­gen­tem Mess­sys­tem und digi­ta­ler Steu­er­box des Netz­be­trei­bers sowie Schalt­ein­rich­tung am Netz­an­schluss. Die Signa­le zur Ab- und Wie­der­zu­schal­tung eines Netz­an­schlus­ses sowie zur Leis­tungs­be­gren­zung im Stö­rungs­fall soll­ten auf Basis von einem loka­len Ener­gie­ma­nage­ment­sys­tem zur auto­no­men Leis­tungs­steue­rung im Gebäu­de („Smart-Grid-Rea­di­ness-Schnitt­stel­le“) ent­ste­hen. Zur Spe­zi­fi­ka­ti­on der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­schnitt­stel­len ste­hen Stan­dards der Indus­trie zur Verfügung.

Lokales Energiemanagementsystem

Die Ver­bin­dung der bei­den Zie­le zur auto­no­men Gestal­tung und der sys­tem­dienli­chen Ein­bin­dung in den Netz­ver­bund soll­te durch die Aggre­ga­ti­on von Ener­gie­men­gen und von Fle­xi­bi­li­tät am Netz­ver­bin­dungs­punkt auf Basis eines loka­len Ener­gie­ma­nage­ment­sys­tem der Ener­gie­zel­le statt der Steue­rung von Ein­zel­an­la­gen erfolgen.

 

Digitaler Netzanschluss als Schnittstelle zum Prosumenten

Digi­ta­ler Netz­an­schluss als Schnitt­stel­le zum Pro­sumen­ten, copy­right Andre­as Kieß­ling, 11/2020, erstellt im Pro­jekt C/sells im Rah­men des vom BMWi geför­der­ten Pro­gram­mes “Schau­fens­ter intel­li­gen­te Ener­gie” (SINTEG)

Aus Sicht der Pro­jekt­teil­neh­mer wird die Kom­ple­xi­tät der not­wen­di­gen Gestal­tungs­pro­zes­se bes­ser dadurch beherrscht wer­den, dass legis­la­ti­ve Pro­zes­se und Regu­lie­run­gen nur den not­wen­di­gen Rah­men defi­nie­ren und Büro­kra­tie abbau­en. Die tech­ni­sche Detail­aus­ge­stal­tung der Inno­va­ti­ons­kraft soll­te dabei der Gesell­schaft und Wirt­schaft auch in Ver­bin­dung mit dem inter­na­tio­na­len Stan­dar­di­sie­rungs­um­feld über­las­sen werden.

 

Lei­men, den 13. Novem­ber 2020

Andre­as Kieß­ling, ener­gy design

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